I. Normzweck
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§ 2 regelt das Verhältnis zu Vorschriften außerhalb des MarkenG, die ebenfalls dem Schutz von Kennzeichen dienen können. Der Gesetzgeber hat in § 2 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Schutz von Kennzeichen iSd § 1 durch andere gesetzliche Bestimmungen als durch diejenigen des MarkenG nicht ausgeschlossen werden soll. Seinem Wortlaut nach lässt § 2 die Anwendbarkeit von Vorschriften außerhalb des MarkenG zum Schutz von Kennzeichen zu.
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§ 2 bezieht sich nicht nur auf Anspruchskonkurrenzen (sa § 19d), sondern auch auf konkurrierende Schrankenregelungen und erhält gerade hier seine besondere Rechtfertigung. Das gilt zB für Einreden, die sich aus dem allg Zivilrecht ergeben, etwa aus § 242 BGB für geschäftliche Bezeichnungen nach §§ 5, 15 (BGH GRUR 2016, 705 Rn 49 f – ConText; dazu auch § 21 Rn 54 ff).
II. Grundfragen und bisherige Diskussion
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Die Frage, ob das MarkenG als abschließendes Schutzgesetz fungiert oder parallel dazu auch andere Vorschriften (etwa des BGB, HGB bzw UWG) herangezogen werden können, ist seit Einführung des MarkenG umstr. Der BGH hatte in der Entscheidung „shell.de“ (BGH NJW 2002, 2031, 2033) festgestellt, dass das MarkenG eine „umfassende, in sich abgeschlossene kennzeichenrechtliche Regelung“ darstelle. Die Rspr ging daher lange davon aus, dass einige der im MarkenG normierten Tatbestände abschließend zu verstehen seien (sog Vorrangthese). Bei bekannten Kennzeichen sei neben §§ 9 Abs 1 Nr 3, 14 Abs 2 Nr 3, 15 Abs 3 eine gleichzeitige Anwendung der §§ 1 und 3 UWG aF oder des § 823 BGB grds ausgeschlossen (BGH GRUR 2000, 70, 73 – SZENE; GRUR 1999, 161, 162 – MAC Dog); das gelte auch für geographische Herkunftsangaben, bei denen die Bestimmungen des allg Wettbewerbsrechts nur noch ergänzend für Sachverhalte herangezogen werden könnten, die nicht unter §§ 126 ff fallen (BGH GRUR 2002, 160, 161 – Warsteiner III; GRUR 1999, 252, 253 – Warsteiner II), ebenso für den in §§ 5, 15 geregelten Schutz des Unternehmenskennzeichens, der in seinem Anwendungsbereich grds dem Namensschutz nach § 12 BGB vorgehe (BGH NJW 2002, 2031, 2033 – shell.de; dazu unten Rn 13 ff; § 15 Rn 128 ff).
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Der vom BGH eingeschlagene Weg widersprach dem Wortlaut und dem Normzweck des § 2 und hat insoweit erh Kritik erfahren (für eine kumulative Normenkonkurrenz der genannten Bestimmungen Fezer § 2 Rn 2).
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Mit der Reform des europäischen Lauterkeitsrechts, insb durch die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG (UGPRL) haben sich die Grundkoordinaten im Verhältnis zum UWG deutlich verschoben, was vor allem im Verhältnis zum Verbraucher zu einer Änderung der bisherigen Auffassungen geführt hat (Bornkamm FS Loschelder, S 31). Dagegen sind Korrekturen gegenüber den bisherigen Grundsätzen der Rspr zwischen Mitbewerbern nicht angezeigt (Ströbele/Hacker/Thiering § 2 Rn 15). Gleiches gilt für den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach § 4 Nr 3 UWG, der ebenfalls nur mitbewerberbezogene Aspekte schützt (unten Rn 6 ff). Entsprechend gehen auch weiterhin die §§ 14 Abs 2 Nr 3, 15 Abs 3 und 127 Abs 3 den Vorschriften des UWG grds vor.
1. Irreführungsschutz
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Mit der UGPRL und der UWG-Reform 2008/2015 ist der Verbraucherschutz zu einem autonomen Schutzzweck des europäischen Wettbewerbsrechts aufgestiegen (Art 1 UGPRL), der nicht vom Markenrecht als Immaterialgüterrecht beschnitten oder überlagert werden darf. Das zeigt sich vor allem im Bereich der irreführenden Werbung: Nach Art 6 Abs 2 lit a UGPRL ist jegliche Vermarktung eines Produkts als irreführend anzusehen, die eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt, Warenzeichen oder Warennamen oder anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet, sofern der Durchschnittsverbraucher dadurch zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wird oder veranlasst werden kann, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Dieses Kriterium der wettbewerblichen Relevanz wurde mit der UWG-Reform 2015 für alle Irreführungstatbestände in § 5 Abs 1 S 1 UWG normiert.
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Problematisch ist die Konkurrenz der verbraucherbezogenen Vorschriften des UWG (§§ 5 Abs 1 S 2 Nr 1, Abs 2 UWG) gegenüber den Vorschriften über den Identitäts- und den Verwechslungsschutz (§§ 14 Abs 2 Nr 1 und 2, 15 Abs 2). Die alte Vorrangthese des BGH lässt sich insoweit nicht mehr aufrechterhalten (BGH GRUR 2016, 965 Rn 20 – Baumann II; BGH GRUR 2013, 1161, 1165 – Hard Rock Cafe; Goldmann GRUR 2012, 857, 859; Ströbele/Hacker/Thiering § 2 Rn 17). Während die Kritiker der Vorrangthese sich eher bestätigt sehen (Fezer § 2 Rn 54, 95–100; ders MarkenR 2006, 511, 512; ders GRUR 2009, 451, 454), hat der BGH seine Rspr lediglich an die Neuregelungen angepasst:
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Betriebliche Herkunftstäuschungen, die durch die Verwendung oder Nachahmung einer fremden Kennzeichnung hervorgerufen werden, wurden früher ausschließlich über das MarkenG (zB §§ 14 Abs 2 Nr 1 und 2, 15 Abs 2) gelöst; das allgemeine Irreführungsverbot griff insoweit nicht ein (BGH GRUR 2008, 160 Rn 25 – CORDARONE). Im Hinblick auf die europäischen Vorgaben der UGPRL geht auch die Rspr heute von einem konkurrierenden Verhältnis des UWG aus, soweit mit der Kennzeichenverletzung zugleich eine konkrete und wettbewerblich relevante Irreführung verbunden ist (BGH GRUR 2016, 965 Rn 20 – Baumann II; BGH GRUR 2013, 1161 Rn 60 – Hard Rock Cafe). Die Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften zum Schutz vor Herkunftstäuschungen gem § 5