55
Eine Vorgabe, wie die Vorstandsbezüge zu bemessen sind, lässt sich in allgemein verbindlicher Form nicht machen. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Fest steht, dass die im Gesetz genannten Vergleichsmaßstäbe (Aufgaben des Vorstands, Lage der Gesellschaft, übliche Vergütung) kumulativ zu beachten sind. Kriterien für die Leistung des Vorstands bilden gem. Ziff. 4. 2. 2 des DCGK die Aufgaben des jeweiligen Vorstandsmitglieds, seine persönliche Leistung, die Üblichkeit der Vergütung unter Berücksichtigung des Vergleichsumfelds und der Vergütungsstruktur, die ansonsten in der Gesellschaft gilt. Bei der Lage des Unternehmens ist auf dessen eigene wirtschaftliche Situation, seinen unternehmerischen Erfolg und seine Zukunftsaussichten abzustellen, unter Berücksichtigung des Vergleichsumfelds.
56
Die Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder soll nach Ziff. 4.2.3 des DCGK fixe und variable Bestandteile enthalten, wobei die variablen Bestandteile an den geschäftlichen Erfolg gebunden werden, indem sie einer mehrjährigen Bemessungsgrundlage unterliegen. Bei der Ausgestaltung sollen sowohl positiven als auch negativen Entwicklungen Rechnung getragen werden.
57
Alle Vergütungsbestandteile müssen bei dieser Betrachtung individuell und in der Summe angemessen sein. Sie sollen insbesondere auch nicht zu unangemessenen Risiken verleiten und der Aufsichtsrat soll für die Vergütung insgesamt betragsmäßige Höchstgrenzen festlegen. Der DCGK empfiehlt in Ziff. 4.2.3 bei dem Abschluss von Vorstandsverträgen darauf zu achten, dass Zahlungen bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit einschließlich Nebenleistungen den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten (Abfindungs-Cap) und nicht mehr als die Restlaufzeit vergütet wird. Die Gesamtangemessenheit der Vergütung richtet sich nach der Finanzkrise des Jahres 2008 nunmehr nach einer nachhaltigen und nicht nur kurzfristigen Steigerung des Unternehmenswerts.[56] In der Vergangenheit wurde die Gesamtangemessenheit oft dadurch in Frage gestellt, dass Aktienoptionen additiv zu den schon vorhandenen fixen und variablen Vergütungsbestandteilen gewährt wurden und dadurch oft nicht mehr zu rechtfertigende Gesamtvergütungen entstanden sind.[57]
58
Diese Erfahrungen hat die Corporate Governance Commission dazu veranlasst, die Einführung eines Caps für Vorstandsbezüge in Ziff. 4.2.3 des DCGK vorzusehen. Allerdings kommen heute echte Optionsrechte auf den Bezug von Aktien kaum noch vor.[58] Zusätzlich enthält die Instituts-Vergütungsverordnung[59] für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute besondere Regelungen bezüglich der Ausgestaltung der variablen Vergütung von Geschäftsleitern und Geschäftsleiterinnen. Die variable Vergütung orientiert sich an der Wertentwicklung des Instituts und es gelten besondere Zurückbehaltungszeiträume, während denen die Vergütung nur teilweise ausgezahlt werden darf (§ 5 InstitutsVergV). Die Verordnung sieht zudem gem § 6 InstitutsVergV einen Ausschuss vor, der die Angemessenheit der Vergütungssysteme überwacht.
59
Ein Verstoß gegen § 87 Abs. 1 AktG führt nicht zur Nichtigkeit des Anstellungsvertrages und auch nicht zur Nichtigkeit der Vereinbarung der Bezüge. Eine Nichtigkeit ist nur dann zu bejahen, wenn die Vereinbarung über die Bezüge wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Ein Verstoß gegen § 87 Abs. 1 AktG führt jedoch zu einer Schadensersatzpflicht des Aufsichtsrats gem. §§ 116, 93 Abs. 2 AktG. Auch die begünstigten Vorstandsmitglieder können gem. § 93 Abs. 2 AktG schadensersatzpflichtig werden, wenn sie sich unangemessen hohe Bezüge zahlen lassen.[60]
60
In Ausnahmefällen kann der Aufsichtsrat oder im Fall der Insolvenz das Gericht die Vergütung des Vorstands gem. § 87 Abs. 2 AktG herabsetzen. Aufgrund des Vertrauens des Vorstands in die einmal getroffene Vereinbarung ist aber nicht jede Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft ausreichend, um eine Herabsetzung der Vorstandsbezüge zu rechtfertigen. Es muss sich um eine wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft handeln, so dass eine Weitergewährung der Bezüge eine Unbilligkeit für die Gesellschaft sein würde.[61]
61
Außer den Vergütungsansprüchen hat der Vorstand einen Auslagenersatzanspruch gegenüber der Gesellschaft, wenn er Aufwendungen im Interesse der Gesellschaft aus seinem Privatvermögen leistet (§§ 675, 669 f. BGB). Er hat außerdem einen Anspruch auf Urlaub und die Erteilung eines Zeugnisses (§ 630 BGB).[62]
62
Den Rechten des Vorstands steht als zentrale Pflicht seine Treuepflicht im Verhältnis zur Gesellschaft gegenüber, die sich bereits aus seinem Organverhältnis und § 76 Abs. 1 AktG ergibt. Diese Treuepflicht fordert von den Vorstandsmitgliedern den vollen Einsatz für die Gesellschaft. Sie haben sich mit allen Kräften den Interessen der Gesellschaft zu widmen und diesen den Vorrang vor ihren persönlichen Interessen zu geben. Eine besondere Ausprägung dieser Treuepflicht ist das sich aus § 88 AktG ergebende Wettbewerbsverbot.[63]
2.3.5 Beendigung des Anstellungsvertrages
63
Auf der Grundlage der Trennungstheorie ist auch bei der Beendigung zwischen der Abberufung des Vorstands, d.h. der Beendigung des Organverhältnisses und der Beendigung des Anstellungsvertrages zu unterscheiden. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass es Wechselwirkungen zwischen der Abberufung und der Kündigung des Anstellungsvertrages gibt. Häufig wird im Aufsichtsratsbeschluss, der über die Beendigung des Organverhältnisses entscheidet, nicht zwischen der Abberufung und der Beendigung des Anstellungsvertrages unterschieden. In der Praxis ist es dann erforderlich, durch Auslegung des Aufsichtsratsbeschlusses, der dem Vorstand bekannt gegeben wird, zu ermitteln, ob nur der Widerruf der Bestellung oder zugleich auch die Kündigung des Anstellungsvertrages beabsichtigt war.
64
Teilweise wird vertreten, dass im Widerruf der Bestellung konkludent immer eine Kündigung des Anstellungsvertrages zu sehen ist, wie auch umgekehrt in der Kündigung des Anstellungsvertrages immer auch ein Widerruf der Bestellung zu sehen ist. Begründet wird dies damit, dass bei vernünftiger Auslegung in der Regel durch die Abberufung ein Vertrauensverlust zum Ausdruck kommt, der die Rechtsbeziehung zu dem Entlassenen in ihrer Gesamtheit belastet und daher beide Rechtsverhältnisse durch die Erklärung des Aufsichtsrats beendet werden sollen.[64]
65
Obwohl nicht zu verkennen ist,