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Der Gütetermin dient auch häufig als Wegbereiter für „Offline“-Gespräche zwischen den Anwälten oder den Parteien im Nachgang. Hilfreich kann hier ein kurzer, vorbereitender Schriftsatz als erste Einführung in die Sach- und Rechtslage sein. Vor allem auch in Kündigungsschutzstreitigkeiten wird dem Richter so eine Vorbereitung und eine erste Meinungsbildung in rechtlicher Hinsicht erleichtert und er kann im Gütetermin bereits der Risikoverteilung angemessenere Vergleichsvorschläge machen. Der (geringe) Aufwand lohnt sich tatsächlich häufig und in Massenverfahren ist ein vorbereitender Schriftsatz meines Erachtens ein Muss, selbst dann, wenn von vorneherein feststeht, dass eine Einigung im Gütetermin nicht in Frage kommt. Denn der Richter ist so von Anfang an „in der Spur“ und der gegnerische Anwalt kann gegebenenfalls bereits beginnen, seinen Mandanten auf Prozessrisiken aufmerksam zu machen und die Vergleichsbereitschaft so (mittelbar) zu erhöhen.
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Bei gut beginnenden Vergleichsgesprächen im Gütetermin kann das Verfahren dann ruhend gestellt werden. Danach kann weiterverhandelt werden, ohne dass ein störender, weil angreifender Schriftsatz folgen muss. Meiner Erfahrung nach wird immerhin circa die Hälfte der Verfahren dann nicht wieder aufgerufen. Die rechtliche Grundlage hierfür ist § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 251 ZPO.
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Natürlich kann auch eine Einigung direkt im Gütetermin erfolgen – was häufiger ist, als man glauben mag: So werden weit über 50 % aller anhängig gemachten Individualverfahren im ersten Termin verglichen, übrigens sehr oft auch dann, wenn eine oder beide Seiten (noch) nicht anwaltlich vertreten sind.
b) Das Güterichterverfahren als „Seitensprung“
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Das Güterichterverfahren kann nur im Rahmen eines förmlichen Arbeitsgerichtsprozesses eingeleitet werden, § 54 Abs. 6 ArbGG. Der Arbeitsrichter gibt das Verfahren an einen Güterichter ab und es kommt, wenn es dort nicht beendet werden kann, wieder zu ihm zurück. Dieses Verfahren hat immer noch eine Exotenstellung inne. Dies zum einen deshalb, weil es das Einverständnis beider Parteien in der Praxis voraussetzt und zum anderen sicher auch deshalb, weil viele Parteien (und deren Anwälte) es scheuen, sich mehrere Stunden oder gar einen Tag mit dem Gegner zusammenzusetzen. Die Rolle der Parteien ist im Güterichterverfahren eine deutlich stärkere. Der Anwalt tritt zurück und wird vom Prozessführenden und Vertreter zum Berater und Begleiter.4 Diese Rolle ist manchen Anwälten fremd – und bei einigen unbeliebt. Die rechtliche Grundlage und einige Praxisbeispiele folgen in Teil B, Kapitel III. An dieser Stelle sei erwähnt, dass für das Güterichterverfahren das Mediationsgesetz nicht gilt. Was auch ein wichtiger Unterschied zu einer Mediation ist: Die Parteien können sich die Person des Güterichters nicht aussuchen und, wenn keine Einigung erzielt wird, wird das Verfahren wieder in das reguläre Prozessverfahren übergeleitet.
c) Streitbeilegung nach einem Urteil
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Das ist selten der Fall und kann doch erfolgreich sein. Denn wenn die Frage, wer Recht hat, geklärt ist, ist so mancher Emotion der Boden entzogen und die obsiegende Partei kann sich ehrlich die Frage stellen, ob das Urteil dem entspricht, was sie wirklich wollte. Falls nicht, kann jetzt die Gelegenheit sein, doch noch einmal auf die andere Partei zuzugehen und möglicherweise eine kreative Lösung zu finden. Ein Urteil muss nicht immer vollstreckt werden.
