Unglaubliche Reisen. David Barrie. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: David Barrie
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783866483897
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im Stock sowohl auf das Vorhandensein von Nahrung als auch auf deren Qualität aufmerksam machten. Von Frisch vermutete zu Recht, dass die Rekruten daraufhin die neue Nahrungsquelle ausfindig machten, indem sie einfach nach der Quelle jenes Geruchs suchten, den sie am Körper der Tänzerin wahrgenommen hatten.

      Dass Bienen in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren, war eine bahnbrechende Erkenntnis. Vielen Wissenschaftlern fiel es zwar schwer zu glauben, dass Insekten so raffiniert sein können; doch Karl von Frisch war aufgrund der Qualität seiner Arbeit – und der geistreichen Vorträge, Bücher und Filme, durch die er sein Werk verbreitete – eine weltbekannte Persönlichkeit geworden, bevor 1939 der Zweite Weltkrieg begann. Sein Ruf schützte ihn jedoch nicht vor den üblen Machenschaften des Naziregimes. Als jemand aufdeckte, dass von Frischs Urgroßeltern Anfang des 19. Jahrhunderts vom Judentum zum Christentum konvertiert waren, geriet der Wissenschaftler in Konflikt mit den antisemitischen Dekreten der Nazis und drohte seine Professur an der Universität München zu verlieren. Er konnte seine Stellung nur behalten, weil er mit seinen Untersuchungen zur Steigerung der Honigerzeugung einen wichtigen Beitrag für die Ernährung der Bevölkerung während der Kriegsjahre leistete.

      Doch das Leben war hart: 1944 trafen die Bombenangriffe der Alliierten auch München. Das Haus und die Bibliothek des Professors wurden zerstört, ebenso sein kurz zuvor eingerichtetes Labor. Glücklicherweise fand er mit seiner Familie und einigen seiner Studenten Zuflucht auf seinem schönen Landgut in Brunnwinkl am Fuß der österreichischen Alpen unweit von Salzburg. Die Landung der Alliierten im Juni 1944 und die darauffolgenden Kämpfe in Nordfrankreich bildeten den düsteren Hintergrund, vor dem von Frisch und seine Kollegen eine bedeutsame Beobachtungsreihe starteten, die ihn veranlasste, seine ursprüngliche Theorie über die Bedeutung des Bienentanzes abzuändern und weitaus detaillierter auszuarbeiten.

      Das Wetter im August 1944 war ideal für Bienenstudien. Eine Kollegin des Forschers führte ein Experiment durch, mit dem Bienen angeregt werden sollten, mehr Honig zu erzeugen und mehr Blüten zu bestäuben, indem sie zu besseren Nektarquellen an entfernteren Standorten geführt wurden. Von Frisch schlug seiner Kollegin vor, die Bienen darauf abzurichten, einen parfümierten Napf in der Nähe ihres Stocks aufzusuchen und das Gefäß dann an einer anderen, ferneren Stelle zu platzieren.

      Seiner lange vertretenen Theorie zufolge durfte man darauf vertrauen, dass die Bienen den Napf an der neuen Position auffinden konnten. Dafür müssten sie einfach nur die Quelle des ihnen bekannten Duftes aufspüren. Aber von Frisch staunte nicht schlecht: Nachdem der Napf umgestellt worden war, tauchte keine einzige Biene auf, und die Kollegin stand ratlos da.

      Im Laufe jenes Sommers dressierte von Frisch die Bienen, zu duftmarkierten Nahrungsquellen zu fliegen, von denen einige sehr nah am Stock platziert waren und andere bis zu 300 Meter entfernt. Er beobachtete Folgendes: Wenn die Kundschafter konditioniert waren, eine entfernte Nahrungsquelle aufzusuchen, flogen ihre Rekruten häufig direkt dorthin – und ignorierten eine viel nähere Stelle, auch wenn diese mit demselben Geruