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Alle drei Organisationen eint dabei, dass sie bei den von ihnen erarbeiteten Vertragsdokumentationen auf eine Standardsetzung orientiert sind und durch breite Einbeziehung der Marktgegenseiten, Berater und soweit möglich der Regulierer, einen breiten Konsens herstellen wollen. Die Vertragsdokumentationen stehen dabei nur den Mitgliedern zur Verfügung, darüber hinaus werden regelmäßig auch Konferenzen, teilweise in Zusammenarbeit miteinander, angeboten.9 Hinzu kommen Trainings und andere Fortbildungsveranstaltungen sowie die Erhebung von Marktdaten. Alle drei Organisationen eint weiter, dass sie maßgeblich durch das angloamerikanische Recht und die dortige Praxis der Vertragsgestaltung und -dokumentation geprägt sind. Gerade in den Gesprächen zwischen LMA und der DKS 2011 wurde insoweit deutlich, dass eine Ausweitung auf den kontinentaleuropäischen Rechtskreis mit seinen zahlreichen im Detail dann doch höchst unterschiedlichen Jurisdiktionen, wie etwa Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien oder Polen etc., nicht als attraktiv angesehen wurde. Insoweit setzt die LMA auch heute weiter primär auf einen Standard nach UK-Recht. Dies führt in der Praxis dann oftmals dazu, dass Dokumentationen, wenn kontinentaleuropäisches Recht zur Anwendung kommen soll oder muss, mehr oder weniger gut „übersetzt“ werden, was insbesondere (aber nicht nur) bei Rechtsstreitigkeiten zu Friktionen führen kann.
7 Zur Entstehungsgeschichte Schalast/Keibel, a.a.O. (Fn. 5). 8 Basta/Marsh/Virmani, Loan Syndications and Trading: An Overview of the Syndicated Loan Market, ICLG, Lending & Secured Finance 2017. 9 Siehe etwa die LMA und LSTA Konferenz in London am 11.3.2020.
III. Der USP? Deutsche Kreditmarkt-Standards vs. angloamerikanische Dokumentationen
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Der zentrale Unterscheidungspunkt, der USP, der DKS gegenüber ihren Schwesterorganisationen in London, New York oder Hongkong ist, dass sie bei den von ihr entwickelten Vertragsdokumentationen, aber auch im Übrigen, ganz klar auf deutsches und darüber hinaus – soweit harmonisiert vorhanden – europäisches Recht setzt. Zunächst mag man sich fragen, ob dies überhaupt notwendig ist angesichts der im Markt doch weitgehend durchgesetzten LMA- beziehungsweise LSTA-Dokumentation. Doch die Praxis zeigt, dass es immer wieder Vertragspartner gibt, die keine Anwendbarkeit von UK-Recht wollen und im Übrigen auch eine deutschsprachige Dokumentation wünschen. Dafür kann es vielfältige Ursachen geben und insbesondere Kredittransaktionen mit Regionalbanken dokumentieren die Wichtigkeit dieser Überlegung. Die dann gewählten Hilfsmittel sind dann meist mehr oder weniger gute Übersetzungen, helfen aber letztendlich nicht wirklich weiter, da der „Kontext“ des deutschen beziehungsweise kontinentaleuropäischen Rechts und des Common Law höchst unterschiedlich sind.10 Dabei kann man den Unterschied nicht auf das Fehlen von zentralen zivil- und wirtschaftsrechtlichen Kodifikationen beschränken, sondern er geht weit darüber hinaus, etwa in Richtung der Auslegung/Interpretation des Vertragsinhalts, der Vollstreckungsthemen und Schadenersatzansprüchen.11 Ein ganz besonderer Nachteil der Nutzung der Common Law-Dokumentationen in Deutschland, aber auch in allen anderen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, ist, dass Besonderheiten im Hinblick auf das Grundbuchrecht oder Sicherheiten nicht abgebildet werden können, weil diese so im UK nicht existieren und sie dafür nicht entwickelt wurden.