2. Alternative Wege
a) Die außergerichtliche Mediation – es ist nie zu spät
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Die Mediation wird oft als „letzter Versuch“ zur Kittung einer zerrütteten (Arbeits-)Beziehung ins Feld geführt, hat jedoch den Ruf einer „überpsychologisierten“ Art der Konfliktlösung. Nur: Konflikte sind immer auch menschliche und damit psychologische Konflikte. Der rechtliche Konflikt ist manchmal Ursache und manchmal Wirkung des psychologischen Konfliktes. Daher stimme ich dem Autor des IV. Kapitels in Teil B auch zu, wenn er alle Arten rechtlicher Konflikte als mediativ lösbar bezeichnet. Dennoch sehen viele Entscheidungsträger in Unternehmen und auch Arbeitnehmer eine solche Art der Konfliktlösung als „an der Sache vorbei“ an. Ist ein Konflikt bereits so weit eskaliert, dass die Parteien einen Anwalt zu Rate ziehen, wollen sie oft zunächst nur eins: streiten und dann Recht bekommen. Nun wäre es Aufgabe des Anwalts, den Mandanten weg von der reinen Rechtsfrage und hin zu den wahren Interessen zu bringen. Viele Anwälte tun das jedoch nicht, sondern stürzen sich sofort auf das, was sie am besten können und wofür sie zugegebenermaßen auch ausgebildet wurden: die rechtliche Risikobewertung und die Erfolgsaussichten bei einem Gerichtsverfahren. Andere Optionen werden oft nicht aufgezeigt. Dies mag nicht unbedingt dem Streben nach Umsatzmaximierung geschuldet sein, sondern den fehlenden Erfahrungen und Kenntnissen über alternative Konfliktlösung.
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Dabei ist die Mediation vom Gesetzgeber hoch aufgehängt: Es gibt ein Mediationsgesetz,5 das auf einer europäischen Richtlinie basiert.6 Der Gedanke dahinter ist gut: Die außergerichtliche Konfliktlösung soll gefördert werden. Dies vor allem dadurch, dass das Gesetz regelt, welche Qualifikation ein zertifizierter Mediator haben muss und vor allem, welchen Pflichten er unterliegt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Denn gebracht hat das Mediationsgesetz (und auch der § 54a ArbGG) auf den Punkt gebracht: Nichts.
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Seit Einführung des Mediationsgesetzes ist die Zahl der durchgeführten Mediationen nicht gestiegen. Sie stagniert auf sehr niedrigem Niveau (in manchen Rechtsgebieten sogar nur im Promillebereich, was den Anteil an Verfahren anbelangt, die in eine Mediation überführt werden) und ist sogar in den letzten Jahren etwas rückläufig.7 Warum das so ist, liegt meines Erachtens auf der Hand: Die Mediation hat zu wenig Fürsprecher, um sie „alltagstauglich“ zu machen.8 Hier können Anwälte und auch Richter die Schuld gerne bei sich selbst suchen. Die Mediation ist ein Weg, der immer noch neu ist und sich aus dem starren Korsett der prozessualen Streitentscheidung löst. Neue Wege zu beschreiten erfordert Mut.
b) Außergerichtliche Streitschlichtung aufgrund von Kollektivvereinbarungen
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Ab und an wird auch den Mitarbeitern in Betriebsvereinbarungen das Recht gegeben, bei Meinungsverschiedenheiten eine innerbetriebliche Schlichtungsstelle, häufig Kommission oder Runder Tisch genannt und bestehend aus Arbeitgeber und Betriebsrat, anzurufen. Natürlich kann dies nur als zusätzliches Recht neben dem Rechtsweg eingeräumt werden und nicht als Pflicht. Durchaus häufig kann hier bereits ein aufkeimender Streit geschlichtet und eine Lösung für das Problem gefunden werden. Sinnvoll ist eine solche Regelung beispielsweise bei Zielvorgaben im Falle des Nichterreichens durch den Mitarbeiter. Dieser Weg unter direkter Einbeziehung der betroffenen Mitarbeiter ist oft einfacher, als der formalere Weg über eine gegebenenfalls ständige Einigungsstelle. Auch von Vorteil ist, dass die Besetzung je nach Sachverhalt wechseln kann. Eine solche Möglichkeit für Konfliktlösungen ist frei in der Gestaltung und häufig dann erfolgreich, wenn eine Zusammenarbeit zwischen den Betriebspartnern auf Arbeitsebene (noch) gut funktioniert. In einer Betriebsvereinbarung sollte zur Klarstellung geregelt werden, dass darüber hinaus der individuelle Rechtsweg für den Mitarbeiter unberührt bleibt.
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So wie die Betriebspartner, können auch Tarifpartner eine Schlichtungsmöglichkeit für individualrechtliche Konflikte vorsehen, ebenfalls zusätzlich zum Rechtsweg. Auch hier sind die Tarifpartner frei in der Gestaltung, solange es für den Mitarbeiter ein freiwilliges Verfahren ist.
c) Außergerichtliche