IV.1.3 Video- und Bildplattformen
In den letzten Jahren hat sich eine Kommunikationsform über Medien wie Bilder und Videos im Netz etablieren können, die eine besondere Bedeutung für Cybergrooming hat. Mit Ausnahme von Onlinegames existiert kaum noch eine Form von Sozialen Medien, die nicht in irgendeiner Form die Möglichkeit des Teilens und Verbreitens von Medien oder sogar von Videolivestreams beinhaltet. Dabei ist die steigende Verbreitung dieser Plattformen eine folgerichtige Entwicklung der steigenden Verbreitung von Smartphones. War es vor deren Verbreitung ein eher aufwendiges Unterfangen, eigene Bilder im Internet hochzuladen, meist mit mehreren Zwischenschritten, vereinfachte die Kombination aus integrierter Kamera und Internetanbindung diesen Prozess ungemein. Hierbei haben sich einige relevante Plattformen herausgebildet. Im Videobereich ist YouTube die dominierende Plattform. So sollen sich 2013 bereits 1 Milliarde Menschen monatlich eingeloggt haben und annähernd 1,5 Milliarden im Jahr 2017255. Bei den Bilderplattformen sind Instagram und Snapchat aktuell die beliebtesten Plattformen. Sie stellen, ähnlich wie YouTube, nicht das geschriebene Wort in den Mittelpunkt, sondern Bilder oder Videos, die Nutzer hochladen, kommentieren und mit Likes u. a. bewerten können. Snapchat, das 2011 online ging, war zunächst eine der wenigen Plattformen, die Nutzern versprachen, Medien so versenden zu können, dass sie beim Empfänger nur für eine vorgegebene Zeit vorhanden sind256. Daher bekam es relativ schnell den Ruf einer Sexting App, also einer Plattform für vorwiegend eigenproduzierte Nackt- und Erotikbilder sowie erotischer Nachrichten (sog. Sexts257) zur sexuellen Stimulanz anderer Personen258. Das im Jahr 2010 gegründete Instagram hat mittlerweile ähnliche Funktionen wie Snapchat und beginnt es zu verdrängen259. Instagram hatte im September 2013 lediglich 150 Mio. Nutzer, schaffte es aber die Nutzerzahlen bis September 2017 auf 800 Mio. fast zu verfünffachen260. Snapchat kam im selben Zeitraum bis 2017 auf lediglich 173 Mio. Nutzer weltweit261. In Deutschland nutzen einer Studie zufolge 9 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren mindestens wöchentlich Instagram und sechs Prozent Snapchat262. Eine weitere relevante Plattform stellte bis August 2018 die App Musical.ly da. Diese soll zeitweise fast 250 Mio. Nutzer weltweit263 und 8,5 Mio. Nutzer in Deutschland gehabt haben264. Bei Musical.ly nahmen die Nutzer kleine 15-sekündige Karaokeclips auf, die von anderen Nutzern bewertet werden konnten. Aufgrund von Berichten von Jugendschützern über massive sexuelle Übergriffe auf Kinder265 in der Form, dass Kinder sexuell angesprochen wurden, wurde die App mit dem Programm TikTok fusioniert266. Die wesentlichen Mechanismen, die zu den Übergriffen geführt hatten, blieben allerdings gleich.
Alle diese Programme haben für die Cybergrooming-Begehungsweise eine besondere Bedeutung. Einerseits sind sie v. a. bei jungen Menschen beliebt, was sie für die T atbegehung durch klassische Täter relevant erscheinen lässt. Andererseits erhöht dies auch die Wahrscheinlichkeit von sexuellen Handlungen, auch Missbrauchshandlungen zwischen Gleichaltrigen. Eine Entwicklung, die sich, wie noch zu zeigen sein wird, tatsächlich bereits nachvollziehen lässt. Bedingt durch den Trend, sich auch im digitalen Raum selbst zu präsentieren, ist es zudem relativ einfach Kontakt zu einem Kind aufzunehmen und so einen Cybergrooming-Prozess einzuleiten.