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Man braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um anzunehmen, dass nach dem Brexit die Bedeutung von angloamerikanischem Recht für den europäischen Kreditmarkt tendenziell eher zurückgehen wird. Eines der zentralen Ziele des Brexit war es ja gerade, sich von der europäischen Entwicklung und damit auch der zunehmenden Verrechtlichung des Common Law im UK sowie der Rechtsprechung des EuGH zu entziehen. Welche Konsequenzen dies für „Law made in UK“ oder „Arbitration made in UK“ in Zukunft haben wird, ist offen. Hinzu kommen viele Fragezeichen hinsichtlich der Bedeutung des Finanzmarktes London für die Kreditmärkte der EU 27. In diesem Zusammenhang ist jedenfalls Platz für eine deutsche Schwesterinstitution und gegebenenfalls auch eine neue europäische Kreditmarktorganisation. Dabei wird es sicher eine Anforderung sein, mit der LMA und gegebenenfalls weiteren verwandten Organisationen einen fruchtbaren Dialog in Gang zu setzen. Auf jeden Fall hat die DKS aus diesen Überlegungen heraus eine Zusammenarbeit mit der Initiative „Law made in Germany“ initiiert12 und arbeitet derzeit eng mit den Institutionen der EU sowie möglichen Kooperationspartnern zusammen, um diese europäische Perspektive darstellen zu können.
10 Siehe dazu Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 243ff. und 389ff. 11 Allgemein dazu Kötz, Comparative Contract Law, in: Reimann/Zimmermann, The Oxford Handbook of Comparative Law, 2. Aufl., 2019, S. 902ff. 12 Law – Made in Germany, https://www.lawmadeingermany.de/ (zuletzt abgerufen am 31.8.2021).
IV. Die DKS: Von der Gründung bis zur Zehnjahresfeier
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Von der Zahl der Mitglieder kann sich die DKS noch nicht mit seinen „großen“ Schwesterorganisationen messen, doch der Verein, der von sieben Mitgliedern Ende 2011 gegründet wurde, ist heute auf fast 60 Mitglieder gewachsen, wobei insbesondere Banken und Finanzinstitutionen, aber auch FinTechs zu nennen sind. Hinzu kommen zahlreiche führende nationale und internationale Anwaltskanzleien sowie Servicer und institutionelle Mitglieder, wie etwa die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing. Die DKS arbeitet dabei weiterhin grundsätzlich mit ihren ursprünglichen Arbeitsgruppen: dem Ausschuss Privatkunden, dem Ausschuss Firmenkunden und dem Ausschuss Immobilienfinanzierung. Des Weiteren hat sie sich zwischenzeitlich mit einem breit aufgestellten Beirat um den Vorsitzenden, Professor Dr. Axel Wieandt, WHU, Professor Dr. Matthias Casper, Universität Münster, Professor. Dr. Peter O. Mülbert, Universität Mainz, Professor Dr. Dirk Schiereck, Technische Universität Darmstadt sowie die Banker Dr. Michael Scherl, Bayerische Landesbank, Judith Wittig, Deutsche Bank AG, und Claus Radünz, LBBW, verstärkt. Im Herbst 2021 werden nun Frau Professor Dr. Katja Langbucher von der Goethe Universität/House of Finance sowie Professor Dr. Tim Adam von der Humboldt Universität hinzustoßen.
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Diese enge Vernetzung der DKS mit der führenden wirtschaftswissenschaftlichen Forschung hat weiter dazu geführt, dass sich seit 2017 der DKS Award für Master- und Bachelor-Thesen im Themenbereich deutscher/internationaler Kreditmarkt, Kreditmarkttransaktionen oder deren Standardisierung sowie insgesamt Schaffung von Standardvertragsklauseln oder Standardprozessen etabliert hat. Die Preisträger der Awards für das Jahr 2020 haben dabei Themen wie: „Finanzierung von Unternehmen über Kreditplattformen – Nur ein Trend oder nachhaltiger Mehrwert für die Beteiligten?“13 oder „Cyclicality of Credit Supply: Substituting term loans with bonds and revolving credit in the eurozone“ bearbeitet.14 Einen Sonderpreis bekam schließlich die Master Thesis: „Does ESG-focused shareholder activism generate alpha?“.15 Gerade der letzte Titel führt zu einem der künftigen Themenbereiche, mit denen sich die DKS in Zukunft intensiv beschäftigen wird.
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Des Weiteren stand in den letzten Jahren die Erarbeitung von Vertragsmustern weiterhin im Mittelpunkt.
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Derzeit liegen Muster u.a. für folgende Bereiche vor:
– Kaufvertrag über Kreditforderungen unbesichert und Kaufvertrag über Kreditforderungen mit Sicherheiten (deutsch/englisch),
– Servicingvertrag