2 › II › 3. Das System der Verweisungsnormen der SE-VO
3.1 Kollisionsrechtliche Fragen
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Die Verweisungsvorschriften der SE-VO berufen nationales Recht der Mitgliedstaaten zur Anwendung. Der Sache nach handelt es sich hierbei um Rangkollisionsrecht,[15] durch welches die Anwendung von europäischem Recht und mitgliedstaatlichem Recht abgegrenzt wird, wobei jedoch der europäische Gesetzgeber jederzeit eine gemeinschaftsrechtliche Regelung an die Stelle des nationalen Rechts setzen könnte. Die territoriale Abgrenzung des Anwendungsbereichs ist in diesem Zusammenhang nur insoweit von Interesse, als die SE-VO auf das Recht verschiedener Mitgliedstaaten verweist, sodass für die Entscheidung, welches nationale Recht der in Frage stehenden Mitgliedstaaten Anwendung findet, ein Anknüpfungspunkt vorgesehen werden muss. Die SE-VO stellt hierfür durchgängig auf den Sitz der Gesellschaft ab. Gleichzeitig bestimmt die SE-VO in Art. 7, dass der statutarische Sitz und der Verwaltungssitz einer SE in einem Mitgliedstaat – nicht aber zwingend am selben Ort[16] – liegen müssen.
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Aus dem Blickwinkel des internationalen Privatrechts fragt sich, ob es sich bei den Verweisungen in der SE-VO um Sachnormverweisungen, also Verweisungen, die das Kollisionsrecht des Mitgliedstaates ausblenden, oder um Gesamtnormverweisungen[17] auf das mitgliedstaatliche Recht unter Einschluss der Bestimmungen des jeweiligen internationalen Privatrechts handelt. Es besteht im Schrifttum weitgehend Einigkeit, dass es sich sowohl bei den Spezialverweisungen als auch bei der Generalverweisung in Art. 9 Abs. 1 c SE-VO um Sachnormverweisungen handelt, die einen direkten Anwendungsbefehl hinsichtlich des aufgerufenen Sachrechts enthalten.[18]
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Im Falle der speziellen Verweisungen der SE-VO ergibt sich der Charakter als Sachnormverweisung bereits aus dem Wortlaut.[19] Hinsichtlich der Generalverweisung sprechen vornehmlich systematische und teleologische Erwägungen für eine solche Einordnung. Es muss aus Gründen der Rechtssicherheit gewährleistet sein, dass auf eine SE einheitlich das Recht eines bestimmten Mitgliedstaates angewandt wird.[20] Unterschiedliche Anknüpfungspunkte im internationalen Privatrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten gefährden die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung. Da in einigen Mitgliedstaaten der sog. Sitztheorie gefolgt wird, die das Gesellschaftsstatut nach dem Ort des effektiven Verwaltungssitzes bestimmt, während in anderen Mitgliedstaaten die sog. Gründungstheorie vorherrscht, nach der das Recht des Gründungsstaates Anwendung findet, sind derartige Bedenken berechtigt.[21] Die SE-VO hat zwar hinsichtlich der Bestimmung des Personalstatuts einer SE einen Gleichlauf der Anknüpfungspunkte erzwungen, indem sie auf “die Rechtsvorschriften, die auf eine nach dem Recht des Sitzstaats der SE gegründete AG Anwendung finden würden” verweist. Die einheitliche Anwendung des Sachrechts des Sitzstaates kann jedoch am besten durch eine Sachnormverweisung gewährleistet werden.
3.2 Die Spezialverweisungen
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Die SE-VO enthält eine Vielzahl von speziellen Verweisungen, durch die einzelne Aspekte der SE den Bestimmungen des nationalen Rechts des Mitgliedstaates unterworfen werden, in dem die SE ihren Sitz hat.[22] Anknüpfungspunkt für die Verweisungen ist also der Sitzstaat der SE. Als direkte Verweisung auf das nationale Recht wirken daneben jene Vorschriften, die den nationalen Gesetzgeber ermächtigen, abweichende Regelungen für SE mit Sitz im jeweiligen Mitgliedstaat zu schaffen.[23] Sofern von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht wurde, ergibt sich aus der Ermächtigung zugleich der Anwendungsbefehl für die nationale Sonderregelung.[24] Gleiches gilt für solche Regelungen der SE-VO, die den Mitgliedstaat zur Umsetzung bestimmter Vorgaben im nationalen Recht verpflichten,[25] auch diese Verpflichtungen beinhalten zugleich einen Verweis auf das nationale Ausführungsgesetz.[26]
3.3 Die Generalverweisung des Art. 9 Abs. 1 c SE-VO
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Art. 9 Abs. 1 c SE-VO bildet einen Auffangtatbestand und verweist in Bezug auf die Bereiche, die in der Verordnung nicht oder nur teilweise geregelt sind, auf das Recht des Sitzstaates. Die Anwendung der Generalverweisung ist demgemäß ausgeschlossen, wenn bereits eine spezielle Verweisung eingreift oder die Regelung in der Verordnung abschließend ist.
