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Ein weiteres Erfordernis führt § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG an: Die Vereinbarung muss einen Hinweis darauf zu enthalten, dass die gegnerische Partei, ein Verfahrensbeteiligter oder die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten muss. Dadurch sollen von vornherein Missverständnisse beim Mandanten über die Höhe etwaiger Kostenerstattungsansprüche ausgeräumt werden.[10]
2. Rechtsfolgen und Beweislast
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Gemäß § 4b RVG führen Verstöße gegen die Formvorschriften der § 3a Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie § 4a Abs. 1 und 2 RVG[11] dazu, dass der Verteidiger keine höhere als die gesetzliche Vergütung verlangen kann. Diese Rechtsfolge gilt indes nicht für alle vorstehend genannten Formvorschriften, sondern nur diejenigen, die in § 4b RVG aufgeführt sind. Für die erfolgsunabhängige Vergütungsvereinbarung handelt es sich also um die Fehlerquellen: Textform, Bezeichnungsweise, Absetzung von anderen Vereinbarungen sowie Trennung von der Vollmachtsurkunde.
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Eine Vergütungsvereinbarung, die gegen diese Anforderungen verstößt, ist gleichwohl nicht nichtig i.S.d. § 125 BGB, sondern bleibt wirksam! Aus ihr kann indes nur die vereinbarte Vergütung bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühr gefordert werden.[12] Ist die vertraglich vereinbarte Vergütung niedriger als die gesetzlichen Gebühren, kann nur die niedrigere Vergütung begehrt werden. Der geschlossene Anwaltsvertrag bleibt ebenfalls unberührt respektive wirksam.[13]
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Kann der Rechtsanwalt nur noch die gesetzliche Vergütung fordern, hat er selbstverständlich eine ordnungsgemäße Abrechnung (§ 10 RVG) zu erstellen! Nur im extremen Ausnahmefall, etwa wenn der Auftraggeber selbst und bewusst den Formmangel verursachte, um sich später darauf berufen zu können,[14] mag der Rechtsanwalts die Einrede nach § 242 BGB erheben.
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Während die Vorgängervorschrift, § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a.F. noch einen Ausschluss der Kondizierbarkeit für den Fall vorsah, dass der Mandant freiwillig und ohne Vorbehalt geleistet hat, gilt das heute nicht mehr. Gemäß § 4b Satz 2 RVG bleiben die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die ungerechtfertigte Bereicherung unberührt. Das heißt, bis zum Eintritt der gesetzlichen Verjährung kann der Auftraggeber den Vergütungsteil, der über die gesetzliche Vergütung hinausgeht, zurückverlangen. Hieraus folgt eine erhebliche und kritikwürdige Unsicherheit für den Rechtsanwalt,[15] weshalb der Einhaltung der Formvorschriften besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist.
