Die Grundsatzentscheidung steht in engem Zusammenhang mit der erneuten ablehnenden Entscheidung des BGH[88] zum sog. Lügendetektor.
c) Nachfolgeentscheidungen
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Nach der Grundsatzentscheidung sind weitere Entscheidungen des BGH zu den Anforderungen, die an aussagepsychologische Gutachten zu stellen sind, ergangen, deren Inhalt stichwortartig hier dargestellt wird:
• | BGH [3 StR 301/07] nur die realistischen Erklärungsmöglichkeiten sind zu diskutieren, methodische Grundprinzipien beschreiben den derzeitigen wissenschaftlichen Standard, Gutachter müssen nicht einheitlich dieser Prüfstrategie folgen, es ist dem Sachverständigen überlassen, in welcher Art und Weise er dem Gericht sein Gutachten unterbreitet. |
• | BGH [1 StR 274/02] Anforderungen an die Prüfung der Unwahrhypothese |
• | BGH [1 StR 582/99][89] die Befolgung einer einheitlichen Prüfstrategie, eines einheitlichen Gutachtenaufbaus, einer bestimmten Reihenfolge der Elemente der Aussagebeurteilung ist nicht erforderlich, es ist dem Sachverständigen überlassen, in welcher Art und Weise er sein Gutachten dem Gericht unterbreitet. |
• | BGH [4 StR 339/99][90] Verweis auf die Grundsatzentscheidung |
Pfister[91] fasst die Rechtsprechung unter der Überschrift „Was ist seit BGHSt 45, 164 geschehen?“ zusammen und gibt einen „Überblick über die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen“.
Steller/Böhm[92] referieren – aus aussagepsychologischer Sicht – zu „50 Jahre Rechtsprechung des BGH zur Aussagepsychologie: Bilanz und Ausblick“ u. a. zur Anerkennung der aussagepsychologischen Methodik, zu Psychologen oder Psychiatern als Sachverständigen, zu aktuellen Entwicklungen in der Aussagepsychologie und Jurisprudenz, zur Begutachtung erwachsener Zeugen, zu Besonderheiten der Erinnerungen nach Traumaerleben und zur Glaubhaftigkeitsbegutachtung bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen.
Teil 1 Zeugenaussage › I › 6. Qualität aussagepsychologischer Gutachten
6. Qualität aussagepsychologischer Gutachten
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Ende der neunziger Jahre ergab eine Untersuchung von Busse/Volbert[93] nur eine geringe Anzahl von Begutachtungen durch Psychologen (und nicht Psychiater). Fast nie wurde der Gutachtenauftrag begründet. Inhaltlich waren „bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der Gutachten wissenschaftliche Mindeststandards wie Nennung der gewählten Untersuchungsmethoden, Trennung von Bericht und Interpretation etc. nicht bzw. nur teilweise erfüllt“.[94] Viele Gutachten bewegten sich im „mittleren Bereich“, jedoch wurde „in beinahe der Hälfte der Gutachten ein primär persönlichkeitsorientiertes Vorgehen verfolgt …, obwohl dies dem derzeitigen wissenschaftlichen Stand nicht entspricht“[95].
Die Untersuchung ergab ferner, dass „die Fälle mit eindeutiger positiver Glaubwürdigkeits- bzw. Glaubhaftigkeitsbeurteilung in fast allen Fällen mit einer Verurteilung endeten“[96].
Zehn Jahre nach der Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahre 1999 könnte man hoffen, die Gutachtenqualität hätte sich insgesamt verbessert. Bei genauerem Hinsehen erscheint es aber nach wie vor so, dass Sachverständige die verschiedenen Hypothesen nur stereotyp bilden und abarbeiten, diese nicht fallspezifisch genug entwickeln und sie auch der Suggestionshypothese nicht immer mit dem nötigen fachlichen Wissen begegnen. Der Wunsch, dem Zeugen grundsätzlich glauben zu wollen, würde sicher von jedem Sachverständigen nach außen verneint, scheint aber vielfach präsent zu sein. Gezieltes Herausfragen von Realkennzeichen, einseitige Deutung des Aussageverhaltens tragen nach wie vor zu einer Vielzahl von Gutachten schlechter Qualität bei. Oftmals ist jedoch auch mangelnde Sachkunde, fehlendes dogmatisches Verständnis dafür verantwortlich. Eindrucksvoll ist die Liste der vielfach auftretenden Fehler, über die Köhnken[97] berichtet.
Teil 1 Zeugenaussage › I › 7. Ausweitung des Anwendungsbereichs der Aussagepsychologie
7. Ausweitung des Anwendungsbereichs der Aussagepsychologie
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Erwachsene Zeugen. Köhnken[98] berichtet, dass Forschungsergebnisse den Schluss zulassen, dass die kriterienorientierte Aussageanalyse „auch bei erwachsenen Zeugen mit hinreichender Zuverlässigkeit zwischen erlebnisbegründeten und konfabulierten Aussagen unterscheiden kann“. Auch nach Volbert/Steller[99] gelten die aussagepsychologischen Erkenntnisse nicht nur für kindliche, sondern auch erwachsene (Opfer)zeugen.
Nach Steller/Volbert[100] ist der Schwellenwert, von der festgestellten Aussagequalität auf die Glaubhaftigkeit der Bekundung zu schließen, bei Erwachsenen höher als bei Kindern. Eine ausführliche Betrachtung findet sich bei Greuel[101].
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Beschuldigte – Geständnis, Widerruf des Geständnisses. Steller[102] und Volbert[103] haben in der Festschrift für Eisenberg zu dem sog. Pascal-Verfahren vor dem LG Saarbrücken „Zu falschen Geständnissen in Kapitaldelikten – Praxis: Der Fall Pascal“ bzw. „Falsche Geständnisse“ veröffentlicht und dabei die Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte des Geständnisses hervorgehoben[104].
Aussagepsychologen[105] stellen bei der Diskussion über die Anwendbarkeit der Realkennzeichenanalyse bei Beschuldigtenaussagen zutreffend darauf ab, dass sich an der Leugnung eines Vorwurfes, die nur aus einem Wort – z. B. Haben Sie die Frau umgebracht? „nein“ – bestehen kann, mangels Aussagematerials keine analytische Bewertung vornehmen lässt.
Bei einem ausführlichen Geständnis und/oder einem Geständniswiderruf wird grundsätzlich eine Analyse in Betracht gezogen[106], jedoch darauf hingewiesen, dass sich der Beschuldigte „z. B. mangels Wahrheitsverpflichtung in einer gänzlich anderen motivationalen Lage befinde“