Dabei lassen sich Tatbestands- und Rechtsfolgenseite einer Rechtsnorm freilich nicht stets leicht unterscheiden (z.B. „Schaden“ in § 823 Abs. 1 BGB) und kann diese zusätzlich zu den ausdrücklich in ihr genannten Voraussetzungen noch weitere ungeschriebene[29] (z.B. die haftungsbegründende Kausalität in § 823 Abs. 1 BGB) und/oder sich erst aus anderen Vorschriften ergebende Tatbestandsmerkmale aufweisen.[30] In einem solchen Fall ist der Tatbestand des betreffenden Rechtssatzes (sog. „Grund-“ bzw. „Kerntatbestand“) also unvollständig und bedarf der Komplettierung durch andere sog. „Ergänzungsnormen“ (so folgt z.B. erst aus § 15 StGB, dass nach § 303 Abs. 1 StGB nur die vorsätzliche Sachbeschädigung strafbar ist).[31] Diese für den Rechtsanwender scheinbar komplizierte Gesetzgebungstechnik („Baukastenprinzip“[32]) hat den Vorteil einer Systematisierung der Rechtsordnung und die Vermeidung von Wiederholungen für sich (z.B. „vor-die-Klammer-ziehen“ allgemeiner Bestimmungen im „Allgemeinen Teil“ eines Gesetzes wie etwa dem BGB).[33] Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Arten von Rechtsnormen (Rn. 94, 98, 100 ff.) dient der Ordnung dieses Gefüges.[34]
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Inhaltlich sind Tatbestandsmerkmale nicht darauf beschränkt, diejenigen Voraussetzungen zu benennen, die „positiv“ erfüllt sein müssen (z.B. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB: Vorliegen eines „Kaufvertrags“), damit eine bestimmte Rechtsfolge eintritt (z.B. Pflicht des Verkäufers zur Übergabe und Eigentumsverschaffung). Vielmehr gibt es auch sog. „negative“ Tatbestandsmerkmale, die verlangen, dass ein bestimmter Umstand gerade nicht vorliegt (z.B. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB: „ohne rechtlichen Grund“).[35]
Miteinander verknüpft sein können die regelmäßig mehreren (positiven/negativen) Merkmale eines Tatbestands zum einen kumulativ („und“; z.B. Art. 8 Abs. 1 GG: „friedlich und ohne Waffen“); dann tritt die Rechtsfolge der betreffenden Vorschrift nur ein, wenn im konkreten Fall alle Tatbestandsmerkmale gleichzeitig erfüllt sind bzw. führt bereits das Nichtvorliegen auch nur eines Tatbestandsmerkmals dazu, dass die Rechtsfolge der betreffenden Rechtsnorm nicht eingreift. Zum anderen gibt es aber ebenfalls solche Tatbestandsmerkmale, die zueinander im Verhältnis der Alternativität stehen („oder“; z.B. § 223 Abs. 1 StGB: „körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt“). Insofern reicht es für den Eintritt der jeweiligen Rechtsfolge aus, wenn nur eines von ihnen erfüllt ist. Ein Beispiel für eine Kombination von „Und-“ mit „Oder-Verknüpfungen“ von Tatbestandsmerkmalen findet sich in § 39 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG, wonach es einer Begründung eines Verwaltungsakts nicht bedarf, „soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift.“[36]
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Beispiel[37]
Im „Restaurant-Fall“ (Rn. 2) hat I dann gem. § 823 Abs. 1 BGB einen Anspruch gegen A auf Zahlung von 500 € (= Rechtsfolge), wenn die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen (= Tatbestandsmerkmale) erfüllt sind.
§ 823 Abs. 1 BGB lautet: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Um zu ermitteln, ob die von A („wer“) umgestoßene Designerlampe im „Eigentum“ des I („eines anderen“) stand, was der (Grund-)Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB voraussetzt, sind hier die §§ 929 ff. BGB heranzuziehen, welche insoweit als Hilfsnormen (Rn. 100 ff.) fungieren. Entsprechendes gilt hinsichtlich der weiteren Merkmale „widerrechtlich“ (siehe z.B. §§ 227 ff., 904 BGB) und „fahrlässig“ (siehe § 276 Abs. 2 BGB) sowie schließlich auch bzgl. der Rechtsfolge „Schadensersatz“ (siehe §§ 249 ff. BGB).
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Diese je nach der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung von unterschiedlichem Präzisionsgrad gekennzeichneten – (nach Zahl, Maß oder Gewicht) bestimmten (z.B. § 56 BGB: „sieben“) oder unbestimmten (z.B. § 14 Abs. 1 OBG NRW: „öffentliche […] Ordnung“) – Tatbestandsmerkmale[38] lassen sich ihrer Art nach wie folgt unterscheiden:[39]
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• | Zum Teil knüpft der Tatbestand einer Rechtsnorm an einen sinnlich wahrnehmbaren oder erfahrbaren (objektiven) Umstand an, sog. äußere Tatsache (z.B. § 823 Abs. 1 BGB: „Körper“); |
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• | demgegenüber gehören innere (subjektive) Tatsachen dem psychisch-seelischen Bereich des Handelnden an (z.B. § 15 StGB: „vorsätzliches Handeln“); |
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• | deskriptive Tatbestandsmerkmale beschreiben Gegenstände, Eigenschaften sowie Zustände aus der Lebenswirklichkeit und können daher i.d.R. ohne Weiteres angewendet werden (z.B. Art. 38 Abs. 2 GG: „achtzehntes Lebensjahr“; § 823 Abs. 1 BGB: „Körper“); |
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• | normative Tatbestandsmerkmale zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass ihr Vorliegen nicht unmittelbar sinnlich wahrnehmbar ist und sich ihr Bedeutungsgehalt erst aus einer rechtlichen Wertung erschließt (z.B. Art. 5 Abs. 3 GG: „Kunst“; § 823 Abs. 1 BGB: „Eigentum“), für die der Gesetzgeber nicht immer nähere Vorgaben macht (so aber z.B. §§ 929 ff. BGB betreffend die Frage, ob jemand „Eigentümer“ einer beweglichen Sache ist).[40] |
2. Teil Handhabung des Gesetzes › A. Struktur von Rechtsnormen › II. Rechtsfolge
II. Rechtsfolge
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Ebenso wie auf der Tatbestandsseite der Fall, wo zum Teil sämtliche Bedingungen für den Eintritt der betreffenden Rechtsfolge vollständig in einer Rechtsnorm benannt werden, diese mitunter aber auch noch aus anderen Vorschriften folgen,[41] sind diese ebenfalls auf ihrer Rechtsfolgenseite nur teilweise i.d.S. vollständig (leges perfecta), dass sich aus ihnen unmittelbar die Antwort auf die jeweilige Fallfrage ergibt (z.B. Anspruchsgrundlagen wie § 433 Abs. 1 BGB, Straftatbestände wie § 212 Abs. 1 StGB und Ermächtigungsgrundlagen wie § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG).[42] Innerhalb der Gruppe dieser sog. Antwortnormen lässt sich weiter differenzieren zwischen einerseits Verhaltens- bzw. Primärnormen, aus denen sich selbstständige Rechte und Pflichten ergeben (z.B. Leistungspflicht, vgl. § 241