Leading Case
IGH, Barcelona Traction[1]:
Die Anteile der Barcelona Traction, Light, and Power Ltd., eines Unternehmens kanadischen Rechts mit Tätigkeit in Spanien, wurden zu knapp 90 % von belgischen Bürgern und Unternehmen gehalten. Nach der Beschlagnahmung des Vermögens des Unternehmens durch einen spanischen Insolvenzverwalter machte Belgien diplomatischen Schutz zu Gunsten seiner Bürger geltend und reichte Klage gegen Spanien ein.
Dem IGH stellte sich u.a. die Frage, ob wegen des hohen Anteils belgischer Anteilseigner die Zuordnung des Unternehmens zum kanadischen Recht ausgeschlossen werden könne. Der IGH verneinte dies und führte aus, dass die völkerrechtlichen Grundsätze der Zuordnung der Staatszugehörigkeit von Unternehmen nur begrenzt mit den entsprechenden Regeln für die Staatsangehörigkeit von natürlichen Personen verglichen werden könne. Insbesondere gebe es im Völkerrecht keine absoluten Anforderungen an die „genuine connection“ zwischen Unternehmen und Staat.
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Die Gründungstheorie überwiegt im anglo-amerikanischen Recht; die Sitztheorie gilt in vielen kontinentaleuropäischen Staaten, u.a. in Deutschland. Bei international tätigen Unternehmen kann es zu unterschiedlichen Zuordnungen kommen, z.B., wenn eine nach US-amerikanischem Recht gegründete Gesellschaft ihren Hauptsitz in Deutschland hat. Welches Recht dann Anwendung findet, entscheidet das jeweilige internationale Gesellschaftsrecht (Kollisionsrecht). Da in Deutschland die Sitztheorie vorherrscht, könnte deutsches Recht anwendbar sein. Dies könnte zur Folge haben, dass das Unternehmen nach deutschem Recht neu gegründet werden müsste.[2] Um derartige praktisch unerwünschte Folgen zu vermeiden, können die Staaten völkerrechtlich vereinbaren, dass sie das Gesellschaftsstatut einer Auslandsgesellschaft gegenseitig anerkennen.[3]
Anmerkungen
IGH, Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (New Application: 1962) (Belgium v. Spain), Urteil vom 5.2.1970, ICJ Reports 1970, 3. Siehe auch Dörr, Kompendium völkerrechtlicher Rechtsprechung, 2. Aufl., 2014, Fall 21.
Vgl. dazu den Sachverhalt in EuGH, Rs. C-208/00, Überseering, Slg. 2002, I-9919.
Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 12. Aufl., 2020, § 16, Rn. 2 ff.
Teil 1 Grundlagen › II. Völkerrechtliche Grundlagen des Wirtschaftsvölkerrechts › 4. Innerstaatliche Geltung und Wirkung des Völkerrechts
4. Innerstaatliche Geltung und Wirkung des Völkerrechts
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Völkerrecht gilt grundsätzlich nur zwischen den Subjekten des Völkerrechts. Zahlreiche völkerrechtliche Normen beziehen sich jedoch auf das Verhalten von Staaten gegenüber Individuen (z.B. im Wirtschaftsvölkerrecht) oder auf das Verhalten von Individuen untereinander (z.B. im materiellen Einheitsrecht). Damit diese Normen in einer innerstaatlichen Rechtsordnung beachtliches Recht werden (innerstaatliche Geltung), müssen sie in das nationale Recht umgesetzt werden.[1] Das Völkerrecht verlangt nur, dass derartige Normen umgesetzt werden, lässt den Staaten aber die Freiheit, wie sie dies tun.
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Das „Wie“ der Umsetzung von Völkerrecht in innerstaatliches Recht bemisst sich regelmäßig nach nationalem Verfassungsrecht. In der Staatenpraxis haben sich im Wesentlichen drei Methoden herausgebildet.
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– | Adoption Sämtliche völkerrechtliche Verpflichtungen des Staats werden ipso iure, d.h. ohne einen weiteren innerstaatlichen Rechtsakt, Bestandteil des nationalen Rechtes. Die Norm verliert auf diese Weise ihren völkerrechtlichen Charakter nicht. Völkerrecht gilt somit als Völkerrecht in der innerstaatlichen Rechtsordnung. |
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– | Transformation Zur innerstaatlichen Geltung einer völkerrechtlichen Norm muss diese durch einen konkreten Umsetzungsakt in nationales Recht umgewandelt werden. Typischerweise geschieht dies durch den Erlass eines dem Völkerrecht entsprechenden Gesetzes. Dadurch verliert die Norm ihren Charakter als Völkerrecht. |
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– | Vollzug Ein Mittelweg zwischen Adoption und Transformation besteht darin, dass eine (konkrete oder allgemeine) Norm des nationalen Rechts das Völkerrecht in der innerstaatlichen Rechtsordnung für anwendbar erklärt. Das Völkerrecht verliert somit nicht seinen Charakter als Völkerrecht, gilt aber – anders als bei der Adoption – nicht ipso iure, sondern bedarf eines Rechtsanwendungsbefehls in der nationalen Rechtsordnung. |
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Für die Einbeziehung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik in das innerstaatliche Recht ist zwischen den allgemeinen Regeln des Völkerrechts auf der einen Seite und völkerrechtlichen Verträgen auf der anderen Seite zu unterscheiden.
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Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts werden nach Art. 25 GG in die innerstaatliche Rechtsordnung einbezogen. Danach sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen im Rang den einfachen Bundesgesetzen vor. Unter den allgemeinen Regeln des Völkerrechts werden das universelle Gewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze verstanden. Die h.A. geht davon aus, dass diese Normen nach Art. 25 GG ohne weiteres Teil des innerstaatlichen Rechts werden. Insoweit kann von einer Adoption gesprochen werden.
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Völkerrechtliche Verträge bedürfen zu ihrer innerstaatlichen Geltung grundsätzlich der Umsetzung durch ein Bundesgesetz in Form des Zustimmungsgesetzes gem. Art. 59 Abs. 2 GG.[2] Nach h.A. wird der Vertrag dadurch nicht in nationales Recht umgewandelt, sondern behält seine völkerrechtliche Qualität. Für völkerrechtliche Verträge wird insofern ein konkreter Vollzugsbefehl erteilt.
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Die Einbeziehung einer völkerrechtlichen Norm in die innerstaatliche Rechtsordnung bedeutet, dass sie als beachtliches Recht gilt und von den Behörden und Gerichten angewandt werden kann. Hiervon ist die Frage, ob sich Individuen vor Gericht unmittelbar auf eine Völkerrechtsnorm berufen können (unmittelbare Anwendbarkeit) strikt zu trennen. Eine solche Berufung ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn die Norm nach ihrem Wortlaut, Sinn und Zweck und nach dem Willen der Vertragsparteien Einzelne berechtigen soll. Ein Vertrag, auf den sich Individuen ohne weiteres unmittelbar berufen können, wird auch