b) Handeltreiben und Allgemeine Verbrechenslehre
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Als Strafvorschriften außerhalb des StGB (Nebenstrafrecht) finden auf die §§ 29 ff. BtMG die Vorschriften des Allgemeinen Teil des StGB gemäß Art. 1 EGStGB Anwendung. Unproblematisch ist dies vor allem hinsichtlich derjenigen Vorschriften, die nicht an die Tat (§§ 13 ff. StGB) knüpfen, man denke an die Verjährung gemäß §§ 78 ff. StGB, an das spezifische Strafzumessungsrecht (Sanktionsformen, Bewährung) oder an das Strafanwendungsrecht, wobei sich auch bzgl. dieser Normen partiell eine „betäubungsmittelrechtsspezifische“ Rechtsprechung herausgebildet hat.[140] Schwieriger scheint sich die Anwendung der Allgemeinen Verbrechenslehren zu gestalten, deren Anknüpfungspunkte die Vorschriften über die Tat (§§ 13–35 StGB) bilden. Jedenfalls beim Handeltreiben stößt die Allgemeine Verbrechenslehre an ihre Grenzen, was darauf zurückzuführen ist, dass der Verhaltensnorm ein objektiver Unrechtskern fehlt, an welche die im Rahmen der §§ 13 ff. StGB entwickelten Lehren knüpfen könnten.[141]
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Da schlicht jede Tätigkeit unter das Handeltreiben fallen kann (auch klassische Beihilfehandlungen, wie die der Kurier- bzw. Chauffeur-Tätigkeit), ist ein Rückgriff auf die Tatherrschaftslehre nicht möglich, vielmehr muss die Rechtsprechung hier in verstärktem Maße auf die subjektive Theorie zurückgreifen.[142] Die im ersten Schritt der Abgrenzung angewandte „Eigenhändigkeitsformel“ (wonach in Anlehnung an § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB jedenfalls derjenige Täter ist, der alle Merkmale in eigener Person erfüllt[143]) führt schließlich stets zur Täterschaft, da jede Tätigkeit für eine formelle Tatbestandsvollendung in personam genügt.[144] Für die Deliktsverwirklichungsstufen gilt, dass selbst in Situationen, in denen man bei unbefangener Betrachtung einen untauglichen Versuch annehmen würde, stets zu beachten bleibt, dass bereits der bloße Verbalhandel zur Vollendung führt; ob die Drogen jemals hätten geliefert werden können (weil der Hersteller sich weigert, zu liefern, oder weil die Drogen sichergestellt wurden, weil es sich bei dem Bezugsobjekt nicht um Drogen, sondern um Mehl handelte oder weil der Abnehmer ein verdeckter Ermittler ist), ist irrelevant.[145]
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Bis heute haben sich in der Rechtsprechung auch keine Mechanismen entwickelt, mit denen jenen geschilderten Unwägbarkeiten begegnet werden kann. Der 3. Strafsenat hatte in einem aufsehenerregenden Anfragebeschluss vorgeschlagen, das Handeltreiben anhand eines abgeschlossenen Katalogs von Handlungen näher zu bestimmen.[146] Der Große Senat lehnte diesen Vorstoß ab, hielt an der extensiven Auslegung fest und beschwichtigte mit der Überlegung, dass „ein großer Teil derjenigen Fälle, die im vorliegenden Zusammenhang als problematisch diskutiert werden, […] seine Lösung eher an der Grenzlinie zwischen Beihilfe und (Mit-)Täterschaft als in der Differenzierung zwischen versuchtem und vollendetem Handeltreiben“ finde.[147]
c) Einzelfallkasuistik und Kurierrechtsprechung
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Bei solch einer Begründung dürfte es einen Versuch des Handeltreibens eigentlich nicht mehr geben. Dennoch hat die Rechtsprechung auch nach der Entscheidung des Großen Senats Fallgruppen benannt, in denen ein bloß versuchtes Handeltreiben in Betracht komme: zum Teil wird darauf abgestellt, ob der Täter bereits Betäubungsmittel besitzt (wenn nicht, kein unmittelbares Ansetzen), was im Widerspruch dazu steht, dass der Anbauprozess als Teilakt des Handeltreibens anerkannt wird. Auch steht bis heute nicht fest, ob bereits ernsthafte Angebote ausreichen oder es zu Gesprächen gekommen sein muss. Warum ausgerechnet das fehlgeschlagene Bemühen, als Rauschgiftkurier zu agieren, einen Versuch darstellen soll,[148] bleibt fraglich; selbst wenn man den Versuch als solches ausblendet, kommt man nicht um eine Abgrenzung zum Bereich strafloser Vorbereitung umhin. Eine neuere „Errungenschaft“ der Rechtsprechung, als frühesten Bereich des