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Mit der Einführung einer neuen Klasse „Mikro-/Kleinunternehmen“ wird in der finalen Fassung im Rahmen der Kreditvergabe zudem eine Unterscheidung hergestellt zwischen „Mikro- und Kleinunternehmen“ sowie „mittleren und großen Unternehmen“ mit wesentlichen Erleichterungen für Kleinunternehmen, insbesondere in Bezug auf die Kreditvergabe und regelmäßige Überwachung.
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Eine wesentliche Rolle spielt das Proportionalitätsprinzip – in Bezug auf die angemessene Auslegung der Vorgaben nach Art, Größe und Inhalt des Risikos in den jeweiligen Instituten. Das Proportionalitätsprinzip wird in der finalen Fassung je Sektion der Leitlinie unterschiedlich stark aufgegriffen. Beispielsweise differenziert die EBA in der finalen Fassung im Bereich Governance- und Risikomanagement zwischen Anforderungen an kleine sowie mittlere und große Unternehmen, während die Bereiche Bonitätsbeurteilung, Sicherheitenbewertung und Kreditrisikoüberwachung nach Art, Umfang und Komplexität der Kreditfazilität (also des Geschäfts) differenziert werden. Somit wurden in der finalen Fassung unterschiedliche Kategorien geschaffen, um das Prinzip an der jeweiligen Stelle zu präzisieren.
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Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen Konsultationsfassung und finalen Leitlinien ist der Wegfall der zwingenden quantitativen Überleitbarkeit zwischen Kreditvergabekriterien und Risikoappetit/-strategie. Es wurde somit klargestellt, dass die im Anhang genannten „Kreditvergabekriterien“, „Informationen und Daten für die Kreditwürdigkeitsprüfung“ und „Parameter für die Kreditvergabe und Überwachung“ keine zwingenden Mindestanforderungen sind, sondern – „where relevant and more appropriate“– auch andere Kriterien verwendet werden können. Hier wurde also die zwingende Pflicht auf eine reine Empfehlung reduziert.
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Insgesamt bietet die finale Fassung im Vergleich zum Konsultationspapier also eine höhere Flexibilität. Von den 298 Textziffern der finalen Leitlinien sind 157 unverändert bzw. handelt es sich lediglich um Klarstellungen; für 97 Textziffern gibt es Erleichterungen (51 davon deutliche Erleichterungen), und 44 Textziffern stellen Verschärfungen dar.
1. Beispiele für Erleichterungen gegenüber der Konsultationsfassung
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Im Feld der Kreditentscheidung bzw. -kompetenzen bestehen mehr Freiheiten bei Krediten an verbundene Unternehmen. Beispielsweise muss ein Kredit innerhalb einer Banken- Gruppe nicht marktgerecht oder fair sein.2
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Des Weiteren besteht eine teilweise flexiblere Gestaltung Kreditentscheidung, da bspw. Mitarbeiter mit Performancevergütung nicht mehr von der Kreditentscheidung komplett auszuschließen sind oder Entscheidungen großer Kredite nicht mehr zwingend in jedem Fall an das Kreditkomitee übertragen werden müssen.3
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Auch die zwingende Erfüllung des Three Lines of Defence-Modells fällt in der finalen Fassung weg, d.h. Organisations-Strukturen müssen nicht mehr dem Three-Lines-of-Defence Modell folgen.4
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Zudem ist die Anwendung von Kreditrisikotechnologien gegenüber der Konsultationsfassung vereinfacht worden, da das Erfordernis zumindest begrenzt wurde, dass man Ergebnisse, die auf Basis der neuen Technologien entstanden sind, mit Ergebnissen auf Basis herkömmlicher Methoden miteinander vergleichen muss.5
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Ferner wurde die Überprüfung der Informationen für die Kreditwürdigkeitsprüfung dahingehend erleichtert, dass diese nur noch bei Zweifeln an der Plausibilität durchgeführt werden muss; Überprüfungen von finanziellen Verpflichtungen des Kunden müssen nicht laufend im Bestandsgeschäft aktualisiert werden6 (insbesondere relevant bei kleinen Unternehmen).
