Auch unabhängig von der Einbindung kollektiver Gremien kann zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter eine Schlichtung stattfinden. Dem Arbeitgeber ist oft daran gelegen, da er aufwändige Gerichtsverfahren grundsätzlich scheut. Dies wird auch der übliche Weg sein, zumindest in – im Übrigen – funktionierenden Arbeitgeber-Mitarbeiter-Beziehungen. Ein klärendes Gespräch mit einer Führungskraft, der der Mitarbeiter vertraut, wirkt oft Wunder. Gezwungen werden kann ein Mitarbeiter zu solchen Schlichtungsgesprächen allerdings nicht, erst recht nicht zu einer Mediation in einem formalen Rahmen. Eine Ausübung des Direktionsrechts dergestalt, dass der Arbeitnehmer zur Teilnahme an einer Mediation (mit dem Arbeitgeber oder einem anderen Arbeitnehmer) gezwungen wird, dürfte in den allermeisten Fällen unbillig sein. Hier setzt das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dem Weisungsrecht des Arbeitgebers Grenzen.9 Auch die Idee, diese Pflicht vertraglich und damit beidseitig im Arbeitsvertrag zu verankern, dürfte scheitern. § 309 Nr. 14 BGB schließt bei Formularverträgen eine Klausel, die eine gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen von einer vorherigen außergerichtlichen Streitschlichtung abhängig macht, als unwirksam aus.
2 Der Sonderfall Streitigkeiten zwischen Geschäftsführern und Unternehmen soll hier ebenfalls außen vor bleiben. 3 Siehe hierzu Teil B, Kapitel II. 4 So lauten die Hinweise in der Ladung zum Güterichtertermin häufig so oder so ähnlich: „Im Güterichterverfahren verhandeln die Parteien in aller Regel persönlich. Da bis zu einem etwaigen Vergleichsabschluss keine Prozesshandlungen vorgenommen werden, sondern die Parteien an einer eigenverantwortlichen Lösung ihres Konfliktes arbeiten, wandelt sich die Rolle des Anwalts vom Prozessvertreter zum Begleiter und Berater“. 5 Am Rande sei hier bemerkt, dass der BDA sich vor der Einführung klar ablehnend gegen das Gesetz und auch gegen den § 54a ArbGG gegenüber der Bundesregierung geäußert hatte. 6 Siehe https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:136:0003:0008: DE:PDF (zuletzt abgerufen am 5.2.2020). 7 Siehe https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/StudienUntersuchungenFach buecher/Evaluationsbericht_Mediationsgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 5.2.2020). 8 Siehe auch den Beitrag von Pilartz, ArbR Aktuell 2018, 600. 9 BAG, 19.7.2016 – 2 AZR 637/15, NZA 2017, 116.
II. Die Parteien Arbeitgeber – Betriebsrat
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Hier gibt es, anders als im Individualrecht, nicht einen, sondern zwei „klassische Wege“: Das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren und ein weiteres, formales und zum Teil zwingendes Verfahren: die Einigungsstelle.
1. Das gerichtliche Beschlussverfahren
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In Beschlussverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, § 83 Abs. 1 ArbGG. Das bedeutet auch, dass das Gericht von Amts wegen feststellt, welche Parteien als Beteiligte hinzuzuziehen sind. So werden häufig alle lokalen Betriebsräte beteiligt, wenn es vor Gericht um Zuständigkeitsfragen mit dem Gesamtbetriebsrat geht. Als weiterer Unterschied zum Urteilsverfahren ist insbesondere die Verpflichtung des Gerichts, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, zu nennen. Im Beschlussverfahren ist auch einstweiliger Rechtsschutz möglich. In der Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeinstanz gelten die gleichen Grundsätze.
