2. Behördliche Erlaubnis als begünstigender Verwaltungsakt und Tatbestandsmerkmal, § 3 BtMG
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Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 4 BtMG müssen Personen, die mit Betäubungsmitteln umgehen, sich aber nicht zugleich strafbar machen wollen, eine Erlaubnis beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte anstreben. Das Erlaubnisverfahren selbst ist in den §§ 5 bis 9 BtMG geregelt. Die behördliche Erlaubnis bzw. deren Versagung ist als Entscheidung, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, ein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG, wobei die zuständige Behörde für das jeweilige Erlaubnisverfahren dem einschlägigen Gesetz – hier also dem BtMG – zu entnehmen ist.[117] Die Versagungsgründe finden sich in § 5 Abs. 1 BtMG. In neuerer Zeit stand vor allem der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG im Mittelpunkt, sei es im Kontext der versagten Erlaubnis zum Umgang mit Cannabis zu medizinischen Zwecken[118] (infolge der seit 2017 bestehenden Möglichkeit, Cannabis als Phytopharmakon zu verschreiben, nunmehr obsolet[119]), sei es im Kontext der Erlaubnis für den Erwerb von Pentobarbital zu Suizidzwecken.[120] Gerade letztere Frage ist durch das Urteil des BVerfG, das den Tatbestand der geschäftsmäßigen Suizidförderung gemäß § 217 StGB für verfassungswidrig erklärt hat,[121] wieder von höchster Aktualität, da nunmehr erneut der Frage nachgegangen wird, auf welche Weise das Recht der Sterbehilfe zu regulieren ist. Jedenfalls sollte beim nächsten Versuch einer Regulierung das Betäubungs- und Arzneimittelrecht bei den Reformüberlegungen ausreichend Berücksichtigung erfahren.[122] Soweit in § 29 Abs. 1 BtMG darauf abgestellt wird, dass der Umgang mit Betäubungsmittel „unerlaubt“, „ohne Erlaubnis“ oder „ohne schriftliche Erlaubnis“ strafbar ist, geht die h.M. davon aus, dass die Erlaubnis zu den Merkmalen des objektiven Tatbestands zählt.[123]
III. Zentrale Tatmodalitäten und ihre Erläuterung
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Bezieht sich das Täterverhalten auf ein Betäubungsmittel und hat er auch keine behördliche Erlaubnis, Handlungen im Bezug auf Betäubungsmittel vorzunehmen, kommt eine Verwirklichung des § 29 Abs. 1 BtMG in Betracht. Dieser weist bereits in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG – als „Kernstück“ des deutschen Betäubungsmittelstrafrechts[124] – zehn Tatmodalitäten auf, deren detaillierte Darstellung hier schon aus Gründen des Umfangs nicht erfolgen kann, angesichts des Umstands, dass bestimmten Modalitäten in Relation zu anderen eine verschwindend geringe Bedeutung zukommt, aber auch nicht erfolgen muss. Der umfassende Handlungskatalog erschwert indessen eine abschließende Systematisierung: So kann man zwar zwischen Geber- und Nehmerseite (Abgabe contra Erwerb bzw. bei fehlender „Zusammenarbeit“ Inverkehrbringen contra Sich-Verschaffen), sowie absatz- und nicht absatzorientierten Verhaltensweisen differenzieren, allerdings würde dies das reiche Spektrum an Tatmodalitäten bei weitem nicht abstecken.
1. Handeltreiben
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Als zentrale, absatzorientierte Tathandlung des BtMG bedarf das „Handeltreiben“ näherer Erläuterung. Grundsätzlich soll das „Handeltreiben“ das Unrecht erfassen, welches darin besteht, mit Betäubungsmitteln „Geld zu verdienen“. Es geht also nicht um einen einfachen Verstoß gegen den Erlaubnisvorbehalt (Abgabe, Erwerb, Inverkehrbringen, Anbau), sondern um eine „qualifizierte“ Handlung, bei der das Gewinnstreben im Mittelpunkt steht. Umsatzbezug und Eigennutz markieren den Unterschied zu allen anderen Umgangsformen und erleichtern die begriffliche Abgrenzung.
