Um die Problematik der ordnungsgemäßen ärztlichen Aufklärung und anschließenden Einwilligung der Patientin ging es wiederholt auch in Fällen, in denen im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch oder einem Kaiserschnitt die Patientin sterilisiert worden war.[21] Während der Arzt im konkreten Fall angegeben hatte, die Patientin am Tag der Entbindung ausführlich auch über die Sterilisation anhand eines Merkblattes aufgeklärt zu haben, das anschließend mit der Ergänzung „Tubensterilisation“ von ihr unterzeichnet worden sei, bestritt diese das Aufklärungsgespräch und die Unterzeichnung des Merkblattes. Die fatale Beweissituation, in die der Arzt bei solchen Sachverhaltskonstellationen geraten kann, zeigt die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft wegen schwerer Körperverletzung gem. §§ 223, 226 Abs. 1, Abs. 2 StGB, weil man der Patientin (Zeugin) Glauben schenkte und deshalb eine Urkundenfälschung des Angeschuldigten annahm.[22]
10.
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In einem anderen Fall hatte die Patientin nach Aufklärung über die Sterilisation eine Einwilligungserklärung sowohl für die Kaiserschnittsoperation als auch für die Sterilisation unterschrieben, machte aber später geltend, sie habe wegen unzureichender Deutschkenntnisse kaum etwas verstanden. Diese Behauptung ließ sich jedoch nicht nachweisen, so dass der Arzt vom LG München II rechtskräftig freigesprochen wurde.[23]
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11.
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Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Körperverletzung erhob die Tochter der verstorbenen Patientin den Vorwurf, der herbeigerufene Notarzt habe trotz ihrer Hinweise auf die Unverträglichkeit bzw. Überempfindlichkeit ihrer Mutter bezüglich des Schmerzmittels Analgin dieses zur Schmerzbekämpfung gespritzt. Demgegenüber behauptete der Arzt, er habe die Patientin vor der Injektion über das beabsichtigte Präparat Analgin und dessen Zweck aufgeklärt. In diesem Gespräch habe die Patientin keine Einwendungen wegen einer Analgin-Unverträglichkeit geäußert. Das Ermittlungsverfahren[24] wurde aus tatsächlichen Gründen (Zeugenaussage des Rettungssanitäters) eingestellt.
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12.
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In einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung wurde dem beschuldigten Chefarzt sowohl ein Behandlungs- als auch ein Aufklärungsfehler vorgeworfen. Er habe zum einen die Koloskopie in völlig unüblicher Weise vorgenommen und dadurch den aufgeblähten Dickdarm perforiert. Zum anderen sei der Patient auf das Perforationsrisiko nicht hingewiesen worden. Beide Vorwürfe stammten von den Oberärzten der Klinik, erwiesen sich jedoch als unbegründet.[25]
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Bei der Einleitung der Intubationsnarkose aspirierte das 2-jährige Kind, dessen gebrochener Unterarm reponiert werden musste, in erheblichem Umfang, so dass es künstlich beatmet wurde und mehrere Tage auf der Intensivstation lag. Die Eltern waren über „den ganzen Geschehensablauf empört“ und erstatteten „gegen die behandelnden Ärzte“ Strafanzeige wegen fehlerhafter Narkoseführung und mangelnder Aufklärung über das lebensgefährliche Risiko. Auf die erhöhte Aspirationsgefahr des nicht nüchternen Kindes und die eventuelle Notwendigkeit einer Beatmungshandlung waren die Eltern jedoch im Rahmen eines ausführlichen Aufklärungsgesprächs hingewiesen worden.[26]
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Die Patientin wünschte eine Brustvergrößerung und behauptete als Zeugin in der Hauptverhandlung, in dem präoperativ geführten Aufklärungsgespräch habe sie auf Grund negativer Medienberichte die Implantation eines Silikonpräparates ausdrücklich abgelehnt. Der angeklagte Arzt, der eine Doppellumenprothese mit einem Silikonkern eingesetzt hatte, bestritt dies nachdrücklich. Das Gericht folgte jedoch in vollem Umfang den Angaben der Zeugin, so dass – nach einer Anklage wegen vorsätzlicher (!) Körperverletzung – eine Verurteilung (allerdings wegen Fahrlässigkeit) nicht zu vermeiden war, zumal der gerichtliche Sachverständige auch noch die Lage des Implantats als nicht sachgerecht bezeichnete und damit einen Behandlungsfehler bejahte.[27]