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Was die Streitbeilegung anbelangt, gilt auch hier, wie im Urteilsverfahren, dass der Richter in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Streitbeilegung hinwirken soll. Auch im Beschlussverfahren gibt es in aller Regel mindestens zwei Termine und die Anordnung eines Güteverfahren ist ebenso möglich, § 80 Abs. 2 ArbGG. In jedem Termin wird der Richter nach Einigungsmöglichkeiten fragen. Die Streitigkeiten sind in Beschlussverfahren aber oft vielschichtiger als in Individualverfahren. Hier kommt häufig noch zu dem eigentlichen Streit ein tief sitzendes Misstrauen der Parteien hinzu sowie der „Erziehungsgedanke“. Schließlich sind die Parteien ja in vielerlei Hinsicht aneinander gebunden und voneinander abhängig. Sie können sich nicht, wie im Arbeitsverhältnis, durch eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses voneinander lösen. So ist denn auch die Zahl der durch Vergleich beendeten Beschlussverfahren geringer als in Urteilsverfahren, nämlich unter 30 %.10
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Was als Art innovativer Vergleich angedacht werden kann ist, dass sich die Parteien auf die Einsetzung einer Person als Schiedsgutachter einigen, diese die Streitfrage rechtlich bewertet und die Parteien sich dann nach dem entsprechenden Ergebnis verhalten. Diese Alternative ist sicher nicht ganz kostengünstig, aber kann dem Interesse des Arbeitgebers dienen, wenn er einen vollstreckbaren Beschluss vermeiden möchte. Auch haben dann die Parteien einen Dritten als „Schuldigen“. Vor allem für den Betriebsrat ist das oft einfacher, als einen „selbstverschuldeten“ Vergleich erst gremiumsintern durchsetzen und dann erklären zu müssen.
2. Die Einigungsstelle
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Die betriebliche Einigungsstelle ist ein zwingend vom Gesetz angeordnetes innerbetriebliches Schlichtungsverfahren, sie ist eine betriebsverfassungsrechtliche Institution eigener Art.11 Ihre Bedeutung ist immens und für Anwälte und Vorsitzende eine große Spielwiese. Der Bedeutung angemessen sind daher drei Beiträge dieses Buches der Einigungsstelle gewidmet. Das Gesetz ist von der Grundsystematik her klar: Es gibt nur ein Entweder/oder. Entweder den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten oder den Weg in die Einigungsstelle. Entweder eine Rechtsstreitigkeit oder eine Regelungsstreitigkeit. In Verbindung kommen beide Verfahren an zwei Stellen: Wenn die Einigungsstelle streitig eingesetzt werden soll über § 100 ArbGG und wenn der Spruch der Einigungsstelle angefochten wird. Zu beidem später mehr.12 Die formalen Voraussetzungen und das Verfahren der Anrufung sowie der Gang des Verfahrens bis zu einem Spruch werden ebenfalls später dargestellt, so dass hier nicht vorgegriffen werden soll. Lediglich zwei formale Aspekte möchte ich herausgreifen, da sie vielen Arbeitgebern und Betriebsräten unbekannt sind: die Besetzung der Einigungsstelle und die Teilnahmeberechtigung an Sitzungen. Oftmals wird über die Zahl der Beisitzer nicht gestritten. Der Betriebsrat schlägt drei oder gar vier vor und der Arbeitgeber stimmt zu, um wenigstens hierüber nicht zu streiten. Dabei liegt hier ein erhebliches Sparpotenzial. Denn eine Partei hat keine Einflussmöglichkeiten auf die personelle Auswahl der Beisitzer der anderen Partei. Das wird dann für die Arbeitgeberseite schmerzlich, wenn der Betriebsrat ausschließlich externe Personen als Beisitzer benennt, die als solche honorarberechtigt sind (im Allgemeinen 7/10 des Honorars des Vorsitzenden). Der Maßstab der Erforderlichkeit gilt hier nicht.13 Nach neuerer BAG-Rechtsprechung ist der Betriebsrat auch nicht aus sonstigen Gründen verpflichtet, einen oder mehr interne Beisitzer zu benennen. Kommt dann noch zusätzlich ein Prozessbevollmächtigter hinzu, bei dessen Hinzuziehung der Betriebsrat immerhin pflichtgemäßes Ermessen walten lassen muss, steigen die Kosten bei mehreren Sitzungen schnell in schwindelerregende Höhe. Sparen kann dann nur noch die Arbeitgeberseite, indem sie ihren Prozessbevollmächtigten zum Beisitzer benennt und so immerhin eine Person mit einer Doppelfunktion ausstatten kann. Gespart werden kann auch an Zeit, denn je mehr Mitglieder einer Einigungsstelle, desto mehr Terminkalender müssen überein gebracht werden. Fährt eine Seite eine Verzögerungstaktik, sind Terminschwierigkeiten eine willkommene Hilfestellung.
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Unabhängig von Kosten- und Zeitaspekten sollten beide Parteien bei der Wahl der Beisitzer Wert auf Fach- und Entscheidungskompetenz legen. Auch hier ist man auf den guten Willen der anderen Partei angewiesen, denn das BAG lässt den Parteien extrem viel Handlungsspielraum. Im Vordergrund steht, dass die Beisitzer