Teil 4 Verfassungsrechtliche Probleme des Pflichtwidrigkeitsmerkmals
A.Verweisungen im verfassungsrechtlichen Sachzusammenhang
B.Der Verweis auf Vermögensbetreuungspflichten anderer Instanzen
II.Rechtsgeschäftliche Vermögensbetreuungspflichten
III.Vermögensbetreuungspflichten aus ausländischen Gesetzen
C.Der Verweis auf unbestimmte Vermögensbetreuungspflichten
1.Die Schwierigkeit einer „optimalen“ Tatbestandsfassung des § 266
2.Die Blanketteigenschaft des § 266 als legislatorischer Kompromiss
II.Folgerungen für den Tatbestand des § 266
1.Sicherstellung der gesetzlichen Bestimmtheit auf objektiver Tatbestandsseite
a)Erfordernis einer gravierenden Pflichtverletzung
b)Kriterium der Vertretbarkeit und Evidenz
aa)Problem der Auslegungskompetenz des Strafrichters
bb)Probleme bei der Feststellung objektiv-„evidenter“ Pflichtverstöße
2.Sicherstellung der gesetzlichen Bestimmtheit auf subjektiver Tatbestandsseite
a)Viktimodogmatische Betrachtung unbestimmter Verhaltensgebote
b)Unbestimmte Verhaltensgebote als tatbewertende Merkmale
c)Sichere Kenntnis vom Pflichtverstoß
d)Einwände gegen das Erfordernis sicherer Kenntnis vom Pflichtverstoß
3.Schutzniveau des subjektiven Restriktionsansatzes
Teil 1 Einführung in die Problematik
Teil 1 Einführung in die Problematik › A. Einleitung
A. Einleitung
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Die Irrtumslehre wird in der Strafrechtswissenschaft seit jeher als wichtiges, aber auch reichlich umstrittenes Problemfeld wahrgenommen. Schon Binding resümierte im Jahre 1913, dass „kein Gebiet so voll von Streit, größter Unsicherheit und verkannter oder dissimulierter Ungerechtigkeit [ist], als gerade die Lehre vom Irrtum bei Delikten.“[1] Betrachtet man die Gegenwart, wird nicht ohne Berechtigung festzustellen sein, dass die Lehre vom Irrtum der Wissenschaft und Praxis auch heute noch erhebliche Probleme bereitet.[2] Dies gilt im Besonderen für den Irrtum über die Unerlaubtheit der Handlung. Die Einführung der §§ 16, 17 im Jahre 1975 in das StGB und die damit verbundene Entscheidung des Gesetzgebers für die sog. Schuldtheorie führten mitnichten dazu, dass fortan jeder Rechtsirrtum lediglich die Schuldebene berührt. Nach wie vor wird um die Antwort gerungen, in welchen Fällen der Irrtum über die Unerlaubtheit der Handlung bereits einen „Umstand“ im Sinne des § 16 Abs. 1 betrifft und somit Tatbestands- und nicht lediglich Verbotsirrtum ist.
Manches Rechtsproblem braucht sein zeitgeschichtliches Ereignis, um im wissenschaftlichen Diskurs hinreichende Beachtung zu finden. Veranlasste etwa die Parteispendenaffäre um Flick in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts strafrechtliche Literatur zum Irrtum über steuerrechtliche