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Besondere Bedeutung entfaltet auch die UVP-Richtlinie. Wie gesehen hängt die Wahl der Verfahrensart – Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren – von der vor allem europarechtlich begründeten UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens ab. Darüber hinaus definiert die UVP-Richtlinie verfahrensrechtliche Mindeststandards, insbesondere im Hinblick auf die Beteiligungselemente, die nicht unterschritten werden können. Und schließlich gebietet die UVP-Richtlinie, Vereinigungen Rechtsschutz gegen UVP-pflichtigen Vorhaben zu eröffnen. Daneben kommt den Anforderungen der FFH-Richtlinie im Rahmen der Fachplanung besondere Bedeutung zu.
IV. Planfeststellung als Instrument der Anlagenzulassung
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Die Planfeststellung stellt zunächst ein Instrument der Anlagenzulassung dar und ordnet sich damit in das System anderer umweltrechtlicher Zulassungstatbestände ein. Insofern ist die Planfeststellung etwa mit der Genehmigung nach § 6 BImSchG oder den wasserrechtlichen Gestattungen nach § 8 Abs. 1 WHG vergleichbar. Zugleich handelt es sich bei der Planfeststellung um eine raumplanerische Entscheidung. Im Unterschied zu anderen Vorhaben, die den Anforderungen der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nach §§ 30–37 BauGB unterliegen, ist die Raumplanungsentscheidung hier in die Zulassungsentscheidung integriert. Planfeststellungsbedürftige Vorhaben von überörtlicher Bedeutung sind von den Anforderungen des Bauplanungsrechts gemäß § 38 BauGB im Wesentlichen freigestellt[14]. Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch der Anwendungsbereich der Planfeststellung. Zumeist dient sie der Zulassung von Vorhaben, die in besonders hohem Maße Raumnutzungskonflikte auslösen können, sodass es geboten erscheint, sie unter diesem Gesichtspunkt isoliert zu betrachten.
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Für die Planfeststellung kennzeichnend ist, dass sie der Zulassung von Vorhaben dient, die eine Vielzahl von Belangen betreffen können. Neben den Interessen des Vorhabenträgers sind hier öffentliche Belange sowie Rechte und Interessen privater Dritter zu nennen. Im Hinblick auf das konkret zuzulassende Projekt sind diese Belange häufig gegenläufig und müssen in einen Ausgleich gebracht werden. Zum Wesen der Planfeststellung gehört demgemäß auch eine Überwindungsfunktion: Dem Vorhaben entgegenstehende Belange können zurückgestellt werden[15]. Die Notwendigkeit, eine Vielzahl von Belangen in einen Ausgleich zu bringen, veranlasst den Gesetzgeber, die Planfeststellung von anderen Zulassungstatbeständen abzuheben. Da sich die Erfassung einer Vielzahl von Belangen der konditionalen Normstruktur, die etwa für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung kennzeichnend ist, in der Tendenz entzieht, greift er hier auf die finale Normstruktur von Planungstatbeständen zurück[16]. Dies kommt am deutlichsten in der Eröffnung eines planerischen Gestaltungsspielraums und der Bindung der Ausübung desselben an das Abwägungsgebot zum Ausdruck. Damit unterscheidet sich die Planfeststellung jedenfalls hinsichtlich der Regelungstechnik grundlegend von anderen Vorhabenzulassungen, bei denen der Behörde allenfalls ein „normales“ Ermessen zukommt oder die sogar eine gebundene Entscheidung darstellen (§ 6 Abs. 1 BImSchG)[17]. Zugleich gewährleistet die Planfeststellung, dass alle im Zusammenhang mit dem Vorhaben zu berücksichtigenden öffentlich-rechtlichen Aspekte in einem Verfahren abgearbeitet werden. Dafür stattet der Gesetzgeber den Planfeststellungsbeschluss mit einer umfassenden formellen Konzentrationswirkung (§ 75 Abs. 1 S. 1 VwVfG) aus.