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Gestützt auf die Zeugenaussage der Patientin erließ das Amtsgericht einen Strafbefehl gegen den bei der Operation verantwortlichen Anästhesisten, da sie im Aufklärungsgespräch ausdrücklich auf einen Lymphstau im rechten Arm aufmerksam gemacht habe und deshalb an diesem keine Blutentnahme oder sonstige ärztliche Maßnahme vorgenommen werden sollte. Der Anästhesist legte jedoch bei Einleitung der Narkose am rechten Arm einen venösen Zugang für die weiterführende postoperative Infusionstherapie. Die gegenteilige Sachdarstellung des Anästhesisten nützte nichts: Weil er sich über die erklärten Bitten der Patientin hinweggesetzt habe, sei er wegen fahrlässiger Körperverletzung zu bestrafen, wobei strafschärfend gewertet wurde, dass das Handeln des Arztes „an der Grenze zwischen grober Fahrlässigkeit und Vorsatz“ liege.[28]
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Die Fallbeispiele machen deutlich, dass der Arzt gegenüber dem Vorwurf fehlender, unvollständiger oder verspäteter Aufklärung im Strafprozess oft in einer aussichtslosen Verteidigungsposition ist, da der Patient auf Grund seiner Zeugenstellung und der daraus resultierenden Wahrheitspflicht fast immer das „Glaubwürdigkeitsduell“ mit dem Arzt gewinnt, der als Beschuldigter bzw. Angeklagter ohne Sanktion die Unwahrheit sagen darf. Seine Beweisnot ist daher – trotz des Grundsatzes in dubio pro reo im Strafverfahren – in der Praxis kaum anders als im Zivilprozess. Deshalb ist der Arzt auf dem Feld der Aufklärung leicht „verwundbar“.
d) Der Myom-Fall und seine Folgen
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Wie sehr auch ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung infolge mangelnder Risikoaufklärung persönliche Belastungen und weitreichende Veränderungen im privaten Lebensbereich bis hin zur Existenzgefährdung mit sich bringen kann, zeigt schon der Verlauf des berühmten „Myom-Falles“.[29]
Beispiel:
„Der angeklagte Chefarzt hatte bei der Untersuchung einer 46 Jahre alten Patientin eine doppelfaustgroße Gebärmuttergeschwulst (Myom) festgestellt und zu deren operativer Entfernung geraten. Erst während der Operation ergab sich, dass die Geschwulst nicht auf der Oberfläche der Gebärmutter saß, sondern mit ihr fest verwachsen war und deshalb nur durch gleichzeitige Ausräumung der Gebärmutter beseitigt werden konnte. Mit einem so weitgehenden Eingriff war die Patientin jedoch im Nachhinein nicht einverstanden, so dass sie Strafanzeige mit der Begründung erstattete, der Angeklagte habe „aufgrund der Untersuchung und der Besprechung mit ihr“ die „Zustimmung zur Entfernung der Gebärmutter“ nicht annehmen können und dürfen“.[30]
Den Freispruch des LG hob der BGH auf die Revision der Nebenklägerin hin mit der Begründung auf, der Arzt habe nach den tatrichterlichen Feststellungen die Patientin vor der Operation nicht ausdrücklich über die möglicherweise erforderlich werdende Totalausräumung des Uterus aufgeklärt (er unterließ dies, um sie „nicht über das Notwendigste hinaus zu beunruhigen)“.[31] Deshalb hätte die Strafkammer erörtern müssen, ob der Angeklagte vor der Operation nicht an die naheliegende Möglichkeit einer eventuell notwendigen völligen Entfernung der Gebärmutter hätte denken und dann seine Patientin auf diese Möglichkeit hinweisen müssen.[32]
Dieser Pflicht sei er in der Regel auch dann nicht enthoben, wenn er durch die Aufklärung seine Patientin beunruhigen müsse. Eine falsch verstandene Rücksicht könne sich nur allzu leicht nachträglich als eine unerwünschte Verheimlichung ihres wahren Zustands herausstellen, wie die schweren Vorwürfe der Beschwerdeführerin zeigten.[33] Wie weit die Pflicht des Arztes zur Aufklärung eines Kranken reicht, ließ der BGH im vorliegenden Fall offen, vielmehr „wies er insoweit auf die nach seiner Auffassung zutreffenden Grundsätze“ des VI. Zivilsenats des BGH hin.[34]
In der