Damit bleibt diese Richtlinie – die allerdings auch erstmals den Themenbereich Konzessionsvergabe regelte – hinter den in der RL 2014/24/EU geltenden Anforderungen zurück.
Dagegen hat sich der nationale Gesetzgeber entschieden, eine generelle eVergabe im Rahmen der nationalen Umsetzung in Gestalt der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) einzufügen.82 Hier kommt es zu einer Abweichung zur RL 2014/23/EU. Entgegen der in der Richtlinie zurückhaltend gestalteten Verpflichtung zur Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel wurde in der nationalen Verordnung die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel als Ausfluss der eVergabe im selben Umfang vergleichbar mit der RL 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe sowie der RL 2014/25/EU für Sektorenauftraggeber und deren Vorgaben bei der Vergabe von Aufträgen im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung vorgesehen.83 Hintergrund dieser Überlegung war die Vorstellung des Gesetzgebers, dass mit einheitlichen Vorgaben eine effiziente Abwicklung aller Vergabeverfahren in Betracht kommt.84 D.h. die nationale Umsetzung war vom zusätzlichen Gedanken einer einheitlichen, effizienten Ausrichtung geleitet.85
Dieses Vorgehen steht aber in Übereinstimmung mit den europäischen Richtlinien, da ein Mitgliedstaat auch die zwingende Einführung der elektronischen Kommunikation vorsehen konnte.86
b) Sektorenrichtlinie – RL 2014/25/EU
Sektorenauftraggeber (d.h. öffentliche Auftraggeber im Bereich der Daseins-Vorsorge – Strom, Wasser, Energie) im Sinne der RL 2014/25/EU sowie öffentliche Auftraggeber im Sinne der RL 2014/24/EU unterliegen einer vollumfänglichen Verpflichtung zur eVergabe.
In der Sektorenrichtlinie sind im selben Maßstab wie in der RL 2014/24/EU Vorschriften zur eVergabe enthalten, wobei aufgrund der Binnenstruktur der RL eine andere Nummerierung genutzt wird. So findet sich die Verpflichtung zur elektronischen Kommunikation in Art. 40, die elektronische Auktion in Art. 53 sowie abschließend die elektronischen Kataloge in Art. 54 der Richtlinie.87
5. Nationale Umsetzung der EU-Richtlinien aus 2014
Die nationale deutsche Umsetzung der 2014 erlassenen Richtlinien fand mehrstufig statt. Schon vor diesen Richtlinien wurde die Umsetzung europäischen Rechts in das Vergaberecht durch Kodifizierung in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgenommen. Dabei war das GWB auch Ausgangspunkt der untergesetzlich geltenden Vergabeverordnungen.
a) Anpassungen des GWB
Der 4. Teil des GWB mit den vergaberechtlichen Vorgaben und Bestimmungen steht weiterhin national an erster Stelle,88 während die auf Basis des § 113 GWB erlassenen Vergabeverordnungen die darunterliegende zweite Ebene bilden.89
Relativ früh findet sich in § 97 GWB schon der Verweis auf die nunmehr eingeführte elektronische Kommunikation, da § 97 Abs. 5 GWB bestimmt, dass für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel zu verwenden haben.90 Dabei hat das GWB mit § 113 GWB eine Ermächtigungsgrundlage, wonach Einzelheiten hinsichtlich des Sendens, Empfangens sowie Weiterleitens oder Speicherns von Daten im Rahmen einer Rechtsverordnung geregelt werden können.91 Eine Legaldefinition der eVergabe erfolgt nicht. Allerdings ist ein Rückgriff auf die Definition des Richtlinientextes möglich. Dazu postuliert die Gesetzesbegründung, dass der Umfang der elektronischen Kommunikation die Bekanntmachung und die Vergabeunterlagen (d.h. im Einzelfall die Erstellung und Bekanntmachung) sowie die elektronische Angebotsabgabe und die Vorbereitung des Zuschlags umfasst.92 Dabei beinhaltet zudem § 97 Abs. 5 GWB, dass die elektronischen Kommunikationsmittel allgemein verfügbar, nichtdiskriminierend und mit den allgemein verbreiteten Erzeugnissen der Informations- bzw. Kommunikationstechnologie und Unternehmen kompatibel sein müssen.93
b) Vergabeverordnungen
aa) Einführung
Zur Umsetzung der europäischen Richtlinien hat der deutsche Gesetzgeber auf Basis der vorgenannten Ermächtigung des § 113 GWB vier Vergabeverordnungen erlassen. Dabei handelt es sich um
• die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV);
• die Verordnung über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung – SektVO);
• die Verordnung über die Vergabe von Konzessionen (Konzessionsvergabeverordnung – KonzVgV);
• die Verordnung zur Statistik über die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen (Vergabestatistikverordnung – VergStatVO).