IV.1.4 Onlinespiele und andere virtuelle Welten
Onlinegames als Genre der Sozialen Medien267 sind bedingt durch ihre Attraktivität für Kinder und Jugendliche von besonderer Relevanz für das Untersuchungsfeld268. Onlinegames können zu den übergeordneten virtuellen Welten gezählt werden269. Nach Paschke basieren virtuelle Welten „[…] auf einem internetgestützten Netzwerk von Computern und ermöglichen synchrone soziale Interaktionen von Menschen, die durch Avatare repräsentiert werden, in einer persistenten dreidimensionalen Umgebung […]“.270 Virtuelle Welten sind demnach bereits begrifflich nicht reale Nachbildungen, sondern künstliche – fiktive – der physischen Welt271. Prinzipiell können solche Nachbildungen – entgegen der zitierten Definition von Paschke – auch in einem spielerischen Kontext durch das Gestalten beispielsweise mit Lego, Playmobil oder andere Spielzeugwelten erfolgen272. Für das Untersuchungsfeld sind nur virtuelle Welten von Relevanz, die computerbasiert sind273. Für computerbasierte virtuelle Welten können unterschiedliche Klassifizierungen vorgenommen werden, v. a. nach dem Ziel des Programmes, ob also ein Spielziel vorgegeben wird274. So gibt oder gab es virtuelle Welten wie „Second Life“275 oder „Red Light Center“276, die überwiegend nicht durch einen spielerischen Aspekt geprägt sind. Dies bedeutet nicht, dass dort nicht auch gespielt werden kann. Beispielsweise sind bei Second Life teils umfangreiche und Minispiele von Nutzern selbst erstellt worden, die auch mit anderen zusammengespielt werden277. Die Programmierer haben den Nutzern jedoch kein übergeordnetes spielerisches Ziel vorgegeben wie „Besiege den Gegner“, „finde einen Schatz“ und dergleichen. Vielmehr wird der kommunikative und selbstgestalterische Aspekt hervorgehoben, und es wird nur der Rahmen gesetzt, in dem sich der Nutzer bewegen kann278. Solche Formen virtueller Welten werden auch als Metaversen279 oder Lebenssimulationen (Life Sims) bezeichnet280. Virtuelle Welten werden typischerweise durch drei Eigenschaften charakterisiert: eine immersive Erfahrung sowie eine konsistente und persistente Welt281. Unter Immersion wird das Versinken in diese Form der virtuellen Welt verstanden. Das bedeutet, dass es dem Nutzer zumindest theoretisch möglich sein muss, die vorhandene Außenwelt auszuklammern und sich als Teil dieser neuen Welt zu verstehen. Dies wird typischerweise über Ankerpunkte realisiert, an denen sich der Nutzer orientieren kann. In den meisten Metaversen und allen Formen von Spielen stellen diese Ankerpunkte sogenannte Avatare dar282. Avatare stellen virtuelle Figuren der Nutzer dar, die sie in vielen Fällen zumindest oberflächlich selbst gestalten und anpassen können und mit denen sie sich in der virtuellen Welt bewegen. Neue Entwicklungen im Bereich der sog. „Virtual Reality“ versprechen zudem eine besonders immersive Spieleerfahrung283. Bruns definiert Virtual Reality als „[…] Computersysteme, die den Nutzern über das Ansprechen von ein oder mehreren Sinnen das Gefühl geben, sich an einem anderen Ort oder in einer anderen Welt zu befinden. Die reale Welt soll dabei zugunsten der virtuellen Welt aus dem Bewusstsein des Nutzers verdrängt werden“284. Dabei wird Virtual Reality zumeist unter Zuhilfenahme sog. Head-Mounted-Displays umgesetzt285. Solche ‚Brillen‘ besitzen zumeist pro Auge einen Bildschirm und versuchen Umgebungsgeräusche und Umgebungslicht auszublenden286. Immerhin 44 Prozent der deutschen Internetnutzer im Jahr 2017 haben bereits einmal eine solche VR-Brille ausprobiert287. Obwohl gegenwärtig im Bereich des Massenmarktes Virtual Reality vornehmlich