Die Einstiegsnorm zur eVergabe wurde in § 9 VgV niedergelegt. Dieser wiederholt, dass in der Regel für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren elektronische Mittel (d.h. entsprechende elektronische Geräte oder Programme) zu nutzen sind.101 Insgesamt bildet § 9 VgV den Rahmen für die verpflichtende elektronische Kommunikation.102 Ausgenommen von dieser grundsätzlichen Regel ist die mündliche Kommunikation, die zum einen dokumentiert werden muss und zum anderen keine Vergabeunterlagen (d.h. Vergabeunterlagen, Angebote) betreffen darf.103 Dabei muss der Zugang zu den elektronisch bereitgestellten Unterlagen (d.h. Auftragsbekanntmachung und den Vergabeunterlagen) unbeschränkt möglich sein.104
Nach § 9 VgV darf der öffentliche Auftraggeber zudem von Unternehmen eine eindeutige Bezeichnung sowie eine Registrierung auf freiwilliger Basis verlangen.105
(2) Anforderungen an die verwendeten elektronischen Mittel nach § 10 VgV
Vorrangig setzt § 10 VgV in seinem Abs. 1 die Vorgaben des Anhang IV zur RL 2014/24/EU um.106 Dazu wiederholt dieser den Richtlinientext, indem die zu gewährleistenden Vorgaben (wie: genau zu bestimmende Uhrzeit und Tag des Angebotseingangs, Ausschluss des vorfristigen Zugriffs, Bestimmungen für den erstmaligen Zugriff sowie dazu in Beziehung stehende Berechtigungen, aber auch die Möglichkeit, Verstöße aufdecken zu können) aufgezählt werden.107 Entsprechend § 10 VgV obliegt es allein dem öffentlichen Auftraggeber, für die elektronischen Kommunikationsmittel ein entsprechendes Sicherheitsniveau festzulegen.
Gleichfalls steht der § 10 VgV in Verbindung mit dem ErwG. 57, der wiederum in Wechselwirkung zu Art. 22 Abs. 6 lit. b) RL 2014/24/EU steht.108
Allerdings geht § 10 VgV an dieser Stelle auch weiter als der Richtlinientext, indem § 10 Abs. 2 VgV eine einheitliche Datenaustauschschnittstelle der elektronischen Kommunikationsmittel unter Berücksichtigung geltender Interoperabilitäts- und Sicherheitsstandards fordert. Hierzu verweist § 10 Abs. 2 VgV auf die Interoperabilitäts- und Sicherheitsstandards des IT-Planungsrats.109 Dies wiederum ist als Vorbereitung für die xVergabe – ein Projekt, das eine Standardisierung einer plattformunabhängigen elektronischen Kommunikation anstrebt – gedacht.110 Aufgrund der Vielzahl von Kommunikationslösungen hinsichtlich der eVergabe, die im Regelfall nicht interoperabel sind, bedarf es aus Sicht von Gesetzgeber und Fachliteratur eines Ansatzpunkts für eine kompatible Lösung.111 Ziel der xVergabe ist es, Unternehmen einen einheitlichen Zugang mittels eines XML formulierten Standards zu verschiedenen elektronischen Plattformen zu ermöglichen.112 Allerdings gestaltete sich die Umsetzung der xVergabe seit Jahren schwieriger als gedacht.113
(3) Anforderungen an den Einsatz elektronischer Mittel im Vergabeverfahren nach § 11 VgV
Der nachfolgende § 11 VgV nimmt die Vorgaben des Art. 22 RL 2014/24/EU wieder auf, indem er bestimmt, dass die zu nutzenden elektronischen Mittel allgemein verfügbar, nichtdiskriminierend und mit allgemein verbreiteten Geräten und Programmen der Informations- und Kommunikationstechnologie kompatibel sein müssen,114 aber auch den Zugang von Wirtschaftsteilnehmern zum Vergabeverfahren nicht einschränken dürfen.
Hier wird kurz ein regelungstechnischer Ausflug zum Bereich der Datensicherheit unternommen, der sich auf die eingesetzten elektronischen Mittel bezieht. Nach § 11 Abs. 2 VgV müssen die eingesetzten elektronischen Mittel die Unversehrtheit, die Vertraulichkeit und die Echtheit der Daten gewährleisten.
§ 11 Abs. 3 VGV wiederum wiederholt die Vorgabe des Art. 22 Abs. 6 RL 2014/24/EU bzgl. der Informationspflichten eines öffentlichen Auftraggebers an die öffentlichen Auftragnehmer.