unmittelbaren Ansetzens den Anbau der Betäubungsmittel anzusehen (so dass das bloße Anmieten eines Hauses zum Zwecke des geplanten Anbaus von Cannabis eine straflose Vorbereitungshandlung darstellt[149]) ist zwar in ihrer restriktiven Wirkung zu begrüßen. Die „Sperrwirkung“[150] des Anbautatbestands mutet aber zufällig an, wenn man bedenkt, dass in anderen Fällen mit weitaus weniger „Realisierungspotential“ ein vollendetes Handeltreiben bejaht wird. Jedenfalls zeigen sich – was zu begrüßen ist – vor allem in der neueren Rechtsprechung mittelfristige Auswirkungen der Entscheidung des Großen Strafsenats in Form einer grundsätzlich gesteigerten Tendenz, straflose Vorbereitungshandlungen in größerem Umfang als zuvor anzunehmen. Immer häufiger ist zu lesen, dass Handlungen „weit im Vorfeld des beabsichtigten, noch nicht näher konkretisierten Drogenumsatzes“ weder vollendetes noch versuchtes Handeltreiben darstellten. Als relevante Fallgruppen sind zu nennen: Bloße Anfragen, denen es ggf. auch an der Ernstlichkeit mangelt, Kuriervorbereitungen, Transport und Ankauf von Utensilien, die dem späteren Handeltreiben dienen sollen usw.[151] Auch der Antritt einer Fahrt in der Absicht, am Zielort Betäubungsmittel zu erwerben, soll nach einer neueren Entscheidung des Fünften Strafsenats noch kein (versuchtes) Handeltreiben darstellen, es sei denn, dem Täter ist am Zielort ein zuverlässiger Händler bekannt.[152]
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Diese restriktiven Tendenzen ändern freilich nichts an der wachsweichen Anwendung der „AT-Dogmatik“, die sich auch im Bereich der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beobachten lässt. Da eine Einheitstäterschaft als Ergebnis der Eigenhändigkeitsformel in Anbetracht der im Raum stehenden Sanktionen für die zahlreichen „kleinen Fische“ weder praktizierbar noch gewünscht ist, hat sich sehr früh (also bereits vor der berüchtigten „Kurierrechtsprechung“, vgl. im Folgenden) eine Einzelfallrechtsprechung etabliert, die sich nicht an der tatbestandlichen Ausführungshandlung und somit nicht an Tatherrschaftskriterien orientiert, sondern die Tathandlung in den Kontext des Gesamtumsatzgeschäfts stellt. Diese Tendenz wurde durch die bereits zitierte Entscheidung des Großen Senats begünstigt, indem der Rückgriff auf die Beihilfe (oder genauer: auf die obligatorische Strafmilderung nach § 27 Abs. 2 StGB) zur Methode erhoben wurde. Sie mündete kurze Zeit später in die einprägsam als „Kurierrechtsprechung“ bezeichnete Entscheidung des 2. Strafsenats,[153] wonach Personen, denen in der Abwicklung des „Gesamtgeschäfts“ eine eher untergeordnete Rolle zukommt (dies treffe auf Kuriere regelmäßig zu), als Gehilfen einzuordnen seien. Ähnlich wie bei der „Hemmschwellentheorie“ (beim Tötungsvorsatz) musste die höchstrichterliche Rechtsprechung kurz danach mehrmals klarstellen, dass der Rückgriff auf das „Schlagwort“ nicht genügt, sondern in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob nicht vielleicht doch eine Mittäterschaft vorliegt, mag der Beteiligte auch nur „Kuriertätigkeiten“ vorgenommen haben.[154] Schon diese Rechtsprechung lässt vermuten, dass das Schlagwort keinesfalls eine auf Anhieb bessere Zuordnung ermöglicht, sondern bei genauerem Hinsehen als plakativ-kasuistische Hülle fungiert, die im Einzelfall das „Schlupfloch“ der unvorhersehbaren Gesamtbewertung nicht beseitigt,[155] sondern allenfalls die Anforderungen an die tatrichterlichen Darstellungsanforderungen modifiziert.
d) Kritik und Alternativen
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Die dargestellten Unwägbarkeiten müssten bereits ihrer selbst willen aufgelöst werden – und zwar möglichst legislativ; denn die Rechtsprechung weigert sich bis heute, dies zu tun und beruft sich dabei auf den Willen des Gesetzgebers. Zwar bestimmt die „Dogmatik“ (insbesondere die Anwendung des Allgemeinen Teils wie auch die allgemeine Verbrechenslehre) nicht den Inhalt der Verhaltensnormen, sondern führt diese zunächst nur einer Systematisierung zu. Umgekehrt gewährt sie jedoch auch Garantien (etwa fakultative sowie obligatorische Strafmilderungen), welche in die Sanktionsnorm implementiert