3. Verbindliches Gesamtziel der Union für 2030
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Der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch der EU soll nach Art. 3 Abs. 1 RL 2018/2001/EU bis zum Jahr 2030 soll jetzt auf mindestens 32 % steigen. Die Richtlinie definiert zudem sektorbezogene Ausbauziele. So sollen[163] die Mitgliedstaaten nach Art. 23 Abs. 1 und 2 RL 2018/2001/EU den Anteil erneuerbarer Energien im Wärme- und Kältesektor ab dem Jahr 2021 jährlich um 1,3 Prozentpunkte steigern. Im Verkehrssektor muss gem. Art. 25 Abs. 1 RL 2018/2001/EU jeder Mitgliedstaat die Kraftstoffhersteller verpflichten, bis 2030 den Anteil erneuerbarer Kraftstoffe auf 14 % zu erhöhen. Außerdem wird nach Art. 26 RL 2018/2001/EU der Anteil bestimmter Biokraftstoffe wie etwa Palmöl begrenzt.
4. Aufgabe verbindlicher nationaler Ausbauziele
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Eine nicht unerhebliche Neuerung bezieht sich auf die Vorgaben für die nationalen Ausbauziele. Waren in der alten RL 2009/28/EG die nationalen Ausbauziele noch verpflichtend,[164] ist dies unter der neuen Richtlinie jetzt anders: Aus Gründen der Beachtung der energiepolitischen Souveränität der Mitgliedstaaten und dem damit verbundenen Recht der Verfolgung eines eigenen Energiemixes nach Art. 194 Abs. 2 AEUV werden nun keine verbindlichen nationalen Ziele für die Mitgliedstaaten mehr festgeschrieben.[165] Damit folgt dieser Ansatz dem neuen Vorgehen nach dem Pariser Abkommen: Auch hier werden den Vertragsstaaten keine verbindliche Reduktionsziele vorgeschrieben. Vielmehr sollen diese ihre nationalen Beiträge (NDCs[166]) selbst festlegen[167]. Allerdings gibt es eine verbindliche Untergrenze: Ab dem 1.1.2021 darf nach Art. 3 Satz 4 RL 2018/2001/EU kein Mitgliedstaat hinter sein bisheriges nationales Ausbauziel zurückfallen.
5. Nationale Energie- und Klimapläne
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Da es keine verbindlichen nationalen Vorgaben mehr gibt, musste ein anderes Instrument gefunden werden, wie man das Gesamtziel der EU doch erreichen kann. Hierfür wurde die Figur der nationalen Energie- und Klimapläne eingeführt.[168] In diesen Plänen legen die Mitgliedstaaten – ähnlich der Festlegung der NDCs im Rahmen des Pariser Abkommens – ihre nationalen Beiträge für den Ausbau der erneuerbaren Energien fest. Die Verfahren und Einzelheiten für diese Pläne und ihr Monitoring bestimmen Art. 3 ff. der Governance-Verordnung 2018/1999/EU[169]. Die Kommission bewertet die Energie- und Klimapläne der Mitgliedstaaten und spricht unverbindliche Empfehlungen hierzu aus, denen die Mitgliedstaaten Rechnung tragen sollen. Die ersten Pläne dieser Art hatten die Mitgliedstaaten der Kommission nach Art. 3 Abs. 1 und 9 VO 2018/1999/EU bis zum 31.12.2019 vorzulegen und danach gem. Art. 3 Abs. 1 VO 2018/1999/EU alle zehn Jahre wieder. In diesem Plan legen die Mitgliedstaaten einen indikativen Zielpfad fest, der bestimmt, welchen Anteil erneuerbare Energien bis zum Jahr 2030 erreichen werden sollen. Dabei gibt die Governance-Verordnung in Art. 4 Buchst. a Nr. 2 VO 2018/1999/EU Referenzwerte in Form von Prozentanteilen der Gesamterhöhung, die bis zu den Jahren zu erreichen sind, und zwar bis 2022: 18 %, bis 2025: 43 % und bis 2027: 65 %. Werden diese Referenzwerte nicht erfüllt, spricht die Kommission Empfehlungen aus, um die Umsetzung der selbst gesetzten Ausbauziele zu gewährleisten. Diese Empfehlungen sind aber nach Art. 32 Abs. 1 UAbs. 1. VO 2018/1999/EU nicht rechtsverbindlich.[170]
6. Lückenschließungsmechanismus
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Da die Richtlinie aber für die EU insgesamt ein Ausbauziel von 32 % fordert, muss es ein Mittel geben, Zielverfehlungen zu korrigieren. Dies soll nach Art. 31 f. VO 2018/1999/EU durch den sog. Mechanismus zur Lückenschließung oder „gap-filler“ geschehen. Die Kommission ermittelt anhand konkreter Kriterien[171], ob eine so genannte „Ambitions-Lücke“ entsteht, die auf unzureichende Energie- und Klimapläne der Mitgliedstaaten zurückgeht.[172] Stellt die Kommission eine Lücke bei der Erreichung des 32-%-Ziels fest, schlägt sie nach Art. 31 Abs. 3 VO 2018/1999/EU Rechtsakte, d.h. Verordnungen oder Richtlinien vor oder erlässt Tertiärrechtsakte, um die Lücke zu schließen.
