§ 2 Überblick über das Umsatzsteuergesetz › A. Der „Normalfall“: Lieferung oder sonstige Leistung
A. Der „Normalfall“: Lieferung oder sonstige Leistung
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Das UStG sieht für die Steuerbarkeit den Grundtatbestand der Lieferung oder sonstigen Leistung im Inland gegen Entgelt vor (§ 1 Abs. 1 Nr 1 S. 1 UStG). Im Folgenden werden kurz die Voraussetzungen der Steuerbarkeit nach diesem Tatbestand behandelt; zudem wird auf weitere umsatzsteuerrechtliche Fragen eingegangen, die sich stellen, wenn die Steuerbarkeit zu bejahen ist. Andere Steuertatbestände als der Grundtatbestand werden in diesem Kapitel nur kurz erwähnt (Rn 90 ff).
§ 2 Überblick über das Umsatzsteuergesetz › A. Der „Normalfall“: Lieferung oder sonstige Leistung › I. Steuerbarkeit
I. Steuerbarkeit
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Nach dem Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 Nr 1 S. 1 UStG sind die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, steuerbar. Im Einzelnen setzt die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr 1 S. 1 UStG also voraus:
• | Ein Unternehmer, |
• | der im Rahmen seines Unternehmens handelt, |
• | bewirkt eine Lieferung oder eine sonstige Leistung |
• | gegen Entgelt |
• | im Inland. |
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Dieser Grundtatbestand enthält Tatbestandsmerkmale, die in zahlreichen Einzelvorschriften des UStG definiert werden.
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Wer oder was Unternehmer ist, regelt § 2 UStG. Der Begriff ist für das Umsatzsteuerrecht von zentraler Bedeutung. Nicht nur die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr 1 S. 1 UStG und weitere Steuertatbestände knüpfen daran an. Auch der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG setzt voraus, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist. Zudem kann die Unternehmereigenschaft u. a. Bedeutung für die Frage des Leistungsortes und eine Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 UStG (Reverse Charge) haben.
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Wann eine Lieferung vorliegt, regelt § 3 Abs. 1 UStG, während § 3 Abs. 9 UStG die sonstige Leistung definiert. Oberbegriff für beide Tatbestände ist die „Leistung“. Besteht diese in der Verschaffung der Verfügungsmacht über einen Gegenstand, liegt eine Lieferung vor (§ 3 Abs. 1 UStG). In allen anderen Fällen ist die Leistung eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 S. 1 UStG). Ob eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt, kann vor allem für die Bestimmung des Leistungsortes (s. Rn 289) und des Steuersatzes (19 % oder 7 %) von Bedeutung sein.
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Wann eine Leistung im Inland erbracht wird, richtet sich für Lieferungen einerseits und sonstige Leistungen andererseits nach abweichenden Vorschriften:
• | Bei einer Lieferung ist die Frage, ob der Lieferort im Inland liegt, nach § 3 Abs. 5a bis 8 UStG, §§ 3c, 3e, 3f, 3g UStG zu beantworten (s. dazu Rn 295 ff). |
• | Bei einer sonstigen Leistung bestimmt sich der Leistungsort dagegen nach §§ 3a, 3b, 3e, 3f, 25 Abs. 1 S. 4 UStG (s. dazu Rn 339 ff). |
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Den Begriff „Inland“ definiert § 1 Abs. 2 S. 1 UStG (s. dazu Rn 291 ff).
§ 2 Überblick über das Umsatzsteuergesetz › A. Der „Normalfall“: Lieferung oder sonstige Leistung › II. Steuerbefreiungen
II. Steuerbefreiungen
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Wie oben (Rn 67) behandelt, bedeutet die Steuerbarkeit einer Leistung in der Regel, dass tatsächlich Umsatzsteuer anfällt. Dies gilt jedoch ausnahmsweise nicht, nämlich dann, wenn das Gesetz eine Steuerbefreiung anordnet. Steuerbefreiungen sind in §§ 4, 4b und 5 UStG wie folgt geregelt:
• | § 4 regelt Steuerbefreiungen für den Grundtatbestand der Steuerbarkeit, also für Lieferungen und sonstige Leistungen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr 1 UStG. |
• | § 4b regelt Steuerbefreiungen für den innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr 5 und § 1a UStG). |
• | § 4b regelt Steuerbefreiungen für die Einfuhrumsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr 4 UStG). |
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Lieferungen und sonstige Leistungen sind nach § 4 UStG insbesondere in folgenden wichtigen Fällen steuerfrei:
• | § 4 Nr 1 lit. a) UStG i. V. m. § 6 UStG befreit Ausfuhrlieferungen, also Lieferungen in das Drittlandsgebiet von der Umsatzsteuer. Nach § 4 Nr 1 lit. b) i. V. m. § 6a UStG sind Exporte in das Gemeinschaftsgebiet (innergemeinschaftliche Lieferungen) steuerfrei. Beide Befreiungstatbestände – Ausfuhrlieferung und innergemeinschaftliche Lieferung – sollen bei Exporten eine Doppelbesteuerung vermeiden und das Bestimmungslandprinzip umsetzen[1] (s. dazu bereits Rn 59 ff). |
• | Nach § 4 Nr 8 UStG sind neben der Gewährung und Vermittlung von Krediten weitere „Geldgeschäfte“ im weiteren Sinne (vorbehaltlich des § 9 UStG, „Option zur USt“) steuerfrei. Die Steuerbefreiungen spielen vor allem für Kreditinstitute eine große Rolle. |
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Nach § 4
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