IV. Die Leasingerlasse im Einzelnen
V. Spezielle Gestaltungen und ihre Auswirkungen auf das wirtschaftliche Eigentum
2 › I. Einschlägige Rechtsnormen
I. Einschlägige Rechtsnormen
2 › I › 1. Handelsrechtliche Grundlagen
1. Handelsrechtliche Grundlagen
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Weder das Handels- noch das Steuerrecht enthalten besondere Rechtsnormen für die Zurechnung von Wirtschaftsgütern, die im Wege des Leasings genutzt werden. Die Zurechnungsfrage muss daher nach den allgemeinen handels- und steuerrechtlichen Vorschriften entschieden werden.
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Nach § 246 Abs. 1 S. 1 HGB hat der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (Vollständigkeitsgrundsatz). Nach § 246 Abs. 1 S. 2 HGB sind Vermögensgegenstände sind in der Bilanz des Eigentümers aufzunehmen; ist ein Vermögensgegenstand nicht dem Eigentümer, sondern einem anderen wirtschaftlich zuzurechnen, hat dieser ihn in seiner Bilanz auszuweisen. Der Referentenentwurf des BilMoG folgend den Vorgaben der IFRS, verfolgte zunächst eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise, die auf den wirtschaftlichen Gehalt und nicht auf die rechtliche Form (substance over form) abstellte.[1] Dies hätte möglicherweise eine Abkehr von den bisherigen Leasingbilanzierungsgrundsätzen bedeutet.[2] Mit der endgültigen Neufassung des § 246 Abs. 1 S. 2 HGB hat der Gesetzgeber jedoch unterstrichen, dass sich der Ansatz von Vermögensgegenständen im Grundsatz nach dem rechtlichen Eigentum richtet. Nur wenn ein Vermögensgegenstand wirtschaftlich einem anderen als dem rechtlichen Eigentümer zuzurechnen ist, ist er bei dem anderen – dem wirtschaftlichen Eigentümer – zu bilanzieren. Damit sollte die bestehende handelsrechtliche Rechtslage – die auf langjähriger Entwicklung und Anwendung entsprechender Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beruht – im Gesetzeswortlaut klar zum Ausdruck gebracht und inhaltlich eine Übereinstimmung zu § 39 AO hergestellt werden.[3] Mit § 246 Abs. 1 S. 2 HGB waren insoweit keine Veränderungen zum bisherigen Rechtszustand beabsichtigt. Die von der Rechtsprechung schon erarbeiteten Beurteilungskriterien sollen ebenso ihre Bedeutung behalten, wie beispielsweise die steuerlichen Leasingerlasse, die die wirtschaftliche Zurechnung inhaltlich ausfüllen. Dies hat für die Beurteilung von Leasingverträgen folgende Auswirkungen:
– | Ist der Leasinggeber zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggegenstandes unterliegt der Leasingvertrag den Beurteilungskriterien eines Mietvertrages. |
– | Ist der Leasingnehmer wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggegenstandes unterliegt der Leasingvertrag den Beurteilungskriterien eines Kaufvertrages. |
2 › I › 2. Die Leasing-Gutachten des Instituts der Wirtschaftsprüfer
aa) Die Bedeutung des wirtschaftlichen Eigentums
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Nach der Veröffentlichung der Leasingurteile des BFH und der Leasingerlasse der Finanzverwaltung hatte der Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer (HFA) eine gutachtliche Stellungnahme „zur Berücksichtigung von Finanzierungs-Leasingverträgen im Jahresabschluss des Leasingnehmers“ abgegeben.[4] Auch nach Meinung des HFA kommt es für die Bilanzierung auf das wirtschaftliche Eigentum an. Die Kernsätze der Stellungnahme haben folgenden Wortlaut:
„Nach den handelsrechtlichen Vorschriften hat der Kaufmann in seine Bilanz seine sämtlichen Vermögensgegenstände und Schulden aufzunehmen (§ 39 HGB a.F., jetzt § 246 HGB). Für die Beantwortung der Frage, welches seine Vermögensgegenstände sind, kommt es primär darauf an, welches Vermögen ihm bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gehört: rechtliches Eigentum und wirtschaftliche Zugehörigkeit (wirtschaftliches Eigentum) decken sich nicht immer. Vermögensgegenstände gehören dem Kaufmann, auch ohne dass er rechtlicher Eigentümer ist, wenn er auf die Dauer wie ein solcher die wirtschaftlich relevanten Rechte (Nutzungs- und Verwertungsrechte) ausüben kann und dies unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erwarten ist. Das gilt auch dann, wenn die Erlangung des Verwertungsrechts erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam wird. Demnach kann auch Finanzierungs-Leasing wirtschaftliches Eigentum des Leasingnehmers begründen. Zwischen Vermögensgegenständen, an denen der Kaufmann nur wirtschaftliches Eigentum hat, und solchen, an denen ihm sowohl rechtliches als auch wirtschaftliches Eigentum zusteht, wird beim Ausweis in der Jahresbilanz nicht unterschieden.“[5]
bb) Bilanzierung beim Leasingnehmer trotz Fehlens wirtschaftlichen Eigentums?
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Das Leasing-Gutachten hielt es „in Fortentwicklung der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für erforderlich“, Verträge über Finanzierungs-Leasing, „die in ihrer Gesamtheit von Bedeutung sind“, auch in solchen Fällen bei der Bilanzierung zu berücksichtigen, „in denen nicht zweifelsfrei feststeht, dass der Leasingnehmer die Leasing-Gegenstände nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung in seine Jahresbilanz als ihm gehörig einzustellen hat . . .“.
Unter Berufung auf den sog. Grundsatz der „materiality“ sollen unter bestimmten Voraussetzungen Leasingverträge als so wesentlich anzusehen sein, dass sie unabhängig vom wirtschaftlichen Eigentum bei der Bilanzierung berücksichtigt werden müssen:
Dabei soll es nicht allein auf den Einzelvertrag ankommen, sondern auf die Gesamtheit der abgeschlossenen Leasingverträge abzustellen sein. Machen die Zugänge an beweglichen Leasinggegenständen in einem Geschäftsjahr nicht mehr als 5 % des Buchwertes des beweglichen Anlagevermögens aus, so soll die Frage der Wesentlichkeit verneint werden können. Entfallen unter Einschluss aller bisherigen Zugänge an Leasinggegenständen insgesamt mehr als 10 % des jeweiligen Buchwertes des beweglichen Anlagevermögens auf Leasinggegenstände, so wird die Berücksichtigung in der Bilanz unabhängig davon notwendig sein, ob die zuvor erwähnten 5 % erreicht werden oder nicht. In diesem Fall wären nicht nur die Neuzugänge an Leasinggegenständen des betreffenden Jahres, sondern auch die früherer Jahre als solche auszuweisen bzw. zu vermerken. Bei Verträgen über unbewegliche Leasinggegenstände wird in aller Regel davon auszugehen sein, dass sie für den Einblick in die Vermögenslage von Bedeutung sind.
Gleiches soll gelten, wenn auf die Leasingverpflichtungen mehr als 10 % aller zu bilanzierenden Verpflichtungen entfallen.
cc) Kritik an der Stellungnahme des HFA
5
Die Stellungnahme des HFA stieß auf Kritik. Insbesondere wurde die Auffassung vertreten, es sei nach geltendem Recht nicht zulässig, ein Wirtschaftsgut in der Bilanz auszuweisen, an dem der Kaufmann kein wirtschaftliches Eigentum habe.[6] Wahrscheinlich