102
Unternehmer kann weiter eine Bruchteilsgemeinschaft sein.[3] Eine Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff BGB) liegt vor, wenn mehrere Beteiligte eine Sache lediglich gemeinschaftlich erworben haben und halten, aber keinen darüber hinausgehenden gemeinsamen Zweck i. S. d. §§ 705 ff BGB verfolgen. Die Bruchteilsgemeinschaft ist zivilrechtlich nicht rechtsfähig und auch ertragsteuerrechtlich (weitgehend) transparent. Umsatzsteuerrechtlich kann sie dagegen – wie eine Personengesellschaft – eigenständiges Rechtssubjekt sein.
103
Beispiel:
Der gemeinsame Erwerb einer vermieteten Immobilie durch mehrere Investoren zu reinen Anlagezwecken führt regelmäßig zur Entstehung einer reinen Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff BGB). Zivilrechtlich sind nur die Investoren rechtsfähig. Sie (nicht die Gemeinschaft) sind also Eigentümer der Immobilie und Vertragspartner der Mieter. Unternehmer i. S. d. Umsatzsteuerrechts ist dagegen die Gemeinschaft selbst. Sind mehrere Beteiligte an mehreren Gemeinschaften jeweils zu denselben Bruchteilen beteiligt, ziehen Finanzverwaltung und Rechtsprechung die verschiedenen Gemeinschaften zu einem umsatzsteuerrechtlichen Unternehmer zusammen. Wenn dagegen in den verschiedenen Gemeinschaften wegen abweichender Beteiligungsverhältnisse eine einheitliche Willensbildung nicht gewährleistet ist, kommt die Unternehmereigenschaft jeder einzelnen Gemeinschaft zu.[4]
104
Anders als die vorstehend behandelten Personenzusammenschlüsse, die als solche nach außen auftreten, kommen reine Innengesellschaften nicht als Unternehmer in Betracht.[5] Etwa im Falle einer stillen Gesellschaft nach §§ 230 ff HGB ist Unternehmer i. S. d. Umsatzsteuerrechts – dem Zivilrecht folgend – ausschließlich der Kaufmann, an dessen Handelsgewerbe sich der stille Gesellschafter beteiligt. Weder die Gesellschaft selbst noch der stille Gesellschafter sind Unternehmer. Die ertragsteuerrechtlich relevante Unterscheidung zwischen typisch und atypisch stillen Gesellschaften spielt für die Umsatzsteuer keine Rolle.[6]
105
Eine schlichte Bürogemeinschaft, die dem gemeinsamen Leistungsbezug (vor allem der Anmietung eines Büros gegen Kostenumlage) dient, ist als solche nicht unternehmerfähig. Unternehmer sind vielmehr nur die einzelnen „Gemeinschafter“ (häufig Freiberufler), weil diese am Markt auftreten und Verträge mit Kunden schließen, nicht die Gemeinschaft als solche.[7]
106
Beispiel:
Klass, Lay und Lukas sind Rechtsanwälte und Steuerberater. Sie bilden eine Bürogemeinschaft, indem sie gemeinschaftlich eine Kanzleiimmobilie angemietet haben. Im Übrigen haben sie sich – anders als die Gesellschafter im oben behandelten Fall (Rn 101) – nicht zu einer Gesellschaft zusammengeschlossen. Vielmehr tritt nach außen jeder Rechtsanwalt selbstständig auf; insbesondere lauten alle Mandatsvereinbarungen nicht auf „die Bürogemeinschaft“, sondern auf die einzelnen Gemeinschafter. Nur diese, nicht auch die Gemeinschaft selbst, sind dann Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne. Falls die Kanzleiimmobilie umsatzsteuerpflichtig vermietet wird (Verzicht des Vermieters auf die Steuerfreiheit der Vermietung nach § 9 UStG, s. dazu noch Rn 511 ff), sind die einzelnen Gemeinschafter jeweils anteilig zum Vorsteuerabzug berechtigt. Überlassen sich die Gemeinschafter wechselseitig Personal oder Inventar zur Nutzung, liegen insoweit umsatzsteuerbare Leistungen (tauschähnliche Umsätze) der Gemeinschafter untereinander vor. Die Bürogemeinschaft selbst, die dann als GbR zu qualifizieren ist, ist ausnahmsweise Unternehmer, wenn sie eigenes Personal hat und damit gegenüber den Gesellschaftern Dienstleistungen erbringt.
§ 3 Unternehmer und Unternehmen › A. Unternehmer › III. Einzelne Tatbestandsmerkmale des Unternehmerbegriffes
III. Einzelne Tatbestandsmerkmale des Unternehmerbegriffes
107
Nach § 2 Abs. 1 S. 1, 3 UStG begründen drei Tatbestandsmerkmale die Unternehmereigenschaft: Selbstständigkeit, eine nachhaltige Tätigkeit sowie die Absicht, Einnahmen zu erzielen (s. bereits Rn 97). Diese Tatbestandsmerkmale werden im Folgenden behandelt.
1. Selbstständigkeit
108
Das UStG definiert nicht, wann Selbstständigkeit vorliegt. § 2 Abs. 2 UStG regelt lediglich (negativ) Fälle, in denen eine Tätigkeit nicht selbstständig ausgeübt wird.
a) Natürliche Personen
109
Natürliche Personen handeln nach § 2 Abs. 2 Nr 1 UStG nicht selbstständig, wenn sie „einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind“. Nach dem Unionsrecht unterliegen – mangels Selbstständigkeit – Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen nicht der Mehrwertsteuer, „soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft“ (Art. 10 MwStSystRL).
110
Nach der Finanzverwaltung handelt selbstständig, wer auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung tätig ist.[8] Der Rechtsprechung lassen sich für die Entscheidung über die Selbstständigkeit natürlicher Personen folgende Indizien entnehmen, wobei stets eine Würdigung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse geboten ist:[9]
• | Für Selbstständigkeit sprechen insbesondere Selbstständigkeit in der Organisation und bei der Durchführung der Tätigkeit, Unternehmerrisiko, Unternehmerinitiative, Bindung an den Betrieb nur für bestimmte Tage, geschäftliche Beziehungen zu mehreren Vertragspartnern. |
• | Gegen Selbstständigkeit sprechen insbesondere Weisungsgebundenheit bezüglich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, feste Arbeitszeiten, Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort, feste Bezüge, Urlaubsanspruch, Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, Eingliederung in den Betrieb, Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolgs sowie die Ausführung von einfachen Tätigkeiten. |
111
Ob Selbstständigkeit zu bejahen ist, ist für Umsatzsteuer, Einkommensteuer/Lohnsteuer und Gewerbesteuer nach denselben Grundsätzen zu beurteilen.[10] Regelmäßig schließen sich auch eine umsatzsteuerrechtliche Unternehmerstellung und eine Beitragspflicht in der Sozialversicherung aus, gelten also auch insoweit dieselben Abgrenzungskriterien. Die Rechtsprechung betont allerdings, dass keine Bindung an die sozial- und arbeitsrechtliche Beurteilung bestehe.[11] Zu Frage der Selbstständigkeit von Geschäftsführern s. noch Rn 148 ff.
b)