Anmerkungen
Vgl. Hüffer § 179 Rn. 14 mwN.; danach würde § 179 Abs. 2 S. 1 AktG gegenüber Art. 59 Abs. 1 SE-VO grds. die größere Mehrheit vorschreiben, allerdings muss bei Stimmrechtsauschlüssen, -beschränkungen oder Mehrstimmrechtsaktien dies im Einzelnen genau geprüft werden.
Vgl. dazu Begr. zum RegE zu § 51 SEAG.
5. Kapitel Leitungs- und Aufsichtsorgane
Inhaltsverzeichnis
I. Das Wahlrecht zur Organisationsverfassung
5 › I. Das Wahlrecht zur Organisationsverfassung
I. Das Wahlrecht zur Organisationsverfassung
1. Ausgangssituation
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Die Verfassung der deutschen AG geht von einem dreigliedrigen Organisationsaufbau aus. Die drei Organe der Unternehmensverfassung sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung. Dem Vorstand obliegt gem. § 76 Abs. 1 AktG die eigenverantwortliche Leitung der AG. Er wird in seiner Leitungsaufgabe laufend durch den Aufsichtsrat kontrolliert und überwacht (§ 111 Abs. 1 AktG). Der Aufsichtsrat ist auch für die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder zuständig. Die Hauptversammlung als oberstes Organ der AG bestimmt über ihre Satzungsgebungskompetenz den wirtschaftlichen und rechtlichen Aufbau der Gesellschaft, bestellt die Aufsichtsratsmitglieder und beruft sie ab und erteilt den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern Entlastung. Gem. § 119 Abs. 2 AktG kann die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt. Auch der Aufsichtsrat kann gem. § 111 Abs. 4 AktG keine Maßnahmen der Geschäftsführung übertragen erhalten. Die Satzung oder der Aufsichtsrat können jedoch anordnen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats durch den Vorstand vorgenommen werden dürfen. Diese Zustimmung kann gegebenenfalls durch einen Hauptversammlungsbeschluss auf Verlangen des Vorstands ersetzt werden. Durch das Zusammenspiel dieser Vorschriften wird die Machtbalance zwischen den Gesellschaftsorganen sichergestellt. Die Hauptversammlung als oberstes Gesellschaftsorgan mit grundsätzlicher Allzuständigkeit gibt es nach dem System des deutschen AktG nicht.[1]
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Durch die Trennung der Verwaltung in Aufsichtsrat und Vorstand folgt das deutsche Aktienrecht dem sog. dualistischen System. Aufgrund der Aufgabenteilung zwischen Vorstand (Leitung) und Aufsichtsrat (Überwachung) spricht man auch vom sog. Trennungsprinzip. Vorteile des Trennungssystems sind in der klaren personellen Aufteilung und in der ausschließlichen Zuweisung der laufenden Geschäftsführung an den Vorstand sowie der Effektivierung der Kontrolle zu sehen.[2] Das im anglo-amerikanischen Gesellschaftsrecht bekannte sog. Board-System geht demgegenüber von einem monistischen System aus. Beim monistischen System gibt es neben der Hauptversammlung als weiteres Organ ein einheitliches Verwaltungsorgan mit gebündelten Leitungs- und Kontrollfunktionen.[3] Geleitet wird dieses Verwaltungsorgan durch den sog. Chief Executive Officer (CEO), der durch die Vereinigung von Leitungs- und Überwachungsfunktionen eine sehr starke Stellung in der AG hat.[4]
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Nach deutschem Aktienrecht kann dem Vorstand eine dem CEO im monistischen System entsprechende starke Stellung nicht eingeräumt werden. In der Praxis wird dies als Nachteil angesehen, weil der Aufsichtsrat im dualistischen System aufgrund der geringeren Sachnähe nicht so stark in die laufenden Entscheidungsprozesse eingebunden werden kann. Es hat daher in der Vergangenheit z.B. bei der Deutsche Bank AG Versuche gegeben, dem Vorstandsvorsitzenden eine dem CEO vergleichbare Position einzuräumen, was bei Aktionärsschützern und in der Literatur immer wieder auf heftige Kritik in den Hauptversammlungen gestoßen ist.[5]
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Gleichwohl zeigen diese Versuche, dass insbesondere bei deutschen Großunternehmen ein Bedürfnis nach einem starken CEO besteht. Neben effektiveren und flexibleren Führungsstrukturen kann dieses Bedürfnis auch deshalb bestehen, weil ausländische Kapitalanleger mit dem Board-System besser vertraut sind und eine deutsche Kapitalgesellschaft mit einem monistischen System ein interessanteres Anlageobjekt sein kann.[6] Insbesondere auch für Familienunternehmen bietet die monistische Leitungsstruktur in ihren verschiedenen Ausprägungen eine interessante Alternative zum dualistischen System.[7]
5 › I › 2. Wahl zwischen dualistischem und monistischem System
2. Wahl zwischen dualistischem und monistischem System
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Die Aktienrechte in der EU sind im Hinblick auf die Leitungsstruktur sehr uneinheitlich. Während Deutschland, Österreich, Dänemark und die Niederlande ein rein dualistisches System haben, gibt es in Großbritannien, Belgien, Schweden, Luxemburg, Italien, Portugal und Irland ausschließlich das monistische System. Das französische und norwegische Aktienrecht kennen sowohl ein monistisches als auch ein dualistisches System.[8]
6
Vor diesem europarechtlichen Hintergrund hatte die SE-VO zu entscheiden, welches System Anwendung finden soll. Die SE-VO hat sich im Bereich der Unternehmensverfassung entschieden, dem Satzungsgeber große Gestaltungsfreiheit zu geben. Die Satzung muss bestimmen, ob das monistische oder dualistische System gewählt wurde.[9] Gem. Art. 38 SE-VO muss die SE als Organ die Hauptversammlung (Art. 38a SE-VO) und ein Verwaltungsorgan haben. Dabei überlässt Art. 38 b SE-VO dem Satzungsgeber die Wahl für ein Aufsichtsorgan und ein Leitungsorgan (dualistisches System) oder für ein einheitliches Verwaltungsorgan (monistisches System).
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Art. 43 Abs. 4 SE-VO bestimmt für Länder, in denen ein monistisches System nach dem nationalen Aktienrecht nicht möglich ist, dass der Mitgliedstaat