Auf der anderen Seite, also der Nutzung durch öffentliche Stellen, liegen keine umfänglichen und vollständigen Erhebungen vor. Aber die ausschnittsweise Betrachtung lässt Tendenzen in Bezug auf die Relevanz der verschiedenen Dienste für die öffentlichen Stellen erkennen. Beispielsweise haben die Polizeibehörden im Jahr 2016 bereits 133 aktive Social-Media-Accounts, wobei diese Zahl mittlerweile deutlich gestiegen sein dürfte.10 Vielfach nutzen einzelne öffentliche Stellen nicht nur unterschiedliche Dienste, sondern mitunter auch unterschiedliche Accounts innerhalb eines Dienstes für verschiedene Zwecke oder auch für Unterorganisationen. So hat beispielsweise die Bundeswehr Accounts bei YouTube, Instagram, Twitter, SoundCloud, Flickr, Snapchat und Facebook sowie bei weiteren Netzwerken. Bei einigen dieser Dienste wie zum Beispiel Facebook betreibt die Bundeswehr neben dem Haupt-Account auch Accounts für die Nachwuchsgewinnung, für wichtige Unterorganisationen und für regionale Organisationseinheiten. Laut einer Analyse mithilfe der Plattform Pluragraph kommen die Accounts der Bundeswehr insgesamt auf mindestens 1,5 Millionen Follower.11 Wobei zu erwähnen ist, dass einzelne Accounts eine enorme Reichweite aufweisen können. So hat der „Bundeswehr Exclusive“-Account auf YouTube über 125 Millionen Aufrufe.12 Eine sehr ähnliche Struktur ist auch bei den Accounts des Landes Berlin vorzufinden, die gemeinsam über drei Millionen Abonnenten verzeichnen13 oder auch bei den Auftritten des Auswärtigen Amtes einschließlich des Geschäftsbereiches mit insgesamt über fünf Millionen Follower.14 Bei den vorgenannten Beispielen ist daneben festzustellen, dass die Facebook-Accounts jeweils hohe Werte verzeichnen und damit zurzeit eine zentrale Rolle einnehmen, gefolgt von Twitter und Instagram. Aufgrund der diversen Struktur der öffentlichen Stellen gestaltet sich eine vollumfängliche Erhebung über alle Accounts der öffentlichen Stellen schwierig. Allerdings lässt der oben gewährte Einblick anhand dreier Beispiele erahnen, um was für eine Größenordnung es sich insgesamt handeln dürfte.
1 WDR, Aus welchen Medien beziehen Sie hauptsächlich Ihre Informationen über das politische Geschehen?, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/661410/umfrage/hauptsaechlicheinformationsquellen-ueber-das-politische-geschehen/. 2 Horizont, Über welche Kanäle informieren Sie sich über politische Themen und das politische Tagesgeschehen?, https://de.statista.com/(...)tagesgeschehen/. 3 Hölig, Hasebrink, Reuters Institute Digital News Report 2019 – Ergebnisse für Deutschland, https://www.hans(...)_Deutschland.pdf, S. 16. 4 Ebenda, S. 17. 5 Ebenda, S. 45 oder auch PwC, Über welche Social-Media-Kanäle erhalten Sie Informationen zu aktuellen Ereignissen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sei es, dass Sie aktiv danach suchen, oder sei es, dass Sie diese auch ohne danach zu suchen bekommen?, Statista, https://de.statista.com/(...)deutschland/. 6 Beisch, Koch, Schäfer, ARD/ZDF-Onlinestudie 2019: Mediale Internetnutzung und Video-on-Demand gewinnen weiter an Bedeutung in: Media Perspektiven 2019, 374, 383 f. 7 Schmidt, Taddicken, Handbuch Soziale Medien, S. 4 ff.; siehe hierzu auch Gabriel, Röhrs, Social Media, S. 12 ff. 8 Schmidt, Taddicken, Handbuch Soziale Medien, S. 9 ff. 9 Statista, Anzahl der Facebook-Nutzer in Deutschland in den Jahren 2017 und 2018 sowie eine Prognose bis 2023 (in Millionen), https://de.statista.com/(...)deutschland/. 10 Rüdiger, Anzahl der Social-Media-Accounts der Polizei in Deutschland nach Social-Media-Kanälen im Jahr 2016, https://de.statista.com/(...)social-media-kanaelen/. 11 Pluragraph, Organisation Bundeswehr, https://pluragraph.de/organisations/bundeswehr. 12 Bundeswehr, Bundeswehr-YouTube-Kanal, https://www.youtube.com/channel/UCZPAni75 bkLnjGO8yhuJpdw/about. 13 Pluragraph, Organisation Berlin, https://pluragraph.de/organisations/berlin und https://plura graph.de/organisations/polizei-berlin. 14 Pluragraph, Organisation Auswärtiges Amt, https://pluragraph.de/organisations/auswaer tiges-amt.
