BGH NStZ 1996, 434, 435.
Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben § 211 Rn. 51; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 89.
Zum Versuch beim Unterlassen BGHSt 38, 356; BGH StV 2007, 17, 18.
BGH Beschluss vom 14. Juli 2005 – 4 StR 134/05; Urteil vom 10. Januar 2013 – 3 StR 330/12.
BGH Beschluss vom 4. Dezember 2013 – 4 StR 367/13.
BGH Beschluss vom 23. Juni 2020 – 5 StR 164/20; s. BGBl. I 1998, S. 164, 178.
BGH StraFo 2010, 122.
BGH NStZ-RR 2017, 312.
BVerfGE 86, 288.
BGHSt – GS – 40, 360, 370; Schäfer/Sander/van Gemmeren Rn. 1498a ff.
BGHSt 42, 226, 228 f. m. Anm. Horn JR 1997, 248.
Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit › Kapitel 1. Tötungsdelikte › § 3. Tötung auf Verlangen (§ 216)
§ 3. Tötung auf Verlangen (§ 216)
Inhaltsverzeichnis
B. Tatbestand
C. Täterschaft und Teilnahme, Begehung durch Unterlassen, Versuch, Rechtswidrigkeit sowie Konkurrenzen
A. Grundlagen
1
Bei der Tötung auf Verlangen handelt es sich um eine Privilegierung gegenüber § 212 (vgl. § 1 Rn. 1). Diese findet ihren Grund in dem im Vergleich zum Totschlag durch den Todeswunsch des Opfers geminderten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat.
I. Objektiver Tatbestand
2
Wie der Totschlag verlangt § 216 Abs. 1 die Tötung eines (anderen) Menschen (vgl. § 1 Rn. 5 ff.).
Aufbau- und Vertiefungshinweis:
Für die Frage, ob die Prüfung zunächst mit § 212 oder sofort mit § 216 begonnen werden sollte, gelten die Aufbauhinweise zu den §§ 211, 212 entsprechend (vgl. § 1 Rn. 2). – Die wenig hilfreiche Bezeichnung einer Tötung als sog. aktive Sterbehilfe (z.B. Verabreichen einer tödlichen Infusion durch den Arzt) ändert an deren Erfassung als Tathandlung i.S. der §§ 211 ff. nichts. Ob ein Behandlungsabbruch, etwa durch Abschalten eines lebenserhaltenden Geräts, ebenfalls als Tun zu beurteilen ist oder ggf. den Grundsätzen zum Unterlassen (vgl. § 1 Rn. 11) unterliegt, ist Tat- und Wertungsfrage (zur sog. Patientenverfügung vgl. Rn. 14).[1]
3
Der Tötung muss eine (qualifizierte) Anstiftung des Täters durch den Getöteten vorausgegangen sein. Dieser muss den Täter durch sein ausdrückliches und ernstliches Verlangen zur Tat bestimmt haben.
4
Für ein derartiges Verlangen ist – nicht zuletzt angesichts des Rechtsguts Leben – mehr als eine Einwilligung oder gar ein bloßes Erdulden der Tötung erforderlich.[2] Deshalb ist es bedenklich, dass die h.M. es auch dann bejahen will, wenn die Initiative zur Tötung zunächst nicht vom Opfer selbst ausgegangen ist.[3] Diese Auffassung lässt zuviel Raum für unerträgliche „Tötungsanregungen“ an nicht mehr „erwünschte“ Menschen und wird damit dem Zweck des § 216, die Unantastbarkeit fremden Lebens zu gewährleisten,[4] nicht gerecht.
5
Der Tod muss vom Opfer ausdrücklich verlangt werden. Dies muss eindeutig und unmissverständlich geschehen. Worte sind dafür nicht unbedingt notwendig. Je nach Konstellation können etwa auch Gesten, Gebärden o.ä. genügen, sofern sie den Todeswunsch zweifelsfrei erkennen lassen (zur Patientenverfügung vgl. Rn. 2 und 14).[5] Dagegen darf auf das Verlangen des Opfers nicht allein aus den Umständen geschlossen werden.
Beispiel:
Der schwerkranke B ist allein, mittellos und depressiv. Deshalb schließt A auf dessen Wunsch, nicht länger zu leben, und tötet den B.
6
Das Todesverlangen muss zudem ernstlich sein, also auf einer freien Willensbildung eines Einsichts- und Urteilsfähigen beruhen (vgl. § 1 Rn. 21). Dieser muss in der Lage sein, die Bedeutung und Tragweite seines Entschlusses zu überblicken und abzuwägen, und darf nicht etwa nur aus einer depressiven Augenblicksstimmung heraus entscheiden.[6] Sein Verlangen ist insbesondere wirkungslos, wenn es durch Täuschung herbeigeführt worden ist.
Beispiel:
A möchte seine Freundin B ohne große Gegenwehr umbringen. Er spielt ihr daher vor, selbst aus dem Leben scheiden zu wollen. B glaubt ihm. Da sie ohne A ebenfalls nicht mehr leben möchte, schlägt sie ihm – wie von A erhofft – vor, er solle erst sie und dann sich selbst töten. A kommt nur dem ersten Teil des Vorschlags nach.
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