1. Gemeinden
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Unterste Einheit zur Wahrnehmung sämtlicher örtlicher Aufgaben ist die Gemeinde. Nach Art. 1 GO ist die Gemeinde eine ursprüngliche Gebietskörperschaft mit dem Recht, alle örtlichen Angelegenheiten zu ordnen und zu verwalten.
Beispiel
Die Gemeinde ist als ursprüngliche Körperschaft damit z.B. zuständig für ihre Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung, für ihre Sport- und Freizeitanlagen, für ihre kulturellen Einrichtungen, etc.
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Die Gemeinden lassen sich weiter unterscheiden in kreisangehörige Gemeinden und kreisfreie Städte. Die Große Kreisstadt stellt einen Sonderfall einer kreisangehörigen Gemeinde dar. Das keiner bayerischen Gemeinde zugewiesene Gebiet ist gemeindefrei (Art. 10a Abs. 1 GO).
a) Kreisangehörige Gemeinden
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Art. 5 Abs. 1 GO bestimmt zunächst, dass die Gemeinden kreisangehörig oder kreisfrei sind.
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Die größte Zahl der bayerischen Gemeinden ist kreisangehörig. Dies entspricht der Grundform der ursprünglichen Gebietskörperschaft. Die historische Bezeichnung Markt, Stadt, Art. 3 Abs. 1 GO, ist für die Differenzierung irrelevant. Kreisangehörige Gemeinden haben wie kreisfreie Gemeinden dieselbe Aufteilung in Wirkungskreise (eigener und übertragener, vgl. Art. 6 Abs. 2 GO), dieselbe Verfassung sowie dieselben Organe (allerdings mit zum Teil unterschiedlicher Bezeichnung). Unterschiede liegen im Umfang und der Art der wahrzunehmenden Aufgaben (Zusammensetzung der jeweiligen Wirkungskreise, Art. 6 Abs. 2 GO) und in der Staatsaufsicht (Art. 108 ff. GO).[11]
Hinweis
Prägen Sie sich an dieser Stelle bereits ein, dass das Aufgabenspektrum zwischen kreisangehörigen und kreisfreien Gemeinden variiert, und dass diese Frage bedeutsam ist für den klausurrelevanten Bereich der „Kommunalaufsicht“.
b) Kreisfreie Stadt
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Maßgebliche Bestimmung ist hier Art. 9 Abs. 1 GO. Dieser stellt die kreisfreie Gemeinde auf eine Stufe mit den Landkreisen.
Es existiert insoweit für das Stadtgebiet der kreisfreien Stadt kein Landratsamt als Staats- oder Kreisbehörde.[12]
Dies hat Auswirkungen auf den Aufgabenumfang der kreisfreien Stadt. Nach Art. 9 Abs. 1 GO muss die kreisfreie Stadt Aufgaben von (fehlendem) Landkreis (als Gebietskörperschaft) und Landratsamt (als unterer Staatsbehörde) erfüllen.[13]
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Die Kreisfreiheit äußert sich auf folgenden Gebieten:[14]
• | Bezeichnung der Organe, Art. 34 Abs. 1 S. 2 GO |
• | Aufgabenumfang, Art. 9 Abs. 1 GO |
• | Personelle Ausstattung, Art. 42 Abs. 2 GO |
• | Regelungen der Kommunalaufsicht, Art. 110 S. 2, 115 GO |
Beispiel
Während bei einer kreisangehörigen Gemeinde für Bauangelegenheiten nach Art. 53 Abs. 1 BayBO regelmäßig (Ausnahme nur die Große Kreisstadt und gewisse besonders leistungsfähige kreisangehörige Gemeinden, § 5 Abs. 1 ZustVBau) das Landratsamt als Staatsbehörde zuständig ist, Art. 53 Abs. 1 BayBO, ist die kreisfreie Stadt selbst zur Entscheidung in Bausachen berufen, Art. 9 Abs. 1 GO, Art. 54 Abs. 1 BayBO. Da es sich eigentlich um eine staatliche Angelegenheit handelt, wird die kreisfreie Stadt insoweit im übertragenen Wirkungskreis tätig.
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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die kreisfreie Gemeinde Verwaltungsaufgaben zweier Ebenen zu erfüllen hat. Sie berührt sowohl die örtliche als auch die überörtliche Verwaltungsebene. Da insofern kein Landratsamt existiert, muss die Aufsicht über die kreisfreie Stadt bei der Regierung als Staatsbehörde angesiedelt sein, Art. 110 S. 2 GO.
c) Sonderfall der Großen Kreisstadt
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Einen Sonderstatus nimmt im System der Gemeinden die Große Kreisstadt ein.
Für ihr Gebiet existiert daher anders als bei der kreisfreien Stadt ein Landratsamt, das als Behörde Staats- und Kreisaufgaben wahrnehmen kann.
Da das Gesetz in Art. 5 Abs. 1 GO nur zwei grundsätzliche Gemeindetypen schafft (kreisangehörig, kreisfrei), ist die Große Kreisstadt ein Sonderfall einer kreisangehörigen Gemeinde.[15]
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In ihrer Stellung sind Große Kreisstädte zwischen kreisangehörigen Gemeinden und kreisfreien Städten angesiedelt. Ihre Besonderheit liegt darin, dass die Große Kreisstadt einzelne Aufgaben des Landratsamtes als Staatsbehörde (Art. 37 Abs. 1 S. 2 LKrO) wahrnimmt. Diese Aufgaben sind in der Verordnung über Aufgaben der Großen Kreisstädte – GrKrV[16] abschließend enthalten. Trotz Bestehen eines Landratsamtes als Staatsbehörde werden diese Aufgaben gesetzlich an die Große Kreisstadt delegiert.
Beispiel
Für einen Bauantrag im Gemeindegebiet einer Großen Kreisstadt ist diese nach Art. 9 Abs. 2 GO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrKrV zuständig. Sie wird insoweit gleichfalls im übertragenen Wirkungskreis tätig, Art. 54 Abs. 1 Hs. 2 BayBO. Dies ist insofern wiederum konsequent, als Bauangelegenheiten grundsätzlich Aufgabe des Staates sind, Art. 54 Abs. 1 Hs. 1 BayBO. Wenn der Bauherr gegen die Versagung der Baugenehmigung klagen will, muss er gegen die Große Kreisstadt selbst klagen, da diese auch im übertragenen Wirkungskreis ihr eigener Rechtsträger ist.
JURIQ-Klausurtipp
Besonders klausurrelevant sind an dieser Stelle die Aufgaben der Großen Kreisstadt aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 (Bauaufsicht) und § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrKrV (eingeschränkte Aufgaben als Wasserrechtsbehörde).
Denken Sie beim Handeln einer Großen Kreisstadt in Klausuren immer an die Problempunkte „Wirkungskreise“ und „Passivlegitimation“, § 78 Abs. 1 VwGO. Prägen Sie sich daneben ein, dass die Große Kreisstadt eine kreisangehörige Gemeinde ist.
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Weitere Besonderheit ist die Staatsaufsicht über die Große Kreisstadt. Der Sonderfall ist hierbei in Art. 115 Abs. 2 GO geregelt (Näheres dazu unten Rn. 284).[17]
d) Gemeindefreies Gebiet
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Neben der Aufteilung des Staatsgebietes in Gemeindetypen gibt es Bereiche, die keiner Gemeinde zugewiesen sind. Dieses gemeindefreie Gebiet regelt sich über Art. 10a GO. Hinzuweisen ist hier insbesondere auf Art. 10a Abs. 5 GO, wonach die Hoheitsbefugnisse