b) Polizeiliche Zusammenarbeit (Art. 87 ff. AEUV)
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Die polizeiliche Zusammenarbeit wird in Art. 87 AEUV normiert, die Weiterentwicklung[167] von Europol[168] in Art. 88 AEUV geregelt.
a) Richtlinien
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Nach Art. 82 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV beruht die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen. UAbs. 2 dieser Regelung ermächtigt das Europäische Parlament und den Rat zum Erlass von Maßnahmen zur gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile (Buchst. a) zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten (Buchst. b), zur Weiterbildung des Justizpersonals (Buchst. c) und zur Zusammenarbeit (Buchst. d). Die Ermächtigung nach UAbs. 2 bezieht sich auf Gesetzgebungsakte i.S.d. Art. 289 Abs. 3 AEUV, also unter anderem auf Verordnungen und Richtlinien.[169] Gestützt auf Art. 82 Abs. 1 UAbs. 2 Buchst. a AEUV wurde die Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen erlassen[170], die den Rahmenbeschluss über die Europäische Beweisanordnung[171] ersetzt.[172] Richtlinien sind für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel (Art. 288 AEUV).
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Art. 82 Abs. 2 AEUV ermächtigt das Europäische Parlament und den Rat unter bestimmten Bedingungen[173] zum Erlass von Richtlinien, die die Mindestvoraussetzungen
– | für die Zulässigkeit von Beweismitteln auf gegenseitiger Basis zwischen den Mitgliedstaaten (UAbs. 2 Buchst. a), |
– | für die Rechte des Einzelnen im Strafverfahren (Buchst. b), |
– | für die Rechte der Opfer von Straftaten (Buchst. c) und |
– | für sonstige Aspekte des Strafverfahrens (Buchst. d) |
normieren. Auf der Grundlage dieser Regelungen wurden in den letzten Jahren unter anderem in folgenden Rechtsbereichen Richtlinien erlassen:[174]
– | Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren.[175] |
– | Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren.[176] |
– | Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug.[177] |
b) Rahmenbeschlüsse (nach früherer Rechtslage)
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Als Handlungsform ist die Richtlinie mittlerweile an die Stelle des Rahmenbeschlusses[178] (i.S.d. Art. 34 Abs. 2 Buchst. b EUV a.F. [Nizza]) getreten, der durch den Vertrag von Lissabon als Institut aufgegeben wurde.[179] Auf der Grundlage von Art. 34 Abs. 2 Buchst. b EUV a.F. wurden etwa folgende Rahmenbeschlüsse erlassen:
– | Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl.[180] |
– | Rahmenbeschluss über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen.[181] |
– | Rahmenbeschluss über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Einziehungsentscheidungen.[182] |
– | Europäische Vollstreckungsanordnung.[183] |
– | Europäische Beweisanordnung.[184] |
– | Europäische Überwachungsanordnung.[185] |
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Art. 34 Abs. 2 Buchst. b S. 2 und 3 EUV a.F. ordnete an, dass Rahmenbeschlüsse keine unmittelbare Wirksamkeit entfalten – sie waren also lediglich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels für die Mitgliedstaaten verbindlich, überließen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.[186] Bedeutung können die nach alter Rechtslage erlassenen Rahmenbeschlüsse prinzipiell auch gegenwärtig noch haben, da sie nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon übergangsweise ihre Gültigkeit behalten haben (Art. 9 S. 1 Protokoll [Nr. 36] über die Übergangsbestimmungen).[187] Der oben genannte Rahmenbeschluss über die Europäische Beweisanordnung[188] wurde jedoch mittlerweile durch die Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen[189] ersetzt.[190]
IV. EMRK
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Innerhalb des Rechts der Europäischen Union bildet die EMRK lediglich eine Rechtserkenntnisquelle (Art. 6 Abs. 3 EUV, Art. 52 Abs. 3 S. 1 EUGrCh)[191], solange die Europäische Union nicht der EMRK beigetreten ist.[192] Vgl. zum Konzept der Rechtserkenntnisquelle oben Rn. 2.
I. Rechtsnatur
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Unter einer Verwaltungsvorschrift werden unter anderem solche abstrakt-generellen Regelungen verstanden, die von der Exekutive erlassen werden, um die Verwaltungstätigkeit von nachgeordneten Behörden bzw. von deren Bediensteten zu vereinheitlichen.[193] Verwaltungsvorschriften stellen im Allgemeinen nur Rechtsquellen im weiteren Sinne dar[194], da sie grundsätzlich keine Bindungswirkung für den Rechtsanwender entfalten.
a) Rechtsnatur und Geltung
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Die RiStBV[195] gehen zurück auf eine Übereinkunft zwischen dem Bundes- und den Landesjustizministern und gelten bundeseinheitlich.[196] Primär enthalten sie Ausführungen zur staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit[197], indem sie die gesetzlichen Regelungen konkretisieren.[198] Soweit ein Widerspruch zwischen den RiStBV und einer Gesetzesnorm bestehen sollte, geht Letztere stets vor.[199] Wie in der Einführung der RiStBV explizit dargelegt wird, entfalten sie keine strikte Bindungswirkung[200], stellen jedoch zumindest Hinweise dar, die für den Regelfall gelten.
b) Systematik
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Die RiStBV umfassen einen Allgemeinen Teil (mit Abschnitten zu Vorverfahren, Anklage, Hauptverfahren etc.) und einen nach Deliktsarten systematisierten Besonderen Teil.
c) Anlagen
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Als Anlagen zu den RiStBV sind weitere Verwaltungsvorschriften normiert, von den vor allem Folgende strafprozessuale Relevanz aufweisen:
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