I. Besondere Prozesssituationen
K. Gerichtliche Entscheidungen
L. Rechtsbehelfe und Rechtsmittel
2. Teil Erkenntnisverfahren › A. Konzepte gütlicher Streitbeilegung
A. Konzepte gütlicher Streitbeilegung
2. Teil Erkenntnisverfahren › A. Konzepte gütlicher Streitbeilegung › I. Gründe für eine außergerichtliche Konfliktlösung
I. Gründe für eine außergerichtliche Konfliktlösung
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Für Mona ist die Vorstellung, einen Prozess führen zu müssen, eher unangenehm. Dieses Problem haben nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmer/innen und Industriekonzerne. Im Vordergrund steht die Sorge, dass der Prozess verloren gehen könnte. Der Spruch „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ symbolisiert dieses Risiko besonders plastisch. Bei Prozessverlust droht eine „Kostenexplosion“. Die Klagepartei muss nicht nur die eigenen Anwaltskosten und die Gerichtskosten tragen, sondern auch noch die Kosten der Gegenseite (Anwaltskosten). Geregelt ist die Kostentragungspflicht des Verlierers in § 91 ZPO. Auswege aus dieser Kostenfalle gibt es kaum.
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Falls der Kläger/die Klägerin über eine Rechtsschutzversicherung verfügt, kann dieser Umstand Abhilfe schaffen. Im Rahmen des abgeschlossenen Vertrags werden sämtliche Prozesskosten von der Versicherung übernommen. Voraussetzung ist aber ein bereits vor dem Prozess bestehender Vertrag. Außerdem kann eine Rechtsschutzversicherung nicht für alle zivilrechtlichen Streitigkeiten abgeschlossen werden. Dies gilt etwa für bau- oder erbrechtliche Streitigkeiten. Für einkommensschwache Kläger gibt es die staatliche Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO). Sie dient der Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), ermöglicht aber kein „kostenloses Prozessieren“.[1] Bei Prozessverlust müssen stets die gegnerischen Kosten (§ 123 ZPO) getragen werden. Ähnliches gilt bei Vereinbarung von Erfolgshonoraren mit dem eigenen Anwalt (vgl. § 49b BRAO mit § 4a RVG). Im Fall des Verlierens müssen lediglich der gegnerische Anwalt und die Gerichtskosten, nicht aber der eigene Anwalt gezahlt werden. Allerdings können Erfolgshonorare nur unter besonderen – erschwerten – Voraussetzungen vereinbart werden (vgl. § 4a RVG). So müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten derart schlecht sein, dass er ohne Erfolgshonorar von der Rechtsverfolgung absehen würde.[2]
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Ein weiterer Weg zur Kostenvermeidung ist die Prozessfinanzierung. Hier lassen sich auf Prozessfinanzierung spezialisierte Unternehmen gegen Vorfinanzierung der Verfahrenskosten sowie Übernahme des Prozesskostenrisikos im Unterliegensfall im Gegenzug für den Erfolgsfall einen Teil des erstrittenen Erlöses abtreten.[3] Die geforderte Quote für den Erfolgsfall ist bei den einzelnen Anbietern unterschiedlich. Ungeklärt ist auch die rechtliche Qualifikation des Prozessfinanzierungsvertrags. Des Weiteren ist umstritten, ob Anwälte eigene Prozessfinanzierungsunternehmen (GmbH, AG) gründen dürfen. Für „kleinere Verfahren“ wird die Prozessfinanzierung mangels Rentabilität nicht eingesetzt. Anders ist die Situation bei „Sammelschäden“ (z.B. VW-Abgasskandal). Das Geschäftsmodell wird hier eingesetzt, um die Ansprüche der Betroffenen zu bündeln und außergerichtlich bzw. gerichtlich durchzusetzen.
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Sieht man einmal von der Kostenfrage ab, ist auch der Zeitaufwand (Besprechungen mit dem Anwalt, Gerichtstermine) und die Dauer eines Zivilverfahrens (eventuell mehrere Jahre bei Ausschöpfung aller Rechtsmittel) zu berücksichtigen. Außerdem kann gegen die Inanspruchnahme einer richterlichen Entscheidung eingewendet werden, dass es an einer echten „Konfliktlösung“ fehlt, weil es nur Sieger oder Verlierer gibt.
Ausgangsfall
Mona hat keine Rechtsschutzversicherung. Als Studentin kann sie gegebenenfalls Prozesskostenhilfe beantragen. Eventuell wird sie zur Ratenzahlung verpflichtet. Ihre Wohnung muss sie jedenfalls nicht einsetzen (vgl. § 115 Abs. 3 ZPO mit § 90 Abs. 2 SGB XII). Für ein Prozessfinanzierungsunternehmen ist ihr Fall „zu mager“, da die meisten Prozessfinanzierer einen Mindeststreitwert von 50 000 € verlangen.
2. Teil Erkenntnisverfahren › A. Konzepte gütlicher Streitbeilegung › II. Alternativen zum Prozess
II. Alternativen zum Prozess
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Somit stellt sich nicht nur für Mona die Frage, ob es kostengünstigere und raschere Alternativen zur gerichtlichen Auseinandersetzung gibt.[4] Waren die Angebote bislang überschaubar, ist mittlerweile etwas Bewegung in die alternative und außergerichtliche Streitschlichtung gekommen. Ob der „Kundenrückgang“ bei den staatlichen Gerichten damit zu tun hat, ist noch nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt.
1. Obligatorische Streitschlichtung nach § 15a EGZPO
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Lesen Sie § 15a EGZPO unter www.gesetze-im-internet.de!
Zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung und zur Entlastung der Zivilgerichte wurde 1999 die obligatorische Streitschlichtung eingeführt. Nach § 15a EGZPO wurde den sechzehn Bundesländern die Möglichkeit eröffnet, in bestimmten Fällen die Parteien vor Klageerhebung in einen Schlichtungsversuch „zu zwingen“. Regelungsgegenstände waren vermögensrechtliche Streitigkeiten unter 750 €, Nachbarschaftsstreitigkeiten sowie Persönlichkeitsverletzungen (§ 15a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EGZPO). Hintergrund für die Schlichtungsidee war, dass bei geringfügigen Geldforderungen Aufwand und Kosten eines Rechtsstreits im Missverhältnis stehen. Bei Nachbarschaftsstreitigkeiten wurde erfahrungsgemäß nach einem Urteil trotzdem weiter gestritten, so dass eine Lösung am runden Tisch vorzugswürdig erschien. Ähnliche Gründe wurden für Persönlichkeitsverletzungen, wie Beleidigungen, angeführt, die besser einvernehmlich beendet werden.