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In Bezug auf die aufwendigen Sensitivitätsanalysen in der Kreditwürdigkeitsprüfung darf man sich nunmehr auf kreditrelevante Negativereignisse beschränken, z.B. geringeres Einkommen in der Zukunft. FX-Risiken sind nur noch zu prüfen, wenn dies tatsächlich relevant wird. Und weitere kleinere Erleichterungen gegenüber der Konsultationsfassung sind dem finalen Text zu entnehmen.7
2. Beispiele für Verschärfungen gegenüber der Konsultationsfassung
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Im Zuge der derzeit rasant ansteigenden regulatorischen Anforderungen zum Themenkreis der Environment Social Governance („ESG“) wurde auch in der EBA-Leitlinie eine Detaillierung der ESG-Anforderungen bezogen auf die Geschäftsstrategie vorgenommen. Hier wurden die ESG-Faktoren in das Risikoappetiteframework aufgenommen8; und es werden zusätzliche Analysen für mittlere und große Unternehmen, wie bspw. die Analyse des Geschäftsmodells auf ESG-Exposure, verlangt.9
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Zudem sieht die finale Fassung Sonderanforderungen bei Leveraged Transactions vor: z.B. Umfassende Analysen zum Abbau hoher Verschuldung und zur Rückzahlungsfähigkeit.10
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Und auch beim Thema Pricing ist nun eine belegbare Kopplung der Preissetzung an vorherrschende Marktbedingungen notwendig, d.h. Wettbewerb und vorherrschende Marktbedingungen sollen sichtbar in die Preissetzung einfließen.11
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Für eine Annäherung an die inhaltlichen Themengebiete der neuen EBA-Leitlinie lohnt sich zunächst der Blick auf die damit verbundene Zielsetzung. Es soll ein einheitlicher aufsichtlicher Rahmen auf europäischer Ebene zur Risikoübernahme geschaffen werden. Dadurch soll eine hohe Qualität der Kreditvergabe sichergestellt werden und im weiteren Verlauf des Kreditlebenszyklus das Management, die Verwaltung und Überwachung der Kredite gesichert und verbessert werden. Die EBA hat dazu einige wesentliche Prinzipien etabliert. Neben dem Grundsatz der umsichtigen Kreditvergabe kommen Aspekte des Verbraucherschutzes, das Thema Finanzstabilität und auch das bereits eingangs erwähnte Proportionalitätsprinzip zum Ausdruck.
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Die inhaltlichen Schwerpunkte setzt die Aufsicht insbesondere bei den ESG-Faktoren, zusammen mit dem Aspekt der „technologischen Innovationen“ im Kreditentscheidungs-prozess, worauf erstmalig Bezug genommen wird. Ein anderes, wichtiges Schwerpunktthema bildet die IT & Daten-Infrastruktur, auf die explizit verwiesen wird sowie die im Zusammenhang mit der NPL Leitlinie12 zu sehenden Frühwarnindikatoren. Dazu kommen noch umfangreiche Anforderungen im Anhang der EBA-Leitlinie, wenn es darum geht, die Kreditwürdigkeit zu prüfen, und dezidierte Vorgaben zur Bewertung von Unternehmen aufzusetzen. Sie gelten für den gesamten Kreditlebenszyklus. Anforderungen dieser Art sind mit Blick auf bereits bestehende, kreditbezogene Leitlinien nicht unbedingt neu, haben aber im Umfang deutlich zugenommen.
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Hinsichtlich des Inkrafttretens der Leitlinie am 30. Juni 2021 gilt, dass die Leitlinie, bezogen auf die Banken mit Sitz in Deutschland, verbindlich erst einmal nur für die 21 großen SSM-Banken (Single Supervisory Mechanism), die die Europäische Zentralbank beaufsichtigt, gilt.13 Diese direkt von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigten Institute des SSM müssen die Anforderungen der Guideline ab dem 30. Juni 2021 stufenweise umsetzen. Die vollständige Umsetzung der Guideline ist für sie bis 30. Juni 2024 verpflichtend.
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Die neuen Leitlinien werden somit aufgrund der pandemiebedingten Erleichterungen in den Umsetzungsfristen im Rahmen der bereits eingangs erwähnten dreistufigen Umsetzungskaskade eingeführt. Während die Vorgaben ab Juni 2021 für alle Neugeschäfte im Kreditbereich anzuwenden sind, bestehen Ausnahmen für Bestandsengagements. Für bestehende Kreditverträge, die inhaltliche Anpassungen erfordern (also Waiver, Restrukturierungen etc.), gelten die EBA-Leitlinien ab Juni 2022. Erst in drei Jahren, d.h. ab Juni 2024 werden sie dann für alle Kreditfazilitäten