Die Vergabeverordnung für Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) bestand bereits vorher und wurde lediglich in Teilbereichen überarbeitet.
Relevant für die Vergabe öffentlicher Aufträge sind alle Vergabeverordnungen mit Ausnahme der Vergabestatistikverordnung, deren Hauptzweck nichtsdestotrotz nicht unterschätzt werden sollte. Da bislang europaweit keine Angaben darüber vorhanden waren, welche Auftragssummen durch die öffentliche Hand vergeben werden, führte der europäische Gesetzgeber flächendeckend Statistikverpflichtungen ein.
Diese vier Vergabeverordnungen – der zweiten Ebene – geltend für alle Aufträge, die den europäischen Schwellenwert übersteigen, d.h. die rein vom Umfang des Auftrages im gemeinsamen Wirtschaftsraum für Wirtschaftsteilnehmer im gesamten EU-Raum interessant sind. Diese Wertschwelle überschreiten seit dem 1. Januar 2020 u.a. Aufträge für Liefer- und Dienstleistungen eines klassischen öffentlichen Auftraggebers, bei denen der Beschaffungswert mehr als 214.000 Euro zzgl. USt. beträgt.
bb) Ausgestaltung in der VgV
Alle Vergabeverordnungen sind mit den gleichen grundsätzlichen Vorgaben zur elektronischen Kommunikation ausgestattet. Daher genügt bereits die beispielhafte Darstellung einer Verordnung, da das Verfahren für alle Verordnungen ansonsten vergleichbar ist. Allerdings wurde bereits in der europäischen Normierung eine mehrstufige Einführung der verpflichtenden elektronischen Kommunikation vorgesehen.94
Die Umsetzung der eVergabe im nationalen Rahmen sollte mehrstufig unter Berücksichtigung verschiedener Übergangsfristen erfolgen:95
• Mit Umsetzung der nationalen Reform zum 18. April 2016 sind alle Bekanntmachungen in EU-weiten Verfahren zwingend elektronisch vorzunehmen und die Vergabeunterlagen müssen mithilfe elektronischer Mittel abrufbar sein.96
• Seit dem 18. April 2017 sind zentrale Vergabestellen öffentlicher Auftraggeber dazu verpflichtet, das gesamte Vergabeverfahren im vorgeschriebenen gesetzlichen Umfang mithilfe elektronischer Mittel durchzuführen.97
• Letzter Umsetzungstermin für die verbliebenen öffentlichen Auftraggeber, welche noch nicht seit 2017 verpflichtet sind, war der 18. Oktober 2018, nach dem die Verfahrensabwicklung mithilfe elektronischer Mittel nur noch elektronisch zulässig ist.98
Teil der effizienzsteigernden Wirkung der elektronischen Kommunikation ist auch die damit verbundene Fristverkürzung in Vergabeverfahren, welche eine schnellere Abwicklung der streng-formalisierten Vorgaben ermöglichen soll.99 Ergänzend soll die elektronische Kommunikation auch zu einer Vereinfachung der Vergabeverfahren führen.100