(4) Einsatz alternativer elektronischer Mittel bei der Kommunikation nach § 12 VgV
§ 12 VgV wiederum kommt in der Umsetzung der Verpflichtungen zur Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel den Vorgaben des Art. 22 Abs. 4 und 5 RL 2014/24/EU nach, indem er die dortige Öffnungsklausel bzgl. alternativer elektronischen Lösungen wiederholt.
c) Ausnahme von der verpflichtenden elektronischen Kommunikation
Ausgenommen von der eVergabe sind (wie auch die in den Richtlinientexten vorgesehen) Sachverhalte, die auf spezielle Instrumente oder Vorrichtungen basieren und die nicht allgemein verfügbar sind: z.B. Dateiformate, die nicht allgemein unterstützt werden, bei denen spezielle Bürogeräte benötigt würden sowie bei Vorgängen, die die Einreichung von physischen oder maßstabsgetreuen Modellen verlangen.115
d) Umsetzung außerhalb des europäischen Anwendungsbereichs
Dieser oben genannten zweiten Ebene folgt denklogisch die dritte Ebene nach, die im Einzelnen Vorgaben an die öffentlichen Auftraggeber zur Abwicklung nationaler Verfahren unterhalb des Schwellenwerts enthält. Kurz nach Abschluss der Umsetzung der europäischen Richtlinien 2016 galt im Wesentlichen unterhalb des europäischen Schwellenwerts altes Recht weiter. Die jeweils ersten Teile der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) bzw. der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) – die jeweils zweiten Teile hatten europäische Verfahren geregelt – sollten einstweilen weiter die vertrauten Verfahren regeln. Eine einheitliche Überarbeitung konnte der deutsche Gesetzgeber aufgrund der vielfachen Beteiligung von Verbänden, Ministerien etc. bei den Überarbeitungen nicht realisieren. Außerdem bot diese Lösung den öffentlichen Auftraggebern, die sich in neues Recht einarbeiten mussten, den Vorteil, weiterhin einen Teil ihrer Aufträge in einem bekannten Rechtsumfeld zu vergeben. Im Verlauf der Umsetzung zum neuen Vergaberecht hat der Bundesrat im Rahmen seiner Zustimmung am 18. März 2016 darauf hingewiesen, dass die Strukturen im Vergaberecht anwenderfreundlich im Sinne von einheitlich sein müssen.116 Die einheitliche Ausgestaltung erfolgt letztlich für die klassischen Auftraggeber in Gestalt der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), die dann auch für Verfahren, die nicht unter die europaweite Ausschreibungspflicht fallen, ein anwenderfreundliches Vergaberecht erlässt. Die UVgO wiederum setzt die eVergabe als Nutzungsverpflichtung elektronischer Kommunikation durch § 7 UVgO um. Dieser zeichnet nahezu wortgleich § 9 VgV in seinen ersten drei Absätzen nach und verweist dann der Einfachheit halber mittels § 7 Abs. 4 UVgO auf die §§ 10 bis 12 VgV.
Von der Anforderung der elektronischen Kommunikation bei einem Vergabeverfahren sind im Umkehrschluss von den vorher getroffenen Feststellungen einige interne Arbeitsabläufe des Öffentlichen Auftraggebers und auch die internen Arbeitsabläufe des Bieters betroffen.117
6. Weitere elektronische Kommunikationsverfahren
Neben der Verpflichtung zur Nutzung elektronischer Kommunikation gibt es aber auch weitere Instrumente, die konkret Elemente der modernen Kommunikationsmittel voraussetzen. Dabei handelt es sich um dynamische Beschaffungssysteme (gemäß §§ 22–24 VgV), elektronische Auktionen (gemäß § 25 VgV) sowie elektronische Kataloge (gemäß § 26 VgV).
a) Dynamische Beschaffungssysteme
Die bereits in früheren Vergaberichtlinien eingeführten dynamischen Beschaffungssysteme werden in den ErwG. 63 bis 66 der RL 2014/24/EU nochmal wiederholt.
Offensichtlich ist der europäische Gesetzgeber von der bisherigen Nutzung dieses Instruments nicht begeistert gewesen, da die erste Erwähnung des dynamischen Beschaffungssystems darauf abzielt, eine Vereinfachung zur bisherigen Umsetzung anzustreben. Künftig – so die europäische Vorstellung – soll dieses Instrument einen breiten Wettbewerb in Hinblick auf marktübliche oder gebrauchsfertige Waren sowie allgemein verfügbare Bau- oder Dienstleistungen ermöglichen.118 Zur generellen Überarbeitung des dynamischen Beschaffungssystems zählen dann die Fristsetzungen im ErwG. 64 und eine Aufweichung der strikten Fristvorgaben