a) Definition, Erscheinungsformen und Deliktsnatur
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Als Handeltreiben ist nach tradierter und gefestigter Rechtsprechung jede eigennützige auf Umsatz gerichtete Tätigkeit zu verstehen, auch wenn diese sich nur als gelegentlich oder einmalig darstellt.[125] Der Begriff wird äußerst extensiv ausgelegt, was dazu führt, dass weitere Tathandlungen wie „Einfuhr“, „Abgabe“, „sonstiges Inverkehrbringen“ etc. bereits vom Handeltreiben erfasst sind und nur dann rechtlich eigenständige Bedeutung erlangen, „wenn sie nicht als rechtlich unselbstständige Teilakte des Gesamtgeschehens im Handeltreiben aufgehen“.[126] Das Handeltreiben unterscheidet sich, wie die Definition bereits vermuten lässt, von den anderen Tathandlungen darin, dass der Täter mit Umsatzwillen und eigennützig handelt. Nicht erforderlich ist, dass der Täter ein eigenes Umsatzgeschäft betreibt. Weil jede auf einen Umsatz gerichtete Tätigkeit genügt, kann eine auf die Förderung fremder Umsatzgeschäfte gerichtete Tätigkeit ebenfalls den Tatbestand erfüllen.[127] Die Förderung von Fremdumsätzen kommt vor allem bei der Vermittlung von Umsatzgeschäften oder bei diesbezüglichen Hilfstätigkeiten in Betracht, wie z.B. bei Kurierdiensten, Transportleistungen, Lagerung und Verwahrung.
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Erfasst sind zunächst typische „Dealer“-Begehungsweisen, wie der Verkauf von Drogen mit Gewinnabsicht bzw. die Vermittlung in Provisionserwartung; aber selbstverständlich sind auch die absatzorientierte Beschaffung, der Transport (von Streckmitteln), die Überwachung von Kurieren oder die finanzielle Abwicklung des Geschäfts Tätigkeiten, die „auf“ den Umsatz von Betäubungsmitteln „gerichtet“ sind. Es genügt bereits der Anbau, der Ankauf zum Zwecke des Weiterverkaufs, ja selbst das Blicken aus dem Fenster in der Hoffnung, man werde einen Dealer treffen, könnte unter Zugrundelegung der weiten Definition unter das Handeltreiben subsumiert werden. Handlungen weit im Vorfeld (der Kauf von Betäubungsmittelsamen oder Digitalwaagen) können grds. vollendetes Handeltreiben darstellen, wenn diese mit der Intention erfolgen, Betäubungsmittel umzusetzen.
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Insofern muss das Handeltreiben als abstraktes Gefährdungsdelikt eingeordnet werden, das keinen Außenwelterfolg (im Sinne einer Verletzung bzw. konkreten Gefährdung) voraussetzt.[128] Es muss weder zu einem Umsatzerfolg, noch zu einer sonst erfolgreichen Abwicklung des Geschäfts gekommen sein. Wenn man insofern auch darauf hinweist, dass es sich beim Handeltreiben nicht um ein Erfolgs-, sondern um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt handele, so greift dies noch zu kurz; vielmehr müsste man, da die Tätigkeit nicht abschließend beschrieben ist, von mehreren Tätigkeitsdelikten in einem sprechen bzw. könnte das Handeltreiben bei solch einer Auslegung auch als „multiples Tätigkeitsdelikt“ bezeichnen (zum Teil ist auch von einem unechten Unternehmensdelikt die Rede).[129]
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Eine Einschränkung erfährt der Tatbestand insofern nur über die subjektiven Merkmale des Umsatzwillens und des Eigennutzes: Am Umsatzwillen fehlt es bspw., wenn der Angeklagte ohne jegliches Zutun in ein Rauschgiftgeschäft verwickelt worden ist und deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Förderung des Umsatzes von Betäubungsmitteln nicht wollte,[130] oder sich ernsthaft um Verständigen der Polizei bemüht hat, aber wegen sprachlicher Schwierigkeiten nicht ernst genommen wurde.[131]
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Eigennützigkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn es dem Täter auf seinen persönlichen Vorteil ankommt.[132] Der vom Täter beabsichtigte finanzielle Gewinn ergibt sich bei Verkaufsgeschäften auf Grund einer Überschussrechnung: Liegt der Verkaufspreis höher als der Einkaufspreis, so strebt der Täter einen Gewinn an.[133] Das Urteil muss konkrete Feststellungen zur Eigennützigkeit enthalten,[134] wobei Formulierungen wie „zum Selbstkostenpreis“[135] oder „zum Einstandspreis“[136] mit Vorsicht zu genießen sind:[137] diese können bedeuten, dass der Täter keinen Gewinn erzielt hat bzw. erzielen wollte, passen aber