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Der zweite formale Aspekt wird oftmals verkannt: Die Einigungsstelle ist eine nicht öffentliche Veranstaltung. Sie ist aber der sogenannten Betriebsparteiöffentlichkeit zugänglich. Das bedeutet, neben den Beisitzern kann das komplette beteiligte Betriebsratsgremium anwesend sein; und hat auch ein Recht darauf, angehört zu werden. Arbeitgeberseitig können auch mehrere Vertreter in entsprechend leitender Stellung anwesend sein, es werden aber nahezu immer nur die Beisitzer abgestellt, so dass es bisweilen zu einem starken zahlenmäßigen Missverhältnis kommt. Hiergegen kann aber tatsächlich nicht vorgegangen werden. Lediglich bei den Beratungen und der Abstimmung dürfen nur der Vorsitzende und die Beisitzer anwesend sein. Was übrigens auch oft zu Überraschungen vor allem auf Arbeitgeberseite führt, ist die Tatsache, dass ein Beisitzer sein Amt höchstpersönlich ausüben muss. Ohne Zustimmung der Einigungsstelle darf er keinen Vertreter schicken. Was jedoch jederzeit durch die Parteien möglich ist, ist der Ersatz eines Beisitzers durch einen anderen. Dies deshalb, weil die Beisitzer zwar nicht weisungsgebunden, aber Interessenvertreter der Partei und somit von deren Vertrauen abhängig sind, das ihnen jederzeit entzogen werden kann. Begründet werden muss der Austausch nicht.
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Auch zur Wahl des Vorsitzenden sei noch ein Wort verloren, denn er kann in vielen Konstellationen zum Dreh- und Angelpunkt werden. So beispielsweise, wenn eine Partei wieder in richtige betriebsverfassungsrechtliche Bahnen gelenkt werden muss oder wenn ein gordischer Knoten existiert, der aufzulösen ist. Oftmals ist der gemeinsame „Erfolg“ in der Einigungsstelle der Beginn einer Aufwärtsspirale. Da die Parteien um die Bedeutung des Vorsitzenden wissen, führt der Streit hierum häufig zu einer Verzögerung der Einsetzung, was immer dann misslich ist, wenn eine Partei unter Zeitdruck steht. So ist zu empfehlen, in einer Betriebsvereinbarung zu einem Regelungsgegenstand auch bereits die Person des Vorsitzenden festzulegen und zwar inklusive mindestens einem Ersatz, besser zweien. Oft sind potenzielle Einigungsstellenvorsitzende nämlich gut gebucht oder aufgrund ihrer hauptamtlichen Tätigkeit als Arbeitsrichter nur eingeschränkt zur Übernahme dieses Nebenamtes befugt. Zudem finden die Parteien erfahrungsgemäß eher einen Konsens über die Person des Vorsitzenden, wenn die Gemüter nicht bereits aufgrund einer Streitigkeit erhitzt sind.
3. Alternative Wege
a) Freiwillige Einigungsstelle/andere Schlichtungsverfahren
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Einigungsstellen können auch dann tätig werden, wenn sich die Betriebsparteien einvernehmlich darauf verständigen oder dies in einer (freiwilligen) Betriebsvereinbarung so bestimmt haben. Spruchfähig ist diese Einigungsstelle dann nicht, es sei denn, die Parteien unterwerfen sich im Vorfeld freiwillig einem Spruch oder erkennen ihn nachträglich an, § 76 Abs. 6 BetrVG. Auch dies ist bereits mehr oder weniger abstrakt in einer Betriebsvereinbarung möglich.15 Dies kommt jedoch nur sehr selten vor. Bei einer freiwilligen Einigungsstelle können auch Rechtsfragen geklärt werden, sofern die Betriebsparteien über diese Fragen verfügen können.16 Freiwillige Einigungsstellen sind oft deshalb ein guter Kompromiss, weil sie – im Gegensatz zu moderierten Verhandlungen oder gar einer Mediation – allen Parteien geläufig sind und somit die Schwelle, in diesem Rahmen weiter zu verhandeln, niedriger sein mag.
