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Einzelne Teile des (alten) BörsG, wie etwa die Regelung der Finanztermingeschäfte (§§ 37e ff WpHG aF, jetzt: §§ 99 f WpHG) und das Verbot der Marktmanipulation wurden in das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) verlagert. Letzteres ist nunmehr überwiegend in der MAR geregelt. Auch durch das FRUG von 2007[2] fand eine „Ausdünnung“ des BörsG statt, indem die Zulassungsfolgepflichten des Emittenten überwiegend in das WpHG transferiert (und erweitert) wurden. Zudem ist inzwischen die ursprünglich im BörsG angesiedelte Prospekthaftung in das WpPG (§§ 9 ff WpPG) integriert. Insofern wird das BörsG inzwischen teilweise auch als „Rumpfgesetz“ bezeichnet[3].
Anmerkungen
Die börsenmäßig organisierten Märkte dienen in Deutschland dem Handel mit bereits emittierten Kapitalmarkttiteln. Die Börsenmärkte werden deshalb auch als Sekundärmärkte bezeichnet. Dagegen wird bei der (Erst-)Platzierung der emittierten Kapitalmarkttitel, die den Emittenten die benötigten Finanzierungsmittel verschaffen sollen, von Primärmarkt gesprochen. Vgl Rn 59 f.
Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission, BR-Drucks. 247/07 vom 20. April 2007.
Vgl Baums/Hopt, FS Rudolph, 2009, S. 537, 547; Hammen, ZBB 2016, 398, 402.
Teil II Marktorganisation und Marktzugang › § 3 Die Börse und andere Handelssegmente
§ 3 Die Börse und andere Handelssegmente
Inhaltsverzeichnis
II. Organisation und Rechtsnatur der Börse
V. Delisting (Widerruf der Zulassung)
Ausgewählte Literatur:
Bialluch, Systematische Internalisierung de lege lata, WM 2015, 2030; Bredt, Das Börsenrecht als Ausgleichsinstrument zwischen öffentlichem Auftrag, Trägerinteresse und Anforderungen der internationalen Finanzmärkte, WM 2013, 1839; Güllner, MiFID II: Die neue Handelsplatzarchitektur in der EU, WM 2017, 938; Hoops, Bedeutung des organisierten Handelssystems in der gegenwärtigen Marktinfrastruktur, RdF 2017, 14; ders., Das neue Regime für die systematische Internalisierung nach MiFID II: Auswirkungen auf den deutschen Zertifikatehandel, WM 2017, 319; Hugger/Pasewaldt, Sanktionsverfahren der Börsen und Einstellungsmöglichkeiten nach dem Opportunitätsprinzip, WM 2016, 726; Koch/Harnos, Die Neuregelung des Delisting zwischen Anleger- und Aktionärsschutz, NZG 2015, 729; Kocher/Seitz, Das neue Delisting nach § 39 Abs. 2–6 BörsG, DB 2016, 153 ff; Kümpel, Zur öffentlichrechtlichen Organisation der deutschen Wertpapierbörsen, BKR 2003, 3; Lepczyk, Schwerpunktbereich – Einführung in das Börsenrecht, JuS 2007, 985; Linnerz/Freyling, Delisting im Freiverkehr – Sanktionsregime und Pflichtenprogramm, BB 2017, 1354; Schelling, Die systematische Internalisierung in Nichteigenkapitalinstrumenten nach MiFID II und MiFIR, BKR 2015, 221; Steuer, Rechtliche Grundlagen des modernen Aktienhandels, JuS 2018, 415; Wackerbarth, Das neue Delisting-Angebot nach § 39 BörsG oder: Hat der Gesetzgeber hier wirklich gut nachgedacht?, WM 2016, 385; Weidlich/Dietz/Cammerer, Nach der Neuregulierung des Open Market der Deutschen Börse: Notierungsmöglichkeiten für Unternehmen, GWR 2013, 39; Weitnauer, Das neue Börsensegment „Scale“ der Deutschen Börse AG: Neue Finanzierungs- und Exit-Möglichkeiten für KMUs?, GWR 2017, 235; Wieneke/Schulz, Durchführung eines Delistings, AG 2016, 809; Zimmer/v. Imhoff, Die Neuregelung des Delisting in § 39 BörsG, NZG 2016, 1056.
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Fall 1:
Die X-AG notiert im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse. Seit einigen Jahren sind die Gewinne des Unternehmens rückläufig und geraten in die Verlustzone. Dementsprechend ist der Börsenpreis erheblich gefallen. Der Vorstand V der X-AG möchte daher den Widerruf der Börsenzulassung beantragen. Kann V eine solche Beantragung ohne Weiteres vornehmen oder ist zunächst die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen? Rn 192
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Die Errichtung einer Börse bedarf der staatlichen Erlaubnis (§ 4 Abs. 1 BörsG), die dem Träger der Börse von der zuständigen obersten Landesbehörde als Börsenaufsichtsbehörde erteilt wird (§ 4 Abs. 1, 6 BörsG)[1]. Wird eine Börse ohne diese errichtet, kann sie nach den Ordnungsgesetzen der Länder aufgehoben werden (Verstoß gegen die öffentliche Ordnung). Zu den wichtigsten Börsen in Deutschland zählen die Börsen in Frankfurt a.M., Düsseldorf[2], Hamburg-Hannover, München, Stuttgart, Berlin und Tradegate Exchange Berlin. Hinzu kommen die Terminbörse European Exchange (Eurex) in Eschborn und die Energiebörse European Energy Exchange (EEX) in Leipzig.
I. Begriff der Börse
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In § 2 Abs. 1 BörsG findet sich eine Definition des Börsenbegriffs. Danach sind Börsen teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, die multilaterale Systeme regeln und überwachen, welche die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Wirtschaftsgütern und Rechten nach nichtdiskretionären (vormals: nach festgelegten) Bestimmungen in einer Weise zusammenbringen, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Handelsobjekte führt. Jedenfalls muss das Zusammenbringen gefördert werden. Voraussetzung ist, dass das der Zusammenführung von Kauf- und Verkaufsinteressen zugrunde liegende Regelwerk verbindlich ist und nicht individuell abbedungen werden kann („nichtdiskretionäre Bestimmungen“)[3]. Das ist an den Börsen mit den in Selbstverwaltung erlassenen Satzungen der Fall.
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Speziell geregelt ist, was unter einer Wertpapierbörse (§ 2 Abs. 2 BörsG) bzw unter einer Warenbörse (§ 2 Abs. 3 BörsG) zu verstehen ist. Werden sowohl Wertpapiere als auch Waren gehandelt, sind sowohl die sich auf Wertpapier- als auch die sich auf Warenbörsen beziehenden Regelungen anzuwenden (§ 2 Abs. 4 BörsG).
II. Organisation und Rechtsnatur der Börse
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