Fälle und Lösungen zum Öffentlichen Recht. Joachim Wolf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Wolf
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783846350522
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Grundrechtsverletzung (Behauptung und Möglichkeit)

      Das von der französischen Fondation Le Corbuisier vertraglich exklusiv erworbene Urheberrecht des italienischen G-Unternehmens an den von Le Corbuisier entworfenen Möbelmustern ist Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG. Eine Grundrechtsverletzung durch das Aufstellen von urheberrechtlich nicht geschützten Möbelexemplaren, die M unter Verletzung von Urheberrechten der G hergestellt und verbreitet hat, ist also möglich. Sie ist auch von G behauptet worden. Insoweit bestehen an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde der G keine Zweifel.

      Ob Z durch Überlassung der urheberrechtswidrig hergestellten Le Corbuisier-Modelle seinerseits eine Urheberrechtsverletzung begangen hat, die in der Folge zu einem staatlichen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG führte, weil der BGH ohne Prüfung eines Umsetzungsspielraums des deutschen Gesetzgebers vorschnell einer EUGH-Entscheidung zur unionsrechtlichen Richtlinie über zur Harmonisierung des Urheberrechts in der Europäischen Union folgte, geht über die Fallfrage hinaus. Die zweite Fallfrage geht nur dahin, ob das BVerfG mit seiner Annahme eines Anwendungsvorrangs des Europäischen Unionsrechts im Bereich der Wirtschaftsgrundrechte und des allgemeinen Diskriminierungsverbots des Art. 18 AEUV gegenüber deutschem Recht seinerseits die einschlägigen Regeln über das Verhältnis zwischen Europäischem Unionsrecht und deutschem Verfassungsrecht verkannt hat. Eben dies behauptet Hillgruber in seiner deutlichen Kritik am Beschluss des BVerfGs.[21]

       Erläuterung zur gutachterlichen Fallbearbeitung

      Wie erwähnt, sind die einschlägigen Fallfragen nicht aus kontroversen Rechtspositionen von Streitparteien hergeleitet, sondern aus abstrakten Rechtsfragen über das Verhältnis von Europäischem Gemeinschaftsrecht und deutschen Grundrechten anlässlich eines einschlägigen Beschlusses des BVerfGs.

      Gutachterlich wären die einschlägigen Rechtsgrundlagen des vom BVerfG angenommenen Anwendungsvorrangs der Art. 26 und 18 AEUV gegenüber deutschem Verfassungsrecht zu prüfen. Einschlägig für diese Prüfung sind die schon erwähnten drei Prüfungsschritte zur Feststellung des Umfangs des jeweiligen Integrationsstands, von dem die Fortgeltung nationalen Rechts abhängt. Dieser Umfang hängt abstrakt vom Inhalt der zugrundeliegenden harmonisierenden unionsrechtlichen Richtlinien und konkret von der effektiven Anpassung mitliedstaatlichen Rechts an diese Harmonisierungsvorgaben ab.

      Die Problematik der zweiten Fallfrage rührt daher, dass das BVerfG dem von der geltenden Rechtslage her vorgezeichneten Prüfungsweg nicht gefolgt ist. Es hat einen Anwendungsvorrang des Europäischen Gemeinschaftsrechts gegenüber deutschen Grundrechten angenommen, ohne ihn zu begründen. Eben dies wird dem BVerfG in der Kritik Hillgrubers an dem einschlägigen Beschluss vorgeworfen.

      |41|4. Kritik Hillgrubers am BVerfG

      In Übereinstimmung mit dem BVerfG bestimmt Hillgruber den Gegenstand des Rechtsstreits dahin, dass sich das italienische G-Unternehmen auf eine Verletzung deutscher Grundrechte „im Bereich des unionsrechtlich nicht vollständig determinierten“ Urheberrechts beruft. Das BVerfG hatte dies in die Worte gefasst, dass der BGH durch die Annahme, das Recht der Europäischen Union lasse im Bereich des Urheberrechts keinen Umsetzungsspielraum zu, Bedeutung und Tragweite der Grundrechte des Grundgesetzes verkannt habe.

      Hillgruber hält dem BVerfG entgegen, dass es sich nicht näher mit der Rechtsposition und Argumentation des EuGH in dem für den Fall einschlägigen urheberrechtlichen Vorabentscheidungsverfahren auseinandersetzt habe. Beide Gerichte – der EuGH wie das BVerfG – hätten den Fehler gemacht, den Anwendungsbereich der Verträge des Europäischen Unionsrechts abstrakt statt konkret zu bestimmen. Für das BVerfG wie für den EuGH sei der Anwendungsbereich des Unionsrechts schon deshalb eröffnet, weil „unionsrechtlich (teil)harmonisiertes Urheberrecht“ in Rede stehe. Das sei deswegen eine unzulässige „abstrakte“ Argumentation, weil der Anwendungsbereich der Verträge damit schon auf die sekundärrechtlichen Harmonisierungsverpflichtungen der Mitgliedstaaten in den einschlägigen Richtlinien gestützt wird, anstatt nach dem „konkreten“ Umfang der im jeweiligen Mitgliedstaat tatsächlich erfolgten Umsetzung der Richtlinie im nationalen Recht zu fragen. Nur dieser letzte Schritt habe einen integrationsrechtlichen Rechtseffekt. Nur er führe zur Ersetzung nicht harmonisierten nationalen Rechts durch nunmehr allgemein und einheitlich in der Europäischen Union geltende Rechtsvorschriften. Es liege auf der Hand, dass nur dieser letzte Harmonisierungsschritt unionsrechtlich in den Anwendungsbereich der Verträge führt, von dem Art. 18 AEUV spricht.

      Der Kritik Hillgrubers an den vom EuGH wie vom BVerfG verkannten Anforderungen an die Umsetzung Europäischen Unionsrechts in nationales Recht ist ohne Einschränkung zu folgen. Was das Verhältnis von Europäischem Unionsrecht und nationalen Grundrechten betrifft, wofür dieser Fall steht: Hier geht es um die Basics.

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