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Der Begriff „organisierter Markt“ wird dagegen im KAGB etwas anders umschrieben, da dieses Gesetz auf andere EU-Richtlinien zurückzuführen ist als das WpHG[7]. In § 1 Abs. 19 Nr. 29 KAGB wird unter einem organisierten Markt ein Markt verstanden, der anerkannt, für das Publikum offen und dessen Funktionsweise ordnungsgemäß ist, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Als Merkmal eines organisierten Markts gilt die Reglementierung durch eine staatlich anerkannte Stelle, eine zeitliche und örtliche Konzentration des Handels, standardisierte Handelsobjekte, vereinfachte Rechtsübertragungsformen, strenge Preisermittlungsmethode, Sicherung der Vertragserfüllung, Haftungsbeschränkung des Titelinhabers sowie Publizität.
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Fand der Börsenhandel ursprünglich ausschließlich als Parkett- oder Präsenzhandel statt, änderte sich dies mit der 1991 erfolgten Einführung des elektronischen Handels im IBIS-System an der Frankfurter Börse, das inzwischen durch das Computerhandelssystem Xetra (Exchange Electronic Trading) ersetzt wurde[8]. Der Handel findet hier an einem Zentralcomputer durch automatische Geschäftsabschlüsse statt. Ein Börsengeschäft kommt zustande, wenn nach Abschluss der Systemprüfung übereinstimmende Willenserklärungen zusammengeführt wurden, dh es werden verbindliche Angebote eingegeben, und der Computer führt deckungsgleiche Angebote zum Vertragsschluss zusammen (Matching). Der Börsenhandel geschieht über sog. Skontroführer, seit Mai 2011 an der Börse in Frankfurt über sog. Designated Sponsors, welche die Rolle der Skontroführer übernehmen[9].
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Zwischen den Marktsegmenten regulierter Markt und Freiverkehr bzw Open Market besteht keine räumliche Abgrenzung. Der Handel erfolgt häufig in demselben Börsensaal oder elektronischen Handelssystem. Organisationsrechtlich lassen sie sich durch die Zulassung bzw Einbeziehung in das jeweilige Marktsegment abgrenzen[10]. Im Interesse einer marktgerechten Preisfeststellung besteht ein Verbot der Doppelnotierung[11].
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Von den hoch organisierten börslichen Märkten bis hin zum grauen Kapitalmarkt fand sich lange eine Abstufung hinsichtlich des Organisationsgrads. Diese wurde insbesondere durch das Vermögensanlagengesetz von 2012 und das Kapitalanlagegesetzbuch von 2013 extrem verringert. Den höchsten Organisationsgrad weisen nach wie vor die Wertpapierbörsen als staatlich genehmigte Handelsplätze für den Handel in Wertpapieren auf. Ein Börsenhandel von Wertpapieren kann nur erfolgen, wenn sie zum Börsenhandel zugelassen sind. Für die Zulassung zum regulierten Markt bestehen strenge Anforderungen (§§ 32 ff BörsG). Nach § 42 BörsG kann die jeweilige Börsenordnung ergänzende Voraussetzungen vorsehen. Die Einbeziehung eines Wertpapiers in den Freiverkehr erfordert dagegen die Erfüllung geringerer Vorgaben (§ 48 BörsG).
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Der regulierte Markt ist öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Die Voraussetzungen für die Zulassung sowie die Zulassungsfolgepflichten ergeben sich aus den öffentlich-rechtlichen Regelungen (BörsG, BörsZulV, Börsenordnungen der Börsen, WpHG). Die Zulassung erfolgt im Wege eines Verwaltungsakts. Für den Freiverkehr sind dagegen privatrechtliche Freiverkehrsrichtlinien maßgeblich. Eine Einbeziehung der Wertpapiere in den Freiverkehr erfolgt auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrags.
II. Abgrenzung zu anderen Teilen des Finanzmarkts
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Der Kapitalmarkt stellt neben den Geld-, Devisen- und Derivatemärkten einen wichtigen Teil des Finanzmarkts dar. Unter dem Begriff „Finanzmarkt“ versteht man allgemein jeden Markt, an dem Angebot und Nachfrage nach Geld oder geldwerten Titeln zusammenkommen. Eine Abgrenzung des Kapitalmarkts von diesen anderen Märkten ist insofern schwierig, als sich die Märkte teilweise überlappen.
