– Pauschaler Tausch Anlagen gegen Aktien;
– Auskehrung des Vermögens nach Erhalt der § 5-Genehmigung;
– Abschluss eines Stromlieferungsvertrages mit Laufzeit 20 Jahre mit Braunkohleklausel;
– abgeschlossene Konzessionsverträge ohne Ausstiegsklausel sollten bestehen bleiben; in den übrigen Fällen sollten die EVU den Kommunen die Bestandskraft bestehender Konzessionsverträge mit Öffnungsklausel nicht entgegenhalten, wenn eine Genehmigung nach § 5 erteilt würde.
Sodann sollten sich die Kommunen in ihren Aufsichtsgremien mit dem Verständigungsvorschlag befassen und die Verfassungsbeschwerden bis zum 31.1.1993 zurücknehmen.
Einvernehmen bestand darin, dass für die Gasseite entsprechende Vereinbarungen getroffen werden sollten. Die Stimmung war freilich ganz anders als beim Strom. Denn die Gaswirtschaft wollte keinesfalls einen Tausch Kapitalanteile an den bereits in GmbHs umgewandelten Regionalgesellschaften gegen die kommunalen Netze und Kunden. Einerseits machte das Bundeskartellamt Druck, um Konglomerate mit Strom, Gas und Fernwärme in einer Hand zu verhindern. Andererseits traten auf Seiten der Gaswirtschaft Anwälte auf, die deren Interessen erbittert verteidigten. In einem Gespräch am 12.1.1993 im Bundeswirtschaftsministerium verständigten sich die Beteiligten schließlich dahin, dass eine Kommune im Falle der Genehmigung nach § 5 EnWG auch Gasstadtwerke ohne Zwangsbeteiligung eines westlichen oder Bezirks-EVU gründen könne. Soweit in Verträgen zur Vermögensübertragung bereits Kaufpreise und die Verfahren zu deren Ermittlung vereinbart waren, sollten auf die Kaufpreise der Wert der Anteile an der abgespaltenen regionalen Gasversorgung und etwaige Restitutionsansprüche angerechnet werden. Für die Bewertung sollte der Ertragswert maßgeblich sein. Dessen Ermittlung und die Anrechnungen blieben allerdings Jahrzehnte streitig.
Nach diesem Erfolg zog sich aber die Herbeiführung der Zustimmung der Kommunen doch noch lange hin. Insbesondere die 17 Thüringer Gemeinden, deren Verfassungsbeschwerden der damalige Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes Gnauck organisiert hatte, sperrten sich gegen die Verständigungslösung, die sie als nicht akzeptabel empfanden. Ähnlich zähen Widerstand leistete die Stadt Boizenburg im westlichen Mecklenburg-Vorpommern. Erst nachdem das Bayernwerk auf Gnauck zugekommen und weitere Hilfe bei der Aufstellung der Stadtwerke versprochen hatte, erklärte dieser seine Bereitschaft, die Rücknahme der Verfassungsbeschwerden zu empfehlen. Einige Jahre später wurde Gnauck mit einem Vorstandssitz in der fusionierten E.ON Thüringer Energie AG belohnt; dabei spielte auch eine Rolle, dass Gnauck über Jahre hinweg im Aufsichtsrat der E.ON Thüringen die Belange der kommunale Aktionäre vertreten hatte.
11. Erfolg, Erfolg
Die Kommunen hatten durchgesetzt, was ihnen die Volkskammer als Mitgift mitgegeben hatte: Den Anspruch auf das kommunale Versorgungsvermögen, ohne Geld in die Hand nehmen zu müssen. Die Braunkohleklausel ließ ihnen Freiheit zur Eigenerzeugung in selbstbestimmten Umfang. Kommunen, die Konzessionsverträge mit Ausstiegsklausel vereinbart hatten, konnten sich daraus lösen. Nur diejenigen Kommunen, die insoweit keine Vorsorge getroffen oder sich an der Verfassungsbeschwerde nicht beteiligt hatten, konnten von deren Segnungen nicht direkt profitieren. Aber auch in diesen Fällen konnte die kommunale Kapitalbeteiligung am Regionalversorger für den Kauf des Versorgungsvermögens eingesetzt werden, wie es etwa die Stadt Neubrandenburg getan hat. Eine Hürde stellte freilich häufig die § 5-Genehmigung dar: Das Verfahren wurde etwa im Land Brandenburg so engherzig praktiziert, dass im Einzelfall Klagen erhoben werden mussten. Im Ergebnis sind allerdings bis heute über 140 Stadtwerke mit eigenen Strom-, Gas- und Fernwärmeversorgungen entstanden. Ohne die Aktivisten der Ersten Stunde, Ministerialrat Apfelstedt aus Hessen, Energie-Abteilungsleiter Dr. Spreer aus dem Saarland mit seinem Staatssekretär Haase und die Initiatoren der Kommunalverfassungsbeschwerde wäre das nicht möglich gewesen.
