Öffentliche Stellen in den Sozialen Medien
Die primären Rechtsfragen in der Praxis
Robert Kreyßing
Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main
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ISBN: 978-3-8005-1740-4
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1. Einleitung
Die Sozialen Medien haben die Informationswege und Kommunikationsweisen in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen erheblich verändert. Diesem Wandel unterliegen nicht nur die klassischen Medien wie Zeitung, Buch, Radio oder Film, sondern auch Unternehmen, Wissenschaftsorganisationen, politische Akteure und öffentliche Stellen. Sie alle haben ihre Kommunikationsweisen und Informationswege den gegenwärtigen Entwicklungen angepasst und nutzen vermehrt die Sozialen Medien. Ein wesentliches Kennzeichen des Wandels ist die Abkehr von der Ein-Wege-Kommunikation der klassischen Medien hin zu einer beidseitigen Zwei-Wege-Kommunikation und Interaktion in den Sozialen Medien. Dabei bietet sich für alle Organisationen die Gelegenheit direkt und ohne einen zwischengeschalteten Gatekeeper mit ihrer Zielgruppe zu kommunizieren und zu interagieren. Diesen Vorteil haben auch die öffentlichen Stellen erkannt. Sie sind zumeist in den Sozialen Medien zu finden und betreiben innerhalb der eigenen Organisationen Social-Media-Redaktionen. Mit Hilfe der direkten Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeit bietet sich für die öffentlichen Stellen die Chance, sich in der öffentlichen Wahrnehmung positiv zu präsentieren und die öffentliche Meinung über die eigene Organisation mit zu gestalten. Trotz der bereits etablierten Strukturen sind die rechtlichen Rahmenbedingungen und Implikationen für öffentliche Stellen zumeist nur teilweise und nicht zusammenhängend beleuchtet. Sogar die grundsätzliche Zulässigkeit der Nutzung von Sozialen Medien durch öffentliche Stellen ist aus datenschutzrechtlicher Sicht umstritten. Daneben birgt auch die Art und Weise der Nutzung von Sozialen Medien durch öffentliche Stellen rechtliche Unsicherheiten.
Die vorliegende Publikation betrachtet drei praxisrelevante Bereiche, die maßgeblich für die Nutzung Sozialer Medien durch öffentliche Stellen sind. Nach der grundsätzlichen Einordnung und Darstellung der technischen Grundlagen ist zum einen zu untersuchen, ob öffentliche Stellen aus datenschutzrechtlicher Sicht überhaupt die Sozialen Medien nutzen dürfen und welche Rahmenbedingungen damit verbunden sind. Zu den datenschutzrechtlichen Vorgaben für öffentliche Stellen in Bezug auf die Nutzung Sozialer Medien gibt es zahlreiche Aufsätze, die einzelne Problemstellungen beleuchten. Allerdings sind die meisten Publikationen aus der Zeit vor Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und vor den maßgebenden Entscheidungen des Europäischen Robert KreyßingGerichtshofes zur datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit bei Facebook-Fanpages und Social Plugins.
Insbesondere im Hinblick auf die neue Gesetzeslage und die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs wird eine zentrale Fragestellung die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit einnehmen. Daran anschließend sind die Implikationen der Verantwortlichkeit insbesondere die Vereinbarung zwischen den gemeinsamen Verantwortlichen zu betrachten. Dieser Themenkomplex wird gegenwärtig in Literatur und Rechtsprechung kritisch diskutiert. Nach der Klärung der Verantwortlichkeit können die verschiedenen Erlaubnistatbestände für die Datenverarbeitung im Zusammenhang mit der Nutzung der Sozialen Medien geprüft und anschließend die weiteren – praxisrelevanten – datenschutzrechtlichen Vorgaben betrachtet werden.
Der zweite Bereich der Publikation befasst sich mit den allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen für den Betrieb eines Social-Media-Accounts durch öffentliche Stellen. Hier gilt es aufzuzeigen, welche grundsätzlichen rechtlichen Rahmenbedingungen die Nutzung Sozialer Medien einschränken könnten und was vor der Nutzung zu beachten ist.