a) Rolle der Umweltbeihilfeleitlinien
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In der EU werden inzwischen je nach Mitgliedstaat in der verschiedensten Weise erneuerbare Energien gefördert. Bisher wurden diese Fördersysteme von der Kommission vor allem im Rahmen der Beihilfeaufsicht nach Art. 107 f. AEUV unter Wettbewerbsgesichtspunkten kontrolliert. Ziel dieser Aufsicht ist, die staatlichen Förderungen schrittweise abzubauen, die erneuerbaren Energien in die Märkte zu integrieren und so die Energiewende kostengünstiger zu machen. Wesentliche Entscheidungsgrundlagen sind dabei die Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien[173]. Bei diesen Leitlinien handelt es sich aber nicht um verbindliche Sekundärrechtsakte. Vielmehr handelt es sich um – wenn auch mit großer praktischer Relevanz ausgestattetes – Soft Law, am ehesten noch vergleichbar der deutschen Verwaltungsvorschrift.[174]
b) Vorgaben der neuen EE-Richtlinie
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Die neue EE-Richtlinie ändert daran wenig, orientiert also die Aufsicht der nationalen Fördersysteme nach wie vor nicht an Umwelt- oder Energiegesichtspunkten, sondern an wettbewerblichen Aspekten und Marktintegration. So sollen die nationalen Förderregeln nach Art. 4 Abs. 2 RL 2018/2001/EU unnötige Wettbewerbsverzerrungen vermeiden, nach Art. 4 Abs. 4 RL 2018/2001/EU offen, transparent, wettbewerbsfördernd, nichtdiskriminierend und kosteneffizient sein und die Produzenten sollen auf die Preissignale des Marktes reagieren. Der vorrangige Netzzugang für Elektrizität aus erneuerbaren Energien soll nach Art. 4 Abs. 3 UAbs. 3 RL 2018/2001/EU nur noch für Kleinanlagen und Demonstrationsvorhaben gelten.[175] Außerdem sollen die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 6 RL 2018/2001/EU im Falle von Ausschreibungsverfahren eine hohe Projektrealisierungsrate sicherstellen. Es handelt sich also um unbestimmte Rechtsbegriffe, welche der Kommission einen großen Spielraum belassen.
Es gibt aber auch einige wenige klare Vorgaben. So ist z.B., wenn Preise direkt gestützt werden, eine gleitende oder feste Marktprämie zu gewähren. Feste Einspeisevergütungen sind damit also nicht mehr zulässig. Ausnahmen gibt es nach Art. 4 Abs. 3 RL 2018/2001/EU nur für Kleinanlagen und Demonstrationsvorhaben. Klarere Aussagen gibt es auch für den Rechtsrahmen zu den Ausschreibungsverfahren. Hier geht es ja immer wieder um die Frage, ob technologie-offen ausgeschrieben werden muss oder ob es auch erlaubt ist, technologiespezifisch auszuschreiben.[176] Bei Vorliegen bestimmter Gründe ist nach Art. 4 Abs. 5 RL 2018/2001/EU auch in Zukunft eine technologiespezifische Ausschreibung möglich, etwa um das langfristige Potenzial einer bestimmten Technologie zu entwickeln oder Diversifizierung, Netzintegrationskosten und Netzstabilität zu gewährleisten.
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Interessant ist das Verhältnis zu den noch bis Ende 2020 geltenden Umweltbeihilfeleitlinien. Diese Leitlinien