1. Geldmarkt
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Der Geldmarkt ist auf wenige finanzstarke Teilnehmer und solche mit sehr guter Bonität, dh im Wesentlichen auf Kreditinstitute und die Bundesbank, begrenzt. Teilweise erstreckt er sich auch auf große Wirtschaftsunternehmen. Er dient dem Liquiditätsausgleich zwischen den Marktteilnehmern. Die genannten Marktteilnehmer handeln untereinander in Euro-Guthaben, die sie auf ihren Girokonten bei der Bundesbank haben (§ 19 Nr. 2 BBankG). Nicht nur der Handel in Zentralbank-Guthaben, sondern auch der Handel mit Geldmarkttiteln gehört zum Geldmarkt. Diese sind aufgrund ihrer kurzen Laufzeit für den Kapitalmarkt ungeeignet[12].
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Häufig wird der Kapitalmarkt vom Geldmarkt dadurch abgegrenzt, dass er als der Markt für mittel- und langfristige Kredite und für die Beteiligung an Gesellschaften verstanden wird, der Geldmarkt dagegen als Markt für kurzfristige Kredite[13]. Allerdings ist diese Abgrenzung insofern nicht hilfreich, als auch langfristige Anlagen mit kurzfristigen Zinsanpassungen zum Geldmarkt gerechnet werden (Floating Rate Notes[14]).
2. Devisenmarkt
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Devisenmärkte sind eine Vielzahl meist telefonischer und fernschriftlicher Kontakte zwischen Devisendisponenten bei Nichtbanken und Devisenhändlern bei Kreditinstituten sowie zwischen den Devisenhändlern der Kreditinstitute untereinander. Der Devisenmarkt ist damit grds ein Interbankenmarkt. Mit einem Tagesumsatz von mehr als 5 Billionen Dollar ist der Devisenhandel das größte Segment des internationalen Finanzmarkts[15]. In manchen Ländern existieren Devisenbörsen als institutioneller Rahmen für diese Geschäfte.
Beispiel:
Deutschland hat insgesamt fünf Devisenbörsen (Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Berlin und München).
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Auf dem Devisenmarkt werden Schecks und Wechsel, die auf fremde Währungen lauten, bzw Fremdwährungsguthaben bei einer ausländischen Bank gehandelt[16]. Erforderlich sind Devisen stets dann, wenn grenzüberschreitender Handel getrieben wird, dh Rechnungen in ausländischer Währung bezahlt werden müssen. Der Wechsel der Währung erfolgt über Kreditinstitute, die sich die benötigten Devisen am Devisenmarkt beschaffen.
3. Termin- und Derivatemärkte
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Der Terminmarkt ist ein Bestandteil des Kapitalmarkts. Der Terminhandel ist vom börsenmäßig organisierten Kassahandel (Anschaffung und Veräußerung von Aktien und Schuldverschreibungen) zu unterscheiden. In der Praxis besteht aber eine enge Wechselbeziehung[17]. Am Terminmarkt geht es um Geschäfte, deren Erfüllung erst zu einem zukünftigen Zeitpunkt erfolgt[18]. Dagegen müssen die Kassageschäfte des Kapitalmarkts nach den vereinheitlichten Bedingungen für Geschäfte an den deutschen Wertpapierbörsen (Börsenusancen) innerhalb von zwei Börsenarbeitstagen erfüllt werden. Zweck der Termingeschäfte kann entweder sein, Kursgewinne zu erzielen (Terminspekulation) oder sich gegen unerwünschte Kursentwicklungen bzw Kursrisiken am Kassamarkt abzusichern (Hedging).
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Termingeschäfte lassen sich in sog. Futures und sog. Optionen unterteilen. Gemeinsam ist beiden Produkten, dass deren Preis oder Kurs von einem anderen Finanzprodukt, dem sog. Basiswert (underlying), abgeleitet wird. Aufgrund dieser Ableitung werden die Termingeschäfte auch Derivate genannt[19].
→ Definition:
Derivative Geschäfte iS des WpHG sind daher der Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Fest- oder Optionsgeschäfte, die mit zeitlicher Verzögerung zu erfüllen