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Während diese grundsätzlichen Charakterisierungen prinzipiell auf alle Planfeststellungen zutreffen, können abhängig vom Vorhabentyp durchaus die raumplanerischen oder die genehmigungsrechtlichen Elemente im Vordergrund stehen[18]. Als atypische Anwendungsfälle der Planfeststellung sind die bergrechtliche (§ 52 Abs. 2a BBergG) und die atomrechtliche Planfeststellung (§ 9b Abs. 1 AtG) zu betrachten. Hierbei handelt es sich gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts um gebundene Entscheidungen, für die das Bestehen eines planerischen Gestaltungsspielraums und damit die Geltung des Abwägungsgebots zu verneinen ist[19]. Demnach handelt es sich nicht um Planungsentscheidungen im hier maßgeblichen Sinne. Der entscheidende Grund für die Anknüpfung an das Instrument der Planfeststellung dürfte in diesen Fällen die Nutzbarmachung der formellen Aspekte – Verfahren und Rechtswirkungen – der Planfeststellung sein. So kommen der Planfeststellung die weitreichenden Wirkungen des § 75 Abs. 1 und 2 VwVfG sowie gegebenenfalls die enteignungsrechtliche Vorwirkung zu, was sie von anderen Zulassungstatbeständen deutlich abhebt. Daneben ist das Planfeststellungsverfahren in besonderer Weise als Trägerverfahren für eine Umweltverträglichkeitsprüfung geeignet[20].
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Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die Anwendungsfälle der Planfeststellung durchaus unterschiedliche Regelungsstrukturen aufweisen. Die „klassischen“ Anwendungsfälle im Bereich der Verkehrswegeplanung folgen dem herkömmlichen Verständnis von Planungsentscheidungen und überlassen die Lösung der durch das Vorhaben aufgeworfenen Konflikte vor allem der planerischen Abwägung. Demgegenüber findet sich eine Reihe vor allem umweltrechtlicher Planfeststellungstatbestände, die einen Großteil der herkömmlicherweise in der Abwägung zu berücksichtigenden Belange bereits bei der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen im Rahmen von Gemeinwohlklauseln[21] konsumieren[22]. Setzt man dies in Beziehung zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur atomrechtlichen Planfeststellung, stellt sich die Frage, ob hier nicht die Entstehung eines neuen Zulassungstyps zu beobachten ist. Dieser übernimmt von der Planfeststellung das Verfahren und teilweise die Rechtswirkungen, während es sich in der Struktur um eine gebundene Entscheidung handelt, mit gesteigerter Gemeinwohlbindung als Zulassungsvoraussetzung[23].
V. Planfeststellung im System der Raumplanungen
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Anders als andere Anlagenzulassungen ist die Planfeststellung – unabhängig von den vorstehenden Überlegungen – zugleich Raumplanungsentscheidung. Damit kommt der planenden Behörde ein planerischer Gestaltungsspielraum zu, der jeder Form von Raumplanung eigen ist[24]. Dieser zeichnet sich durch die geringe gesetzliche Regelungsdichte und Determinierung der Entscheidung aus. Soweit die zwingenden gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind, bildet das Abwägungsgebot den zentralen Entscheidungsmaßstab. Aufgrund dieser Gemeinsamkeit werden dogmatische Entwicklungen in der Fachplanung und der Bauleitplanung zum Teil bruchlos in das jeweils andere Rechtsgebiet übertragen. Die dogmatischen Anforderungen an die planerische Abwägung stellen hierfür das wichtigste Beispiel dar[25].
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Modifizierungen ergeben sich jedoch aus dem konkreten Projektbezug der Fachplanung. Während Gemeinden im Rahmen der Bauleitplanung auch planerische Zurückhaltung üben und die Bewältigung entstehender Probleme nachfolgenden Verfahren überlassen können, sind für die Planfeststellung höhere Anforderungen an den Grundsatz der Konfliktbewältigung[26] zu stellen. Da sich hier regelmäßig kein weiteres Verwaltungsverfahren mehr anschließt, dürfen Konflikte nicht ungelöst bleiben[27]. Ein weiterer Unterschied ergibt sich aus dem Charakter der Planfeststellung als nachvollziehender Planung. Anders als im Bereich der Bauleitplanung ist die Planfeststellungsbehörde an die Planungen des Vorhabenträgers gebunden[28]. Ihre Aufgabe besteht demgemäß darin, den vorgelegten Plan auf seine Vereinbarkeit mit den Anforderungen an die Planfeststellung