2.1. Funktionen und Ziele der Nutzung durch öffentliche Stellen
Die Ziele der öffentlichen Stellen bei der Nutzung der Sozialen Medien lassen sich in vier Bereiche einteilen: Die allgemeine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die Personalgewinnung, die Erfüllung behördenspezifischer Ziele und (in einem gewissen Maße) die Erfüllung von partizipativen und kollaborativen Zwecken im Rahmen des E-Government-Ansatzes.
Abbildung 1 – Funktionen und Ziele staatlicher Öffentlichkeitsarbeit
2.1.1. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Zum einen ist die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der öffentlichen Stellen zu nennen. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kann Auskünfte, Warnungen, Empfehlungen, Berichte, Gutachten oder sonstige, schlichte Informationstätigkeiten der Verwaltung umfassen.15 Die Auskünfte und sonstigen Informationstätigkeiten dürften wohl zum Kernbereich der klassischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zählen. Sie finden auch nach den erheblichen Veränderungen in der Medienwelt statt und sind weiterhin von hoher Relevanz, da sie in Bezug auf die Sozialen Medien als komplementär zu betrachten sind.16 Dies lässt sich daraus ableiten, dass die Nutzung beider Wege, also die Verbreitung einer Information über die Sozialen Medien und über die Presse, als gewinnbringend erachtet wird, da ein größerer Empfängerkreis erreicht werden kann.17 Diese Komplementärfunktion ist mit dem Nutzungsverhalten einzelner Bevölkerungsgruppen zu erklären. So zeichnet sich die Tendenz ab, dass sich jüngere Personen signifikant stärker über das Internet und die Sozialen Medien informieren als über die klassischen Medien wie TV, Radio oder Printerzeugnisse.18 Daraus folgt, dass ohne den Einsatz von Sozialen Medien der Adressatenkreis „junge Erwachsene“ nicht beziehungsweise nur teilweise erreicht werden könnte.
Daneben hat die Nutzung von Sozialen Medien einen zweiten zentralen Vorteil. Hierbei handelt es sich um die direkte Kommunikationsmöglichkeit mit den Nutzerinnen und Nutzern. Das heißt, Informationen können ungefiltert an eine bestimmte Zielgruppe adressiert werden, ohne dass es zu einer Informationsfilterung, -reduzierung oder -modifikation durch die Medien kommt.19 Die öffentlichen Stellen können damit die Gatekeeperfunktion der Medien umgehen und ihre gewünschten Botschaften transportieren, wobei dies durchaus kritisch diskutiert werden kann, da die Plattformanbietenden durch Algorithmen auch eine gewisse Selektion und Einflussnahme auf die Beiträge vornehmen können.
Das Bundesministerium des Innern benennt in der Beantwortung einer Anfrage explizit das Ziel, die oben beschriebene Zielgruppe Digital Natives erreichen zu wollen, die auf den herkömmlichen Wegen tendenziell schwerer zu erreichen ist und erkennt zusätzlich den Vorteil, die Gatekeeper umgehen zu können.20 Ähnlich antworten auch weitere öffentliche Stellen wie beispielsweise die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM)21, der Deutsche Wetterdienst (DWD)22, das Bundeskartellamt (BKartA)23 oder auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV)24.
Ziel der klassischen Informations- und Öffentlichkeitsarbeit ist es, die Bürgerinnen und Bürger über die Tätigkeiten und Aufgaben einer öffentlichen Stelle zu informieren und diese zu erläutern, Vertrauen aufzubauen, den Bekanntheitsgrad zu steigern oder allgemein eine Imagesteigerung zu erreichen.25 Wesentliches Kennzeichen ist, dass die öffentlichen Stellen über ihre Aufgabenerledigung