cc) Zwischenergebnis
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Die völkerrechtliche Bewertung der intra-EU BITs ergibt, dass diese nicht gemäß Art. 59 Abs. 1 WVK automatisch in ihrer Gesamtheit beendet worden sind. Demgegenüber führt Art. 30 Abs. 3 WVK lediglich zur Nichtanwendbarkeit einzelner BIT-Vorschriften während der EU-Mitgliedschaft von A, nicht aber zu deren Unwirksamkeit. Vielmehr wären diese Vorschriften nach dem EU-Austritt von A wieder anwendbar.
2. Unionsrechtliche Bewertung der intra-EU BITs
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Aus unionsrechtlicher Sicht ist für die Bewertung von intra-EU-BITSs zunächst zu beachten, dass das Unionsrecht lediglich Anwendungsvorrang, nicht aber Geltungsvorrang vor dem mitgliedstaatlichen Recht hat. Während ein Geltungsvorrang dazu führen würde, dass das Unionsrecht als höherrangiges Recht mitgliedstaatliches Recht als niederrangiges Recht „brechen“ und damit außer Kraft setzen würde, verlangt der Anwendungsvorrang zugunsten des Unionsrechts, dass mitgliedstaatliche Stellen nationales Recht unangewendet lassen, soweit das Unionsrecht diesem entgegensteht.
Die intra-EU BITs von A sind damit infolge der EU-Mitgliedschaft grundsätzlich nicht unwirksam geworden. Vielmehr ist A verpflichtet, die Vorschriften der BITs unangewendet zu lassen, soweit das Unionsrecht diesen entgegensteht. Dies gilt insbesondere für etwaige Schiedsklauseln, die nach der Achmea-Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht mit der Autonomie des unionalen Gerichtssystems gemäß Art. 344 i.V.m. Art. 267 AEUV vereinbar ist (siehe dazu Fall 10, Rn. 626 ff.).[50]
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Hinweis:
Die Prüfung der Vereinbarkeit von BIT-Schiedsklauseln mit Art. 344 und Art. 267 AEUV würde an dieser Stelle zu weit führen. Zudem ist diese Bewertung maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung der Schiedsklausel abhängig. Die Zulässigkeit der Errichtung von Schiedsgerichten aufgrund einer BIT-Schiedsklausel ist vielmehr Gegenstand des Fall 11.
Mangels eines effektiven Streitbeilegungsmechanismus‘ zur Durchsetzung von Rechten könnte man zwar von einer de facto-Unwirksamkeit von intra-EU BITs sprechen. Dies gilt allerdings grundsätzlich nur für die Zeit der EU-Mitgliedschaft von A. Nach dem EU-Austritt besteht der unionsrechtliche Anwendungsvorrang mangels unionsrechtlicher Bindungswirkung nicht mehr, soweit das Austrittsabkommen etwa für eine Übergangszeit nichts anderes regelt.
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Hinweis:
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass die intra-EU BITs gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot gemäß Art. 18 AEUV, nach dem jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist, verstoßen.[51] Eine unionsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung könnte darin liegen, dass Investoren eines bestimmten EU-Mitgliedstaats im Rahmen eines intra-EU BITs bestimmte Vorteile gewährt werden, ohne dass diese auf Investoren aus anderen Mitgliedstaaten ausgeweitet werden. Dies würde einen Verstoß gegen das Meistbegünstigungsprinzip darstellen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Doppelbesteuerungsabkommen zwischen zwei EU-Mitgliedstaaten umfasst Art. 18 AEUV jedoch nicht auch den Meistbegünstigungsgrundsatz.[52] Eine unionsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung durch intra-EU BITs scheidet daher aus. Auch diese Rechtsfrage wird ausführlicher in Fall 11 des Fallbuchs besprochen.
In Anbetracht der Tatsache, dass die intra-EU BITs von A nach dessen Austritt zu extra-EU BITs werden, stellt sich sodann allerdings sodann die Frage nach der Zulässigkeit von extra-EU BITs aus Sicht der Vertragspartei, die EU-Mitgliedstaat verblieben ist (s.u. II.).
Im Ergebnis sind die BITs von A mit dessen EU-Mitgliedschaft de jure nicht unwirksam geworden, sondern unterliegen lediglich dem unionsrechtlichen Anwendungsvorrang, der jedoch mit dem EU-Austritt entfällt.
3. Ergebnis
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Die intra-EU BITs von A sind durch die EU-Mitgliedschaft nicht unwirksam geworden.
II. Auswirkungen des EU-Austritts auf extra-EU BITs von A
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Mit Blick auf die Auswirkungen des EU-Austritt von A auf extra-EU BITs ist wiederum zunächst fraglich, ob die in Rede stehenden BITs bereits durch den Beitritt von A zur Union unwirksam bzw. unanwendbar geworden sind. Extra-EU BITs sind bilaterale Investitionsschutzverträge zwischen einem EU-Mitgliedstaat sowie einem Drittstaat.
1. Verstoß der extra-EU BITs gegen Art. 207 Abs. 1 AEUV
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Möglicherweise wären die extra-EU BITs von A mit Art. 207 Abs. 1 AEUV unvereinbar, soweit diese ausländische Direktinvestitionen betreffen. Dieser Bereich zählt seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 ebenfalls zur gemeinsamen Handelspolitik der EU, die gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV in der ausschließlichen Zuständigkeit der Union liegt. Dies hat gemäß Art. 2 Abs. 1 AEUV zur Folge, dass die Mitgliedstaaten in diesem Bereich nur tätig werden dürfen, wenn sie von der Union dazu ermächtigt werden.
Die extra-EU BITs von A waren damit im Bereich der von Art. 207 Abs. 1 AEUV umfassten ausländischen Direktinvestitionen grundsätzlich nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Der unionsrechtliche Anwendungsvorrang untersagte damit grundsätzlich eine Anwendung der BITs im Bereich der Direktinvestitionen.
Nur im Ausnahmefall blieben die BITs von den Vorschriften der Verträge unberührt, der vorliegt, sofern die BITs als Altvertrag i.S.v. Art. 351 Abs. 1 AEUV einzuordnen sind. Art. 351 Abs. 1 AEUV bezieht sich grundsätzlich lediglich auf solche Übereinkünfte, die vor dem 1. Januar 1958 geschlossen (oder im Falle später beigetretener Mitgliedstaaten vor deren Beitritt) geschlossen worden sind. Anzunehmen ist, dass die BITs von A allerdings regelmäßig erst nach dem besagten Datum geschlossen worden sind. Damit käme lediglich eine analoge Anwendung von Art. 351 Abs. 1 AEUV in Betracht, die für solche Verträge angenommen wird, die in einem Kompetenzbereich geschlossen wurden, für den die Union zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch keine Sachzuständigkeit besaß.[53] Voraussetzung ist zudem, dass die Union nunmehr die Zuständigkeit erhalten hat und die Kompetenzverschiebung bei Vertragsschluss für die Mitgliedstaaten nicht vorhersehbar war.[54] Aus der Entwicklung der gemeinsamen Handelspolitik (GHP) der Union geht hervor, dass spätestens mit der ausdrücklichen Aufnahme des Investitionsschutzes in die GHP mit dem (gescheiterten) Verfassungsvertrag ab 2005 eine Kompetenzverschiebung in diesem Bereich vorhersehbar war. Für BITs, die A seit dieser Zeit mit Drittstaaten geschlossen hat, scheidet eine analoge Anwendung des Art. 351 Abs. 1 AEUV aus (siehe Fall 8, Rn. 544).
2. Übergangsregelung durch die BIT-Übergangs-VO
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Die extra-EU BITs könnten allerdings weiterhin aufrecht erhalten bleiben, soweit die Union die Mitgliedstaaten zu deren Abschluss sekundärrechtlich ausdrücklich und auch rückwirkend ermächtigt hat (vgl. Art. 2 Abs. 1 AEUV). So hat die Union mit der BIT-Übergangs-VO[55] eine Übergangsregelung für extra-EU BITs geschaffen, die eine Aufrechterhaltung der extra-EU BITs bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein BIT zwischen der Union und dem jeweiligen Drittstaat in Kraft tritt, vorsieht, sofern diese gemäß Art. 3 der BIT-Übergangs-VO notifiziert worden sind, und bis ein BIT zwischen der Union und dem jeweiligen Drittstaat in Kraft tritt. Die Möglichkeit der Aufrechterhaltung gilt sowohl für vor als auch für nach dem Vertrag von Lissabon abgeschlossene extra-EU BITs (siehe Fall 8, Rn. 546).