Betriebszweck i.S.d. § 111 Satz 3 Ziff. 4 BetrVG ist der mit dem Betrieb verfolgte arbeitstechnische Zweck.122 Es kommt darauf an, „wie“ die Einnahmen erzielt werden.123 Es kommt also auf die zu fertigenden Produkte oder angebotenen Dienstleistungen an. Eine Änderung kann darin bestehen, dass der bisherige Betriebszweck durch einen anderen ersetzt oder um einen weiteren Betriebszweck ergänzt oder einer von mehreren arbeitstechnischen Zwecken nicht mehr weiterverfolgt wird.124
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War z.B. neben dem Vertrieb und Verkauf von Telekommunikationsgeräten weiterer Betriebszweck die Forschung und Entwicklung in Bezug auf Geräte der drahtlosen Kommunikation, so ist der Entfall von Forschung und Entwicklung als einer von zwei Betriebszwecken grundlegend.125 Wenn der arbeitstechnische Zweck eines Schlachthofes stets die Schlachtung von Rindern, Kälbern und Schweinen war und dies auch noch von den gleichen Arbeitnehmern ausgeführt wurde, so liegt nach BAG keine grundlegende Änderung des Betriebszwecks vor, wenn künftig nur noch Schweine geschlachtet werden.126 Werden aus dem Bereich „Reparatur von Endoskopen“ die zeitintensiveren Großreparaturen von Standardendoskopen auf einen anderen Betrieb verlagert, soll dies nach dem Arbeitsgericht Hamburg nicht genügen.127 Es verkannte dabei aber, dass die verbleibende Tätigkeit viel kleinteiliger wurde und auch geringere fachliche Kompetenz forderte, also ein wertbildender Faktor der Dienstleistung entfallen war. Hat hingegen eine Spielbank bisher nur Spiele nach Art „Monte Carlo“ (durch Croupier geleitet) angeboten und erweitert sein Angebot um Glücksspielautomaten (nach Art „Las Vegas“), so tritt ein grundlegend neuer Betriebszweck hinzu.128 Ebenfalls war eine grundlegende Änderung des Betriebszwecks bei Aufgabe des eigenen Vertriebs durch ein Versicherungsunternehmen zu bejahen, weil sich die erbrachte Dienstleistung dadurch ändert.129 Ein weiteres Beispiel kann die Umstellung der Produktion von Automobilen hin zu Motorrädern oder umgekehrt sein.130 Das Hinzutreten eines zusätzlichen Betriebszweckes ist nach hiesigem Dafürhalten auch stets grundlegend, wenn sich das Unternehmen damit neuen aufsichtsrechtlichen Kontrollen unterwirft, wie z.B. der Versicherungsaufsicht oder der Bankenaufsicht.
dd) Änderung der Betriebsanlagen
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Der Begriff der Betriebsanlagen umfasst die sächliche Einrichtung des Betriebs, also die technischen und baulichen Anlagen, die zur Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks eingesetzt werden.131
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Neben den Betriebsgebäuden gehören auch Geräte und Fahrzeuge dazu. Das LAG Hessen hat den Austausch von LKWs als grundlegende Änderung angesehen, nachdem die neuen Fahrzeuge nicht mehr mit Führerschein Klasse 3, sondern nur noch mit Klasse 2 zu fahren waren.132 Die Einführung von Software, wie z.B. einem Redaktionssystem, kann auch eine grundlegende Änderung der Betriebsanlagen sein, wenn sie qualitative Auswirkungen auf den Betriebsablauf, die Arbeitsweise oder die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer hat oder mit einem „Sprung“ in der technischen Entwicklung verbunden ist.133 Ist die Einführung von Desk-Sharing (auch „Shared Desk“ oder „Flexible Office“ genannt) mit einer einschneidenden baulichen Veränderung der Betriebsgebäude verbunden, führt dies zur Bejahung einer Betriebsänderung nach Ziff. 4.134 Hier kommt auch wieder die Einrichtung von häuslichen Telearbeitsplätzen oder Satellitenbüros in Betracht135 wie auch die Einführung von Profitcentern.136
f) Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren (§ 111 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 5 BetrVG)
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Die Katalogtatbestände der Ziff. 5 überschneiden sich oft mit denen der Ziff. 4, wobei hier der Schwerpunkt auf der Frage des Einsatzes der menschlichen Arbeitskraft zur Verfolgung der arbeitstechnischen Zwecke liegt.137
aa) Grundlegende Änderung