Schlussendlich untersucht der dritte Bereich die rechtlich zulässige Art und Weise der Nutzung Sozialer Medien. Hierbei steht im Mittelpunkt der Betrachtung, wie eine öffentliche Stelle in den Sozialen Medien insbesondere in Bezug auf Bild, Bewegtbild und Äußerungen agieren darf und was notwendigerweise unterlassen werden sollte. Der Fokus liegt hierbei auf den Vorgaben des Grundgesetzes und auf möglichen Grundrechtseingriffen durch die Informationstätigkeit öffentlicher Stellen. Dieser Themenbereich ist in wenigen Publikationen wissenschaftlich bearbeitet worden. Insbesondere die Social-Media-Aktivitäten von Polizeibehörden bildeten dabei einen Untersuchungsschwerpunkt. Das übergeordnete Gebiet – das staatliche Informationshandeln – ist weitaus umfangreicher beforscht. Die noch offenen Forschungsfragen über das Wie der Nutzung von Sozialen Medien betreffen weitgehend die Adaption des klassischen staatlichen Informationshandelns auf die neuen Kommunikationswege und -formen in den Sozialen Medien. Denn die Art und Weise wie auf den Plattformen kommuniziert wird, ist wesentlich differenziert zur Art und Weise der Kommunikation klassischer Medien und Formate wie zum Beispiel über Pressemitteilungen. In diesem Kapitel erfahren öffentliche Stellen, was sie in ihrer veränderten Kommunikation in den Sozialen Medien beachten sollten.
2. Einordnung von Social Media
Eine Infratest dimap Umfrage im Auftrag des WDR zur Informationsbeschaffung über das politische Geschehen aus dem Jahr 2019 hat ergeben, dass „Soziale Medien und Netzwerke“ auf Platz fünf der unterschiedlichen Informationsquellen eingeordnet werden.1 Ein ähnliches Bild zeigt auch eine Befragung aus dem Jahr 2017 zu diesem Thema. Hier hat eine Forsa-Umfrage ergeben, dass „Social Media“ gemeinsam mit „Radio“ am vierthäufigsten bei der Informationsbeschaffung über politische Themen und das politische Tagesgeschehen genannt werden.2 Diese Tendenzen gehen auch aus einer Befragung durch das Hans-Bredow-Institut hervor.3 Das Hans-Bredow-Institut stellt im Reuters Institute Digital News Report 2019 daneben dar, dass 34 Prozent und damit der zweithäufigste Wert, der im Internet genutzten Nachrichtenquellen, die sozialen Medien sind.4 Innerhalb des Komplexes Soziale Medien wird Facebook als häufigste Informationsquelle angegeben.5 Bezogen auf die generelle Nutzung von Online-Communitys und damit nicht isoliert betrachtet auf Nachrichten, erlangt Facebook ebenfalls hohe Werte, wobei Instagram bedeutsamer wird.6 Deutlich wird bei diesen Werten, welche Relevanz die Sozialen Medien in Bezug auf Kommunikation und Informationsvermittlung besitzen.
Die Sozialen Medien unterliegen jedoch keiner scharfen Begriffsdefinition. Sie sind vielmehr eine Beschreibung von Plattformen und Anbietern im Web 2.0, die eine weitgehende Kommunikation und soziale Interaktion zulassen, aber auch schlicht zur Informationsbereitstellung und -beschaffung dienen können.7 Unter dem Sammelbegriff Soziale Medien sind daher viele unterschiedliche Anwendungen mit sehr diversen Funktionen zu subsummieren. Taddicken und Schmidt haben deshalb einen Versuch unternommen, die Anwendungen zu systematisieren. Dabei haben sie vier Gruppen identifiziert: Plattformen, Personal Publishing, Instant Messaging und Wikis.8 Die Gruppe Plattformen dürfte hierbei am interessantesten sein, da beispielsweise Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, Snapchat oder auch TikTok darunter gefasst werden. Diese Gruppe soll Gegenstand der vorliegenden Publikation sein. Da nicht alle Anbieter und Plattformen in dieser Gruppe betrachtet werden können, wird nachfolgend insbesondere auf den Anbieter mit den höchsten Nutzungswerten eingegangen. Wie oben dargestellt ist dies Facebook. In einer durch Statista erstellten Prognose lässt sich die zukünftige Relevanz von Facebook in Deutschland erkennen. So wird davon ausgegangen, dass