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Oft werden auch in Tarifverträgen betriebliche Einrichtungen für eine Schlichtung bei bestimmten Streitigkeiten vorgesehen, insbesondere bei Eingruppierungs- und Vergütungsstreitigkeiten. Die Tarifvertragsparteien dürfen dies, solange es ein Mehr an Mitwirkung des Betriebsrates bedeutet und nicht ein Weniger. Die Einrichtungen nennen sich ebenfalls häufig „Kommission“ oder ähnlich.
b) Moderierte Verhandlungen
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Diese Art der Streitschlichtung ist relativ neu. Aber, erlaubt ist, was gefällt und hilft. Daher hat sich in den letzten Jahren die Moderation als eine Art Zwischenprozess zwischen Einigungsstelle und Mediation etabliert. Die Vorteile zur Einigungsstelle: Keine Partei muss Angst vor einem Spruch haben und der – ohnehin recht freie – Rahmen einer Einigungsstelle wird weiter gelockert. Der Vorteil zur Mediation: Die Parteien können mit einer Moderation oft mehr anfangen, da hier – zumindest dem Anschein nach, die Sache noch mehr im Vordergrund steht als die Beziehung. Viele Beteiligte tun sich damit leichter.
c) Mediation zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat
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Eine Mediation kann im Rahmen konkreter Verhandlungen erfolgen oder sich daran anschließen, muss es jedoch nicht. Meist ist jedoch ein konkreter Sachverhalt, bei dem man sich wieder ohne Sicht auf einen Ausweg ineinander „verhakt“ hat, der Anlass, eine Mediation auf den Tisch zu bringen. Eine Mediation mit einer neutralen dritten Person, die geschickt die Gespräche begleitet und zu den „Problemen hinter dem Problem“ hinführt, ist sicher nie schädlich. Aber: Beide Parteien müssen die Sinnhaftigkeit dahinter sehen und es wollen. Wenn dem nicht so ist und eine Partei sich nur widerwillig darauf einlässt, stehen die Chancen auf ein offenes Gespräch eher schlecht. Nichtsdestotrotz kann es einem Mediator gelingen, auch diese Partei in den Gesprächen noch zu „drehen“ und ein für beide Parteien gefühlt positives Ergebnis zu bewirken.
10 Qualitätsbericht zur Arbeitsgerichtstatistik 2018, Statistisches Bundesamt, S. 64, https://www. destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen/Downloads-Gerichte/ar beitsgerichte-2100280187004.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 5.2.2020). 11 BAG, 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, NZA 2016, 116, 120. 12 Siehe Teil B, Kapitel V. 13 BAG, 10.10.2007 – 7 ABR 51/06. 14 BAG, 28.5.2014 – 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213, 1216. 15 Richardi/Richardi/Maschmann, BetrVG § 76 Rn. 40. 16 BAG, 23.3.2016 – 1 ABR 5/14, NZA 2016, 972, 974.
III. Die Parteien Arbeitgeber – Gewerkschaft
1. Das arbeitsgerichtliche Verfahren
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In § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ArbGG ist die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte in Urteilsverfahren bestimmt. Das betrifft Streitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen von Tarifverträgen sowie Fragen rund um das Arbeitskampfrecht.
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In § 2a Abs. 1 Nr. 4, 5 und 6 ArbGG wird weiter bei bestimmten Streitigkeiten die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit im Beschlussverfahren begründet, namentlich für die Entscheidung über die Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit einer Vereinigung, Wirksamkeit von Allgemeinverbindlicherklärungen und bestimmter Rechtsverordnungen und Streitigkeiten nach § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG. Auch in diesen Beschlussverfahren – oder „offline“ davon – besteht jederzeit die Möglichkeit der Parteien, sich auf eine gemeinsame Lösung zu verständigen. Besonderheiten gibt es hier keine.
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Auch