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Auch hier geht es wieder um „grundlegende“ Veränderungen (siehe oben Rn. 136). Die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren erfordert prinzipiell eine qualitative Bewertung, wobei sich der bedeutsame Charakter einer neuen Arbeitsmethode oder eines neuen Fertigungsverfahrens auch aus der Zahl der von ihr betroffenen oder dem Gewicht der Auswirkungen auf die Beschäftigten ergeben kann.138
bb) Einführung neuer Arbeitsmethoden
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„Arbeitsmethode“ bezeichnet die jeweilige Art, eine Arbeit systematisch abzuwickeln. Darunter fallen die Strukturierung des Arbeitsablaufs des einzelnen Arbeitnehmers – wie Handgriffe, Bewegungsabläufe –, die des Arbeitsablaufs zwischen den Arbeitnehmern – wie Einzel-, Gruppenarbeit – und der Einsatz technischer Hilfsmittel – etwa von Maschinen, Werkzeugen und Vorrichtungen. Gemeint sind letztlich alle konzeptionellen Regeln, welche hinter dem in mehr oder weniger viele einzelne, unselbstständige Arbeitsvorgänge gegliederten Arbeitsablauf stehen, d.h. die Festlegung, auf welchem Bearbeitungsweg und mit welchen Arbeitsmitteln durch welche Beschäftigten die Aufgabe erfüllt werden soll. Die „Arbeitsmethode“ erweist sich damit als das auf der Grundlage der personellen, räumlichen, technischen und sonstigen bedeutsamen Gegebenheiten und Möglichkeiten entwickelte Modell des Ablaufs derjenigen Arbeit, die zur Erfüllung der gestellten Aufgabe geleistet werden muss.139
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Die Arbeitsmethode muss nicht an sich „neu“ sein, sondern nur für den Betrieb.140 Sie muss eine bisher angewandte Methode entweder ersetzen oder zusätzlich eingeführt werden.141 Hier wird man im Einzelfall trefflich streiten, ob noch eine routinemäßige Verbesserung vorliegt oder schon eine neue Arbeitsmethode, selbst wenn die Begriffe noch die alten sind. In der Praxis behilft man sich häufig damit, dass man argumentativ dahin ausweicht, dass zumindest der allgemeine Betriebsänderungsbegriff nach Satz 1 gegeben sei, wenn veränderte Arbeitsmethoden einen hinreichenden Teil der Mitarbeiter betreffen.
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Das BAG hat richtig festgestellt, dass das Ein- und Durchführen eines Systems in einem Betrieb, das die Strukturierung, Vereinheitlichung und Optimierung von Arbeitsprozessen sowie deren Rationalisierung zum Ziel hat, mit einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG einhergehen kann, dies dann aber im Ergebnis spitzfindig abgelehnt, weil die Frage der konkreten Umsetzung etwaiger Ergebnisse ergebnisoffen gewesen wäre.142 Die Vorinstanz hatte im Gegensatz dazu richtigerweise noch das Unweigerliche des Systems erkannt und festgestellt, dass die Arbeitsabläufe sehr wohl nachhaltig und systematisch rationalisiert und effektiviert werden sollen.143
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Zunehmend wichtig wird in den letzten Jahren die Einführung sog. agiler Arbeitsmethoden, wie z.B. Scrum. Kernelement agiler Arbeit ist dabei der Übergang von Linienorganisationen zu Netzwerkorganisationen unter Auflösung klassischer Hierarchiestrukturen.144 Entscheidend ist natürlich auch hier das Ausmaß der Veränderung. Ein weiteres Beispiel ist die Einführung von Gruppenarbeit145 wie auch die Einführung von Selbstbedienungskassen.146 Auch
Desk-Sharing (auch „Shared Desk“ oder „Flexible Office“ genannt) ist eine neue Arbeitsmethode. Es führt zu einem regelmäßigen Reservierungs- und Koordinierungsaufwand und zum Verlust des persönlichen Arbeitsplatzes und damit eines persönlich gestaltbaren Arbeitsumfeldes.147 Ebenso verhält es sich mit
der Auslagerung von Arbeitsplätzen in häusliche Telearbeitsplätze bzw. Homeoffice oder Satellitenbüros.148 Auch die Änderung bzw. Flexibilisierung von
Arbeitszeitmodellen kann sich auf die Arbeitsorganisation und damit Arbeitsmethoden auswirken.149 So ist bei einer systematischen Beschäftigung von Teilzeitkräften mit flexibler Arbeitszeit statt bisher fester Arbeitszeiten eine veränderte Arbeitsmethode anzunehmen.150 Auch die Änderung der Betriebssprache, etwa von Deutsch auf Englisch, ist eine grundlegende Veränderung der Arbeitsmethode, da die zu erbringenden „Handgriffe“ auch Kommunikation sein können.151
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