Von Flammen & Verrat. Melanie Lane. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Melanie Lane
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Год издания: 0
isbn: 9783954528332
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ein Stammbaum bei jeder Geburt und jedem Tod in Crinaee ergänzt wurden. Auch die königlichen Blutlinien. Grinsend trat ich näher.

      »Können wir es einfach herausnehmen?«

      »Ihr nicht«, erwiderte Maeve ruhig, »aber ich. Mit ein wenig … List.« Maeve grinste und zeigte mir die gleiche Reihe spitzer Zähne, die ich auch bei Narcos bemerkt hatte. Ohne zu zögern, griff sie in das Regal neben sich und zog ein ähnlich großes Buch heraus. Ihre Augen begannen weiß zu glühen, als sie ihre Hand auf den dicken Lederumschlag des Buches legte und zu murmeln begann. Das Grimoire hinter ihr begann zu leuchten und kleine, weiße Blitze ließen den Buchschnitt und den Lederumschlag pulsieren, als wäre es lebendig. Neugierig beobachtete ich sowohl das Grimoire als auch die Najade.

      »Kommen die von dir?«, fragte ich und Maeve wandte sich zum Wasserfall um.

      »Die Blitze? Oh, nein, Hoheit. Das ist das Grimoire. Während wir uns unterhalten, wird in Crinaee Leben genommen und gegeben. Das Grimoire erfasst alles, es weiß alles«, ergänzte Maeve und hob ihre Hand. »Haltet das.« Sie drückte mir das schwere Buch in die Hand. Dann sah sie auf. »Das vesti rammat ist an diesen Wasserfall gebunden. Das Wasser versorgt es mit allen Informationen unserer Welt. Wasser ist Leben. Es ist in allem«, erklärte sie mir. »Im Boden, den Pflanzen, den Sümpfen und der Luft. Ohne dieses Wasser, könnt Ihr das Grimoire nicht bewegen, es würde zu Staub zerfallen und nutzlos werden.«

       Danke, Scio, für diese fehlende Information.

      »Aber du kannst es dennoch herausnehmen?«

      Maeve nickte. »Ich werde ein wenig des Wassers an das Grimoire binden. Ein einfacher Fluch«, murmelte sie. »Wenn ich jetzt sage, dann reicht Ihr mir das andere Buch.« Sie musterte mein Outfit. Die enge Hose, meine Lederjacke und die Waffen an meinen Oberschenkeln sowie an meinem Rücken. »Wie wollt Ihr es transportieren?«

      Ich zog einen kleinen Stein aus der hinteren Tasche meiner Hose und zeigte ihn Maeve. Ein Runenstein, den Olli mir besorgt hatte.

      Sie nickte. »Ein Verkleinerungszauber, sehr gut.« Sie drehte sich um und trat mitten in die kleine Kammer und damit auch direkt in den Wasserfall hinein. Anstatt sie jedoch zu durchnässen, wie es wahrscheinlich bei mir der Fall gewesen wäre, floss das Wasser anmutig um sie herum. Fasziniert sah ich dabei zu, wie ihre Handflächen zu leuchten begannen und der vorher kaum wahrnehmbare Schimmer ihrer weißen Haut stärker wurde. Aber Wasserwesen besaßen keine Magie, hm? Wie hatten die Engel mit diesem ignoranten Denken bloß zur herrschenden Spezies werden können?

      Wenige Sekunden später schnappte Maeve sich das Grimoire und drehte sich zu mir um. »Jetzt.«

      Ich reichte ihr das andere Buch und vorsichtig ließ sie es in den Wasserfall gleiten, bis es an genau der gleichen Stelle schwebte, an der zuvor das Grimoire gewesen war. Dann drehte sie sich um, schloss die Kammer und hielt mir das heiligste Buch Crinaees entgegen. Unter der dünnen Wasseroberfläche, die das Buch jetzt wie eine zweite Haut umhüllte, konnte ich sie immer noch erkennen, die kleinen weißen Blitze.

      »Nur ein Unsterblicher, in dessen Adern Blut aus Crinaee fließt, kann es öffnen.«

      Nickend griff ich nach dem Grimoire und platzierte den kleinen Runenstein auf dem Buch. Damit konnte Scio sich beschäftigen. Ich war dafür verantwortlich, es zu besorgen, er würde es lesen. Aber erst einmal musste ich das Grimoire aus Crinaee herausbekommen.

      »Daun izu«, flüsterte ich und beide sahen wir dabei zu, wie das Grimoire in dem daumennagelgroßen Runenstein in meiner Hand verschwand.

      »Es wird nicht lange unentdeckt bleiben, dass das Buch fehlt, Eure Hoheit. Der Fluch ist nicht besonders stark und verliert rasch an Wirkung. Der Wasserfall wird erkennen, dass ich ihn getäuscht habe. Ihr solltet Crinaee so schnell wie möglich verlassen.«

      Dankbar griff ich nach ihrer Hand.

      »Wirst du Probleme bekommen?«

      Maeve schüttelte den Kopf bis ihre hübschen, blauen Haare flogen.

      »Narcos ist zu arrogant, als dass er glauben würde, jemand Internes hätte ihn hintergangen. Daher wird sich alle Wut auf Euch und Eure Mitreisenden konzentrieren.«

      Und so war es mir auch lieber. Immerhin hatte ich eine Gruppe aus Elite-Kriegern im Schlepptau.

      »Geht, Hoheit. Rasch!«

      Aus einem Impuls heraus trat ich vor und umarmte Maeve.

      »Danke, Maeve. Ich werde nicht vergessen, was du heute für uns und Crinaee getan hast.«

      Maeve erwiderte meine Umarmung fest.

      »Die Geschichten über Euch stimmen. Ich werde Eure Vision verbreiten, Hoheit. So gut ich es kann.«

      »Ich danke dir von Herzen, Maeve.«

      »Und jetzt geht, bitte.«

      Das musste sie mir nicht noch einmal sagen.

      Alleine trat ich auf den dunklen Korridor hinaus. Einmal links, zweimal rechts, erinnerte ich mich, als ich schnellen Schrittes den Weg zum Salon zurücklegte. Maeve blieb zurück und ich hoffte inständig, dass sie wirklich keine Probleme bekommen würde.

      Nicht einer einzigen Wache begegnete ich auf meinem Weg zurück und selbst Curio lungerte nicht mehr vor unserer Tür herum. Ein mulmiges Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Etwas passierte hier. Etwas, das nichts mit dem Grimoire zu tun hatte. Leicht außer Atem verstaute ich den wertvollen Runenstein in meinem BH und öffnete die Tür zum Salon. Dreizehn Augenpaare blickten mir gespannt entgegen. Die Hände an den Waffen atmeten sie erleichtert auf, als sie mich sahen.

      »Heilige Balance, Lilly.« Mein Bruder rollte angespannt mit den Schultern.

      »Dieser Ort gefällt mir nicht«, murmelte King und tauschte einen Blick mit Lucan.

      Der Runenstein presste sich gegen die weiche Haut meiner linken Brust und ich konnte King nur zustimmen. Dieser Ort gefiel mir auch nicht. Ganz und gar nicht.

      »Wir sollten gehen.«

      »Was?«

      »Ist das dein Ernst?«

      »Wir sind doch eben erst angekommen.«

      Nick und Malik protestierten und auch die Wachen meiner Garde sahen mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Die Assassinen hingegen spürten die plötzliche Dringlichkeit der Situation. Lucan griff nach seinem Katana und erhob sich.

       Wir sollten gehen, Lucan. Jetzt. Wieso?

      »Spürst du das nicht?«, wandte Duncan sich an Malik. »Etwas wird passieren …«

      »Ein Kampf liegt in der Luft«, bestätigte Alex düster.

       Prinzessin?

      »Es würde mich nicht wundern, wenn Narcos in diesem Moment seine Armee organisiert.«

      »Dann können wir ja jetzt los«, versuchte ich es erneut und ignorierte Lucans mentale Frage.

      »Ich finde, wir …«

      »Wir müssen weg, sofort!«, schrie ich Nick an. Nicht nur er starrte mich daraufhin fassungslos an.

      »Was ist hier los?«, verlangte Nick zu wissen.

      »Ich habe keine Zeit, mich zu erklären«, rief ich und fummelte nervös an den Oberschenkelholstern meiner Waffen herum. »Aber können wir jetzt bitte gehen?«

      »Wir teilen uns auf«, übernahm Lucan das Kommando. Wenigstens einer schien zu verstehen, wie ernst es mir war. Oder wie ernst unsere Lage jeden Moment werden konnte.

      »Wir gehen mit der Prinzessin. Malik, du und deine Männer, ihr beschützt den Prinzen.«

      Malik begann erneut zu protestieren, aber es blieb keine Zeit. Und das schienen jetzt auch er und Nick zu spüren. Die Atmosphäre im Raum veränderte sich. Wir alle griffen nach unseren Waffen, bereit, uns den Weg nach draußen zu erkämpfen, wenn nötig.