327
Die Entsprechenserklärung ist den Aktionären der Gesellschaft und allen Kapitalmarktteilnehmern dauerhaft zugänglich zu machen. Sie muss jährlich, d.h. einmal im Kalenderjahr abgegeben werden. Solange die Erklärung den Aktionären dauerhaft zugänglich gemacht wird, gilt was in der Erklärung steht. Die Erklärung wirkt somit für die Vergangenheit und die Gegenwart. Wird von der Entsprechenserklärung während des Jahres abgewichen, so ist eine entsprechende Berichtigung vorzunehmen.[128] Durch das BilMoG wurde zudem der Anwendungsbereich des § 161 AktG erweitert. Er gilt jetzt auch für nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, die andere Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt ausgegeben haben.[129]
328
Ob die gesetzliche Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG vom Vorstand und Aufsichtsrat abgegeben wurde, prüft der Abschlussprüfer der Gesellschaft. Im Anhang zum Jahresabschluss ist gem. § 285 Ziff. 16 HGB anzugeben, dass die Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG abgegeben wurde und den Aktionären zugänglich gemacht worden ist. Eine Prüfung, ob die Erklärung richtig ist, wird vom Abschlussprüfer nicht vorgenommen.[130]
329
Da es keinen Zwang gibt, den Empfehlungen und Anregungen des DCGK zu entsprechen, kann die Nichtbefolgung auch keine rechtlichen Sanktionen auslösen. Eine Bindungswirkung kann nur dann eintreten, wenn Empfehlungen oder Anregungen des Kodex in die Satzung aufgenommen werden.[131] Da eine, wenn auch nunmehr zu begründende, Abweichung vom DCGK (sog. Opting-out) möglich ist und damit kein Zwang zur Befolgung des DCGK besteht, sind die gelegentlich erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 161 AktG, wonach ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Demokratieprinzip und den Gesetzesvorbehalt angenommen wird,[132] im Ergebnis nicht zutreffend.[133]
330
Die Nichtabgabe der Entsprechenserklärung oder eine falsche Entsprechenserklärung kann allerdings zu Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Vorstand und/oder den Aufsichtsrat führen. Bei der Nichtabgabe der Entsprechenserklärung kann sich der Schadensersatz gegen Vorstand und Aufsichtsrat aus §§ 93, 116 AktG ergeben, weil durch die Nichtabgabe das Ansehen und der Wert der Gesellschaft am Kapitalmarkt sinken kann. Zu beachten ist dabei allerdings, dass dieser Anspruch nur der Gesellschaft und nicht den Anlegern zusteht. § 161 AktG ist kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.[134]
331
Auch für die börsennotierte SE gilt über Art. 9 SE-VO und § 161 AktG der DCGK. Dementsprechend hat die Regierungskommission am 14.6.2007 in die Präambel zwei neue Absätze aufgenommen.[135] Den Vorgaben des deutschen Aktienrechts entsprechend, bezieht sich der DCGK bisher ausschließlich auf das duale System. Insofern wirft die Anwendung des DCGK auf die dualistische SE keine prinzipiellen Fragen auf.[136] Es ist aber festzustellen, dass es weiterhin in jedem Fall einer Anpassung des DCGK an das monistische System bedarf.[137] Bislang hat die Regierungskommission von einer weitergehenden Behandlung der SE Abstand genommen, da man erst abwarten wolle, welche Bedeutung die monistisch verfasste SE in Deutschland erhält.[138]Demzufolge bleibt nichts anderes übrig, als den DCGK auf die monistische SE analog anzuwenden.[139] In den DCGK müssten für die SE in jedem Fall Empfehlungen über das Zusammenwirken der geschäftsführenden Direktoren mit dem Verwaltungsrat aufgenommen werden. Klargestellt werden müsste auch, in welchen Fällen der Verwaltungsrat seine Gesamtverantwortung wahrnehmen muss und die Aufgaben nicht an die geschäftsführenden Direktoren delegieren darf. Die bereits ausführlich dargestellten[140] Probleme, die bei einer Personenidentität des Vorsitzenden des Verwaltungsrats und Vorsitzenden der geschäftsführenden Direktoren auftreten können, sollten ebenfalls im DCGK geregelt werden.[141] Gänzlich neu überdacht werden sollte in diesem Zusammenhang das im DCGK bereits angelegte Spannungsfeld zwischen der kollegialen Führungsstruktur, die dem deutschen Aktienrecht zugrunde liegt, und der Empfehlung des Kodex in Ziff. 4. 2. 1 zur Hierarchisierung des Vorstands.[142]
332
Die gesamte Anpassungsdiskussion wird sich vor dem Hintergrund der zunehmenden europarechtlichen Vereinheitlichungsbestrebungen der Corporate Governance Kodizes bewegen.
[143]
Anmerkungen
Hirte NZG 2002, 1, 5.
Vgl. Rn. 20.
KölnKomm/Siems Vorb. Art. 46 SE-VO Rn. 3; Habersack/Drinhausen/Verse § 40 SEAG Rn. 6, 16; Lutter/Hommelhoff/Teichmann Art. 46 SE-VO Rn. 8; Thümmel Europäische Aktiengesellschaft Rn. 186; Spindler/Stilz/Eberspächer Art. 46 SE-VO Rn. 1; a. A. Schwarz Art. 43 SE-VO Rn. 40; Manz/Mayer/Schröder/Manz Art. 43 SE-VO Rn. 134.
Vgl. dazu bejahend Rn. 240.
Lutter/Hommelhoff/Teichmann Art. 46 SE-VO Rn. 8.
KölnKomm/Siems Vorb. Art. 46 SE-VO Rn. 3.
Spindler/Stilz/Eberspächer Art. 43 SE-VO Rn. 39.
Hommelhoff AG 2001, 279, 283; Hirte NZG 2002, 1, 5; Schwarz ZIP 2001, 1847, 1855; zur Amtszeit des ersten Aufsichtsrats vgl. oben Rn. 96.
MünchKomm AktG/Habersack § 102 Rn. 20; Hüffer § 102 Rn. 6; Münch. Hdb. GesR IV/Hoffmann-Becking § 30 Rn. 43.
MünchKomm AktG/Habersack § 102 Rn. 20; Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff/Geßler § 102 Rn. 21.
KölnKomm/Mertens/Cahn § 102 Rn. 20; Hüffer § 102 Rn. 6; Großkommentar/Hopt/Roth/Peddinghaus § 102 Rn. 44.
Vgl. oben Rn. 148.
Vgl. oben Rn. 88.