MeinungsstreitRn. 200 f.
II.Begründetheit der Widerklage
2. Teil Erkenntnisverfahren › E. Prozessverhalten des Beklagten zur Klage › VI. Anerkenntnis
VI. Anerkenntnis
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Neben den eben genannten Verteidigungsstrategien hat der Beklagte auch die Möglichkeit, dem Kläger Recht zu geben und den behaupteten Anspruch anzuerkennen (§ 307 ZPO). Mit diesem Instrument sollte der Beklagte vorsichtig umgehen. Denn durch sein Anerkenntnis ist der Prozess (endgültig) verloren. Es ergeht Anerkenntnisurteil, d.h. der Klage wird ohne Prüfung der materiellen Rechtslage statt gegeben. Der Beklagte geht als Verlierer nach Hause. Diese Niederlage kann allenfalls durch Kostenvorteile etwas versüßt werden. Ein Anerkenntnis sollte daher nur ausgesprochen werden, wenn die Rechtslage völlig eindeutig ist.
Hinweis
In der Praxis wird diese Prozesshandlung von erfahrenen Anwältinnen und Anwälten gemieden. Anerkenntnisurteile beruhen meist auf „Anfängerfehlern“.
1. Voraussetzungen
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Auch im Fall des Anerkenntnisses müssen die Prozessvoraussetzungen (Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit, zuständiges Gericht etc.) vorliegen. Denn das Anerkenntnisurteil ist ein Sachurteil. Fehlen die Prozessvoraussetzungen, ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Außerdem muss das Anerkenntnis wirksam erklärt werden. Es müssen also die Prozesshandlungsvoraussetzungen auf Seiten des Beklagten vorliegen. Besteht Anwaltszwang (§ 78 ZPO), muss ein Rechtsanwalt das Anerkenntnis erklären.[61] Es kann in der mündlichen Verhandlung, in der Güteverhandlung oder in einem Schriftsatz erklärt werden.[62] Die Erklärung („der Beklagte erkennt den Anspruch des Klägers an“) muss unbedingt und uneingeschränkt erfolgen. Ein Klageabweisungsantrag kann nicht als Anerkenntnis ausgelegt werden.[63] Das Anerkenntnis ist reine Prozesshandlung und kein materiell-rechtliches Schuldanerkenntnis (keine Doppelnatur).[64] Als reine Prozesshandlung (= Bewirkungshandlung) ist das Anerkenntnis weder anfechtbar noch widerruflich. Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass ein Restitutionsgrund gem. § 580 ZPO vorliegt.[65] Abzugrenzen ist das Anerkenntnis vom Geständnis (§ 288 ZPO). Durch das Geständnis des Beklagten werden lediglich einzelne Tatsachenbehauptungen des Klägers als richtig eingeräumt. Dagegen bezieht sich das Anerkenntnis auf den prozessualen Anspruch selbst. Der Anspruch braucht weder schlüssig vorgetragen noch begründet zu sein. Die anerkannte Rechtsfolge darf aber nicht sittenwidrig sein oder gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Zu beachten ist, dass ein Anerkenntnis in Ehesachen (§ 121 FamFG) nicht ergehen darf (§ 113 Abs. 4 Nr. 6 FamFG), da die Beteiligten nicht dispositionsbefugt sind.
Beispiel
Mona verklagt die Firma V-GmbH auf Ersatz der Austauschkosten für die Fliesen. Die Firma V-GmbH lässt in der mündlichen Verhandlung durch ihren Anwalt vortragen, dass der Anspruch von Mona bestehe und keine Einwendungen erhoben werden. Hierin liegt ein Anerkenntnis (§ 307 ZPO). Die Erklärung bezieht sich auf den geltend gemachten Anspruch (auf die Rechtsfolge). Der Zusatz „unter Verwahrung gegen die Kostenlast“ schadet nicht. Nun muss das Gericht zunächst die Zulässigkeit der Klage prüfen. Ist die Klage zulässig und ist das Anerkenntnis wirksam erklärt (= Vorliegen der Prozesshandlungsvoraussetzungen), ergeht Anerkenntnisurteil. Ob die Klage begründet ist, muss das Gericht nicht mehr klären.
Variante: Hätte die V-GmbH lediglich eingeräumt, dass die Fliesen mangelhaft sind, würde es sich lediglich um ein Geständnis handeln (§ 288 ZPO). Das Geständnis bewirkt, dass die eingeräumte Tatsache vom Gericht (Mangelhaftigkeit der Fliesen) als wahr unterstellt werden muss. Ob § 439 Abs. 1 BGB den Ersatz von Austauschkosten umfasst, bleibt zwischen den Parteien strittig. Daher muss das Gericht die materielle Rechtslage prüfen. Es darf kein Anerkenntnisurteil erlassen.