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Das Rückforderungsrecht des Auftraggebers ergibt sich in der Regel aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 BGB. Dann ist indes ebenfalls § 814 BGB anwendbar. Hiernach ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber bei der Zahlung wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet ist. Es kann folglich sinnvoll sein, den Mandanten bei Zahlung dahingehend zu informieren und dies für Beweiszwecke zu dokumentieren. Insbesondere sollte ein entsprechendes Vergütungsgespräch nicht in Zwangssituationen geführt werden, da anderenfalls die Freiwilligkeit der Zahlung in Zweifel gezogen werden kann.[16]
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Die Beweislast ist wie Folgt verteilt: Den Nachweis für die Fehlerhaftigkeit der Vergütungsvereinbarung muss der Auftraggeber führen, der seine Vergütungsschuld auf die Höhe der gesetzlichen Vergütung reduziert sieht.[17] Somit ist der Auftraggeber für die Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs beweispflichtig. Für den Einwand aus § 814 BGB muss hingegen der Rechtsanwalt beweisen, dass sein Auftraggeber die vereinbarte Vergütung freiwillig und in Kenntnis der Nichtschuld erbrachte.[18]
Teil 2 Vergütungsvereinbarung › A. Gesetzliche Anforderungen an die Vergütungsvereinbarung › II. Sonderfall: Erfolgshonorar
II. Sonderfall: Erfolgshonorar
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Grundsätzlich sind Erfolgshonorare unzulässig (§ 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO), es sei denn das RVG bestimmt ein Anderes. § 4a RVG normiert die Bedingungen von Ausnahmen.[19] Vor dem Hintergrund des Instituts der notwendigen Verteidigung erscheint hier die Bedeutung in Strafsachen als marginal;[20] in Bußgeldsachen gilt der drohende Fahrerlaubnisentzug eines finanzschwachen Berufskraftfahres ohne Rechtsschutzversicherung als Musterbeispiel.[21] Die Voraussetzungen des § 4a Abs. 1 Satz 1 RVG sind:
• | ein Einzelfall, |
• | der Auftraggeber würde aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse |
• | bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung des Erfolgshonorars (§ 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO) von der Rechtsverfolgung abgehalten. |
Zumal die zugegebenermaßen etwas resignative Besorgnis, die Persönlichkeitsstruktur des durchschnittlichen Mandanten respektive die menschliche Natur könnten alsdann zu überflüssigen Weiterungen führen, ebenfalls nicht gänzlich zu vernachlässigen sein dürfte: Ist der Erfolg nämlich ersteinmal herbeigeführt, mögen die ursprünglichen Nöte der Mandantschaft in anderem Licht erscheinen respektive in Vergessenheit geraten. Ob das Anmahnen der Ratenzahlung, das Anhörenmüssen von Vertröstungen sowie das Androhen bzw. Realisieren gerichtlicher Geltendmachung und das Tragen des Insolvenzrisikos wirklich lohnenswert erscheinen, sollte im Vorfeld bedacht werden.
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Das Gesetz bestimmt den Begriff des Erfolgshonorars in § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO. Danach sind Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird (Erfolgshonorar) oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages erhält (quota litis), unzulässig, soweit das RVG nichts anderes bestimmt. Das heißt: Die anwaltlichen Dienste müssen unterm Strich zu demjenigen Ergebnis (Freispruch, Einstellung, Strafaussetzung zur Bewährung, Vermeidung einer Hauptverhandlung)[22] geführt haben, von dem die Vergütung bedingt wird.
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Im Einzelnen sind nachfolgende Voraussetzungen zu erfüllen: Es muss sich um eine Vereinbarung für den Einzelfall handeln, was vor allem ein generell dahingehendes Geschäftsmodell, also betreffend bestimmte Mandate oder Mandanten, als unzulässig erklärt. Des Weiteren ist ein Erfolgshonorar nur dann gestattet, wenn andernfalls der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung des Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Damit dürften – nach hiesigem Bewerten – die Fälle notwendiger Verteidigung (§ 140 StPO) ausscheiden. Denn hier wird gerade niemand von der Rechtsverfolgung abgehalten. Ebenfalls ist die notwendige Verteidigung nicht in § 4a Abs. 1 Satz 3 RVG aufgeführt. Dass sich die Justiz im Streitfall davon überzeugen lassen wird, der Pflichtverteidiger habe zur Rechtsverfolgung nicht ausgereicht und deshalb habe auf der Basis eines Erfolgshonorars ein Wahlverteidiger eingeschaltet werden müssen, wird hier aktuell bezweifelt. Ebenso sollte man sich – m. E. – vor Übertreibungen mit Blick auf die dem Mandanten denktheoretisch drohenden Rechtsfolgen hüten. Wie noch im Rahmen der Belehrungspflicht über die voraussichtliche gesetzliche Vergütung zu zeigen sein wird, ist die Justiz nicht zögerlich mit der Annahme einer Betrugsstrafbarkeit (bspw. durch Unterlassen).[23] Zu betrachten ist jedenfalls der individuelle