III. Krise
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Befragt man Geschäftsführer und Vorstände von insolventen Unternehmen, so erhält man oftmals die Aussage, dass die Insolvenz „schlagartig“ eingetreten sei. Tatsächlich kündigen sich Insolvenzen allerdings an. Regelmäßig lässt sich die Abfolge bestimmter Phasen unterschiedlicher Krisenformen beobachten, bevor die Illiquidität eintritt.54
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Neben dem IDW Standard: Anforderungen an Insolvenzpläne (IDW S 2) in der Fassung vom 18.11.201955 ist insbesondere der IDW Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6 n.F.) in der Fassung vom 16.5.2018,56 der aus der Praxis entstanden ist und dem die Literatur weitgehend folgt, zu beachten, der sechs Krisenstadien unterscheidet:
1. Stakeholderkrise
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Unter dem Begriff der „Stakeholderkrise“ wird eine durch schwindendes Vertrauen und sinkende Kooperationsbereitschaft gekennzeichnete Krise auf der Ebene der Stakeholder verstanden, die oft durch Konflikte zwischen diesen Gruppen und ihren Mitgliedern entstehen. Als Stakeholder werden insbesondere Mitglieder der Unternehmensleitung und der Überwachungsorgane, Gesellschafter, Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, Banken und andere Gläubiger verstanden.57 Kennzeichnend für die Stakeholderkrise ist der schleichende Eintritt der Konsequenzen.58
2. Strategiekrise
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Infolge der Stakeholderkrise tritt häufig eine Strategiekrise ein. Die Folgen sind unangemessene oder ineffektive Innovationen und Investitionen.59
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Der Verlust von Marktanteilen, der wiederum einen Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit indiziert, ist häufig infolge der Strategiekrise zu erkennen. Mögliche Ursachen liegen in einer unklaren oder fehlenden strategischen Ausrichtung oder in nachhaltigen Fehleinschätzungen der Wettbewerbssituation oder Marktentwicklung.60
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Die Strategiekrise ist aufgrund ihres Charakters langfristig angelegt. Sie berührt regelmäßig die Grundlagen des Unternehmens und ist nur schwer zu korrigieren.61
3. Produkt- und Absatzkrise
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Eine Produkt- und Absatzkrise kann sich infolge einer Strategiekrise entwickeln. Wenn die Nachfrage nach den Hauptumsatz- und Erfolgsträgern nicht nur vorübergehend zurückgeht, liegt eine Produkt- und Absatzkrise vor, in deren Folge die Vorratsbestände ansteigen und die Kapitalbindung zunimmt.62
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Die Gründe einer Produkt- und Absatzkrise liegen qualitativ in nicht ausreichenden Marketing- oder Vertriebskonzepten, Sortimentsschwächen, Schwächen in der Produkt- und Servicequalität, mangelnder Liefertreue, Fehlern in der Preispolitik sowie einer mangelhaften oder fehlenden Vertriebssteuerung.63
4. Ertrags- oder Erfolgskrise
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Eine Erfolgskrise resultiert aus einer Stakeholder- oder Strategiekrise bzw. einer Produkt- und Absatzkrise, sofern kein wirksames Gegensteuern erfolgt. Zunächst werden die Eigenkapitalkosten nicht mehr verdient, sodann kommt es zu starken Gewinnrückgängen und schließlich zum Verlust bis zum vollständigen Verzehr des Eigenkapitals.64
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Infolge der sinkenden Eigenkapitalquote tritt eine Kreditunwürdigkeit des Unternehmens ein, die dazu führt, dass die zur nachhaltigen Sanierung erforderlichen Mittel sich unter den gegebenen Umständen nicht mehr beschaffen