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Soweit die erste Alternative der Generalverweisung “in Bezug auf die nicht durch diese Verordnung geregelten Bereiche” auf nationales Recht verweist, besteht Einigkeit,[27] dass der Wortlaut der Vorschrift zu weit gefasst ist und der Verweisung nur innerhalb des Regelungsbereichs der Verordnung bzw. bei Sachverhalten, die einen spezifischen Bezug zum Recht der SE aufweisen, gefolgt werden kann. Der Anwendung des nationalen Rechts des Sitzstaates unter Ausklammerung des internationalen Privatrechts der Mitgliedstaaten wären sonst keine Grenzen gesetzt: Selbstverständlich sind eine Vielzahl von Rechtsfragen, die die SE wie jedes andere Rechtssubjekt betreffen, nicht in der SE-VO geregelt, ohne dass in diesen Fällen das Sachrecht des Sitzstaates Anwendung finden könnte. Eine derartige Ausweitung ist nicht beabsichtigt, da die Verordnung kein allgemeines Sonderkollisionsrecht für die SE schaffen wollte.[28]
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Angesichts der Lückenhaftigkeit der SE-Verordnung steht allerdings auch fest, dass der Regelungsbereich der SE-VO weiter reicht, als die unmittelbaren sachrechtlichen Regelungen in der Verordnung selbst. Somit können Regelungsbereiche von der Generalverweisung erfasst werden, die in der Verordnung selbst nicht angesprochen sind.[29] Die praktische Bedeutung der Abgrenzung des Anwendungsbereichs ergibt sich hierbei vornehmlich unter rangkollisionsrechtlichen Aspekten: Soweit der europäische Verordnungsgeber über die Generalverweisung nationales Recht zur Anwendung beruft und auf eine eigenständige Regelung verzichtet, ist eine Derogation der Vorschriften der Verordnung durch nationales Recht möglich, soweit diese nicht abschließend sind. Gelangt das nationale Recht hingegen lediglich aufgrund des internationalen Privatrechts zur Anwendung, ist eine Verdrängung der höherrangigen Normen der Verordnung in deren Regelungsbereich nicht möglich.
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Der Regelungsbereich der SE-VO und damit der Anwendungsbereich der Generalverweisung beschränken sich auf das Gesellschaftsrecht der SE. In den Randbereichen bestehen allerdings immer dann erhebliche Unschärfen, wenn die gesellschaftsrechtliche Qualifikation der fraglichen Regelung nicht eindeutig ist.[30] Angesichts der spezifischen Funktion der Generalverweisung innerhalb des Regelungstorsos der Verordnung und der Zielsetzung der Verordnung, eine europäische Rechtsform zu schaffen, muss der Anwendungsbereich jedoch letztlich verordnungsautonom bestimmt werden.
3.4 Abgrenzungsprobleme in einzelnen Rechtsgebieten
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Sehr streitig ist, ob das Konzernrecht[31] von der Generalverweisung des Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO umfasst ist oder außerhalb des Regelungsbereichs der SE-VO liegt[32] und somit nach den Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung gelangt. Dies überrascht zunächst, da es sich hierbei um genuin gesellschaftsrechtliche Fragen handelt, die in der SE-VO nicht bzw. nur am Rande behandelt werden,[33] so dass Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO einschlägig erscheint. Für den kollisionsrechtlichen Ansatz sprechen allerdings insbesondere die Aussagen im 15. und 16. Erwägungsgrund der Verordnung, in denen ausgeführt wird, dass die Bestimmung des anwendbaren Rechts, aus dem sich