12. Was blieb den Konzernen?
Eine Menge: Der Verbundteil der Stromverträge, der vom Stromstreit gar nicht berührt war, garantierte den Konzernen die unumschränkte Herrschaft in den neuen Bundesländern. An der Vereinigten Energie AG (VEAG) hatten sich die VEBA – Konzernmutter der PreussenElektra AG – mit 26,25 % und die VIAG – Konzernmutter des Bayernwerks – mit 22,5 % beteiligt. Daneben hielt RWE eine Beteiligung von 26,25 % und die Energiebeteiligungs-Holding (bestehend aus BEWAG, HEW, VEW und EnBW) eine Beteiligung von 25 %. Ihr gehörte das gesamte Höchst- und Teile des Hochspannungsnetzes in den neuen Ländern, mit einer Länge von 11.500 km machte es 29 % des Verbundnetzes aus, einiges mehr als das der RWE gehörende Netz, das 9.000 km lang war und 22 % des Verbundnetzes ausmachte. Dazu gehörten die riesigen Braunkohlekraftwerke Boxberg, Jänschwalde, Lippendorf u.a., mit einer Erzeugung von 77,1 TWh, die 21,2 % der deutschen Gesamtmenge ausmachte. Das war zwar deutlich weniger, als das RWE mit seiner Erzeugung von 120,4 TWh = 33,1 % der Erzeugung im Westen in Händen hatte, aber doch ein beträchtlicher Zuwachs. Dazu kamen die Stromlieferverträge mit den Regionalversorgern und mit den Stadtwerken, die der VEAG den Absatz ihres Braunkohlestroms garantierte; und zwar im Grundsatz in einem Umfang von 70 % des Bedarfs der Abnehmer. An der VEAG waren schließlich auch die fünf kleineren Verbundunternehmen beteiligt, nämlich Badenwerk, Energieversorgung Schwaben (EVS), BEWAG, HEW und VEW, und zwar über ihre Gesellschaft für Energiebeteiligung mbH mit einem Kapitalanteil von 25 %. Damit stellten die Machtverhältnisse an der VEAG praktisch ein Spiegelbild der westdeutschen Konzernlandschaft dar.
Für die ostdeutschen Braunkohlekraftwerke waren die Braunkohlevorkommen in Brandenburg und Sachsen wichtig, die von der Lausitzer Braunkohle AG (LAUBAG) gehalten wurden. An der LAUBAG waren die sieben westdeutschen Verbundunternehmen wie folgt beteiligt: PreussenElektra 30 %, Bayernwerk 15 %, BBS-Braunkohle-Beteiligungsgesellschaft mBH 55 %. An ihr war wiederum die Energiebeteiligungs-Holding mit 18,2 %, die RheinBraun AG, eine Tochtergesellschaft der RWE, mit 71,8 % und die RWE Energie mit 10 % beteiligt. Damit war die LAUBAG der größte Braunkohleproduzent in Ostdeutschland und bildete als Vorlieferantin der VEAG wirtschaftlich eine Einheit mit ihr.
Eine Gesellschaftskonstruktion, die praktisch das westdeutsche Stromkartell auf die neuen Bundesländer übertrug, musste natürlich das Bundeskartellamt auf den Plan rufen. Das Bundeskartellamt wurde aber mit denselben Argumenten überzeugt, mit denen die Konzerne die Bundesregierung überzeugt hatten: Für die Aufrechterhaltung der Stromversorgung in den neuen Ländern bedürfe es des Sachverstandes der Konzerne, der insbesondere in der Braunkohle-Expertise der RWE AG konzentriert war, um es „im Winter 1990/91 nicht ziemlich kalt werden zu lassen in den neuen Ländern“. Argumentativ war der Rücktrittsvorbehalt auch im Verbundteil der Stromverträge von großer Bedeutung. Die Konzerne pochten darauf: Wenn sie die VEAG nicht zu den Konditionen erwerben konnten, wie sie sie auch im Westen vorfanden, wollten sie nicht bei der Stange bleiben – behaupteten sie zumindest. Der Bund, dem in der kurzen Zeit zwischen dem Abschluss der Stromverträge im August und dem Einigungsvertrag, unterzeichnet am 3.10.1990, kaum zwei Monate für die Verhandlung mit den Konzernen verblieb, übte daher denselben Druck auf das Bundeskartellamt aus wie auf die Konzerne, dem letztlich nur die Zustimmung blieb.
Dasselbe galt auch für den Regionalteil der Stromverträge. Die Regionalversorger mussten zwar sukzessive das Stadtwerksvermögen herausgeben. Ihnen blieb aber die eigentliche Regionalversorgung sowie die kommunale Versorgung in den Gemeinden, die keine Konzessionsverträge mit Ausstiegsklausel hatten. Damit ergaben sich die folgenden Beteiligungsverhältnisse:
– PreussenElektra: Hanseatische Energieversorgungs AG in Rostock (HEVAG), Energieversorgung Müritz-Oderhaff AG in Neubrandenburg (EMO), Mecklenburgische