2. Verfahren und (Kosten-)Entscheidung
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Sind die Voraussetzungen für ein wirksames Anerkenntnis erfüllt, erlässt das Gericht ein Anerkenntnisurteil (§ 307 S. 1 ZPO). Eine Prüfung der Schlüssigkeit der Klage und der materiellen Rechtslage unterbleibt. Eine mündliche Verhandlung ist seit 2004 nicht mehr nötig (§ 307 S. 2 ZPO). Das Gericht kann daher das Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren erlassen. Ein extra Antrag des Klägers („ich beantrage im Fall eines Anerkenntnisses Anerkenntnisurteil“) muss nicht gestellt werden (Ausnahme seit 2014: Revisionsinstanz § 555 Abs. 3 ZPO). Als normales Endurteil ist das Anerkenntnis mit Rechtsmitteln (Berufung, Revision) anfechtbar. Der Überprüfungsgegenstand im Berufungsverfahren ist allerdings darauf beschränkt, ob ein Restitutionsgrund (§ 580 ZPO) vorliegt.
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Die Kosten trägt nach der allgemeinen Kostenregel der Verlierer, also der Beklagte (§ 91 ZPO). Hier ist allerdings die Spezialnorm des § 93 ZPO zu beachten, die den Schutz des Beklagten vor übereilten Klagen bezweckt. Danach kommt der Beklagte um die Kostenlast herum, wenn er dem Kläger aufgrund seines vorprozessualen Verhaltens keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und den Anspruch im Prozess sofort anerkennt. Bedeutet „sofort“ bei erster Gelegenheit? Hat der Richter frühen ersten Termin angeordnet, muss das Anerkenntnis sofort im Termin oder in der Klageerwiderung (falls das Gericht eine Frist hierzu gesetzt hat) erklärt werden. Beim schriftlichen Vorverfahren ist die Erklärung der Verteidigungsbereitschaft unschädlich. Das Anerkenntnis kann daher noch innerhalb der Klageerwiderungsfrist erklärt werden, es sei denn die Verteidigungsanzeige enthält zugleich einen Klageabweisungsantrag.[66]
Beispiel
Mona vergisst, ihre Telefonrechnung für den Monat Dezember 2017 zu begleichen. Ihr Vertragspartner erhebt sofort Klage, ohne Mona auf die Säumnis hinzuweisen. Der Richter ordnet frühen ersten Termin an. Im Prozess erkennt Mona noch vor Stellung der Anträge den Anspruch an. Das Gericht prüft, ob das Anerkenntnis wirksam erklärt wurde und die Prozessvoraussetzungen vorliegen. Sodann ergeht Anerkenntnisurteil (§ 307 S. 1 ZPO). Wem muss der Richter die Kosten auferlegen? Nach § 91 ZPO trägt grundsätzlich die unterlegene Partei die (gesamten) Kosten des Rechtsstreits. Hier könnte aber die Spezialnorm des § 93 ZPO vorrangig sein. Danach trägt der Kläger die Kosten, wenn der Beklagte keinen Anlass zur Klage gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Anlass zur Klageerhebung besteht aus Sicht des Klägers dann, wenn er bei vernünftiger Betrachtungsweise annehmen darf, die Zahlung nur mittels gerichtlicher Hilfe zu erlangen. Dies ist der Fall, wenn sich der Beklagte in Verzug befindet. Da Mona auch ohne Mahnung in Verzug kommen kann (§ 286 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BGB), kommt es hier auf die materielle Rechtslage an. Ist Mona bereits in Verzug, trägt sie die Kosten (§ 91 ZPO). Liegt kein Verzug vor, trägt der Telefonanbieter die Kosten (§ 93 ZPO), da er nicht einmal den Versuch einer außergerichtlichen Rechtsdurchsetzung (Mahnung) unternommen hat. Im Übrigen ist das Anerkenntnis von Mona auch sofort erfolgt, da es noch vor Stellung der Anträge abgegeben wurde.
Anmerkungen
Ausführlich Zeiss/Schreiber Zivilprozessrecht Rn. 211 f.; MüKo-Rauscher ZPO Einl. Rn. 372 f.
Adolphsen Zivilprozessrecht § 11 Rn. 2.