Auch effektive Sicherheitsgewinne durch die neue Körperscanner-Technologie gegenüber den herkömmlichen Metalldetektoren sind letztlich nicht geklärt. Daher lautet ein Kritikpunkt an der Gesetzesinitiative, die Einführung der neuen Sicherheitstechnologie sei weder geeignet noch erforderlich. Der Unverhältnismäßigkeitseinwand wird auch mit der krassen Abweichung zur Kontrolle des in demselben Flugzeug mitgeführten Begleitgepäcks begründet. Während die Fluggäste nunmehr flächendeckend durchleuchtet werden sollen, werden beim Begleitgepäck im Frachtraum – was tatsächlich so vorgesehen ist – unverändert nur stichprobenartige Durchleuchtungen vorgenommen. In der Gesetzesdebatte im Bundestag wird diesem Einwand entgegengehalten, schon wenige Einzelentdeckungserfolge, die über die bisherige Technologie hinausführen, könnten die Eignung und Erforderlichkeit der neuen Technologie begründen.
Von der Fraktion „Die Linke“ wird die Frage an die Autoren der Gesetzesinitiative aufgeworfen, was mit eingescannten Daten passiere. Die Antwort lautet, grundsätzlich würden die Daten sofort gelöscht. Im Falle eines Sicherheitsbefundes, wenn also Gegenstände am Körper entdeckt werden, sei in die Scannertechnologie eine automatische Datenweiterleitung an die zuständigen staatlichen Sicherheitsbehörden integriert. Darüber kommt es im Bundestag zum Streit. Der Vorwurf der Fraktion „Die Linke“ lautet: Ihr sammelt heimlich biometrische Daten. Das sei vom Luftsicherheitsgesetz nicht gedeckt und verfassungswidrig.
Auch die Frage der administrativen Umsetzung der neuen Scannertechnologie bleibt umstritten. Die Autoren der Gesetzesinitiative teilen hierzu mit, die Sache werde wie bei der etablierten Metalldetektoren-Kontrolle und Handgepäckdurchleuchtung ablaufen. Es handele sich um eine Eigensicherung des Flughafenbetreibers, in der Regel also ein privatwirtschaftliches Unternehmen, als Teil seiner unternehmerischen Verantwortlichkeit und seines Hausrechts. Die Sicherheitskontrollen, auch die geplante neue Scannertechnologie, stellten keine Aufgabe staatlicher Sicherheitsbehörden dar. Sie würden durch private Sicherheitsunternehmen im Auftrag des Flughafenbetreibers durchgeführt. Die administrative Umsetzung hierfür bezüglich der Körperscanner sei bereits durch den Entwurf einer neuen Richtlinie des Bundesministers des Innern auf der Grundlage des Luftsicherheitsgesetzes vorbereitet. Danach werde die neue Sicherheitsvariante mit Körperscannern ebenfalls als Form der Eigensicherung durch |19|den jeweiligen Flughafenbetreiber über die zuständige Luftsicherheitsbehörde durchgeführt.
Dieses Konzept stößt auf erhebliche Kritik im Bundestag. Mehrere Abgeordnete vertreten den Standpunkt, die neue Kontrolle mit Körperscannern an Flughäfen sei aufgrund der Eingriffe in Persönlichkeitsrechte und der vorgesehenen hoheitlichen Auswertung und Speicherung gescannter Daten eine hoheitliche Aufgabe, die nur von staatlichen Behörden durchgeführt werden könne. Mit dieser neuen Sicherheitstechnologie seien die verfassungsrechtlichen Privatisierungsgrenzen klar überschritten. Die Autoren der Gesetzesinitiative meinen demgegenüber, einen prinzipiellen Unterschied zur bisherigen Detektorenkontrolle und Handgepäckdurchleuchtung könnten sie bei den Körperscannern nicht erkennen.
Fallfragen:
1 Ist der vorgelegte Gesetzesentwurf zur Änderung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Luftsicherheitsgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar?
2 Wäre eine Verfassungsbeschwerde von Frau F, einer regelmäßig ins Ausland fliegenden Geschäftsfrau, mit dem Antrag, die Verfassungswidrigkeit der geplanten Gesetzesänderung schon vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens festzustellen, zulässig?
Bearbeitungshinweis: Europarechtliche und datenschutzrechtliche Fragen sind nicht zu erörtern
Strukturierung des Sachverhalts
1. Tatsachenstoff
Die geltende Fassung des § 5 Abs. 1 Luftsicherheitsgesetz soll durch einen von 240 Abgeordneten des Bundestags eingebrachten Gesetzentwurf wie folgt geändert werden: „Die Luftsicherheitsbehörde kann Personen, welche die nicht allgemein zugänglichen Bereiche des Flughafens betreten haben oder betreten wollen, durchleuchten oder in sonstiger geeigneter Weise überprüfen.“ Die für die Durchleuchtung vorgesehene Terahertz-Technologie ist unstreitig nicht gesundheitsschädlich. Technisch ist es bislang jedoch nicht gelungen zu verhindern, dass bei der Durchleuchtung detailscharfe Bilder des unbekleideten menschlichen Körpers sichtbar werden. Das Konzept sieht vor, dass von durchleuchteten Personen erhobene Bilddaten bei nicht auffälligem Befund sofort gelöscht werden. Werden dagegen am Körper versteckte Gegenstände entdeckt, werden die Daten automatisch an die zuständigen staatlichen Sicherheitsbehörden weitergeleitet. Im Unterschied zum Begleitgepäck im Frachtraum des Flugzeugs, das unverändert nur stichprobenweise kontrolliert werden soll, ist die Personendurchleuchtung strikt und ausnahmslos vorgesehen. Der Gesetzentwurf enthält ferner Bestimmungen, nach denen sämtliche mit dem Durchleuchtungsvorgang |20|verbundenen Eingriffe in Rechte der Fluggäste kompetenzmäßig auf die privaten Flughafenbetreiber und ihr Personal als Beliehene übertragen werden.
2. Parteivorbringen (Streitgegenstand)
Anlass für den Gesetzentwurf war ein Vorfall im Sicherheitsbereich des Flughafens, bei dem ein Suchhund einer polizeilichen Drogenstaffel einem entgegenkommenden Flugpassagier ins Bein biss und sich bei einer Überprüfung herausstellte, dass dieser Flugpassagier unter seiner Hose eine Bombe aus knetbarem Sprengstoff befestigt hatte. Die den Gesetzentwurf tragenden Abgeordneten meinen, die Sicherheit des Flugverkehrs dürfe nicht von solchen Zufallsfunden abhängen. Eine durchgängige Körperkontrolle aller Passagiere sei unverzichtbar.
Die Gegner des Gesetzentwurfs im Bundestag wenden ein, eine ausnahmslose Durchleuchtung der Kleidung von Passagieren sei entwürdigend, insbesondere gegenüber Frauen und Fluggästen, die aus religiösen Einsichtnahmen Fremder in unbedeckte Körperbereiche strikt ablehnten. Außerdem könne die Durchleuchtungstechnologie nur konsistente Gegenstände erkennen, nicht aber Flüssigkeiten und andere nicht reflektierende Stoffe. Es sei unverhältnismäßig, Flugpassagiere ausnahmslos zu durchleuchten, das in demselben Flugzeug mitgeführte Begleitgepäck aber nur stichprobenartig.
3. Rechtliche Fragestellungen
Der Streitgegenstand verlangt die Prüfung eines Eingriffs in den Schutzbereich der Menschenwürde durchleuchteter Flugpassagiere nach Art. 1 Abs. 1 GG. Dafür ist die in der Rechtsprechung des BVerfGs entwickelte Objektformel heranzuziehen, aus der ein konkreter Eingriffsbefund ermittelt werden muss. Angesichts der zeitlichen Kürze des Durchleuchtungsvorgangs und dem ersichtlich vorrangigen reinen Sicherheitszweck ist ein Eingriff problematisch. Nur dann, wenn ein Eingriff in den Schutzbereich der Menschenwürde bejaht wird, besteht Veranlassung, auf die umstrittene Frage einzugehen, ob jeder Eingriff in den Schutzbereich der Menschenwürde per se verfassungswidrig sei, weil diese uneinschränkbar gewährleistet sei. Das ist nach wie vor die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum zu Art. 1 GG. Nur wenige Autoren halten auch die Menschenwürde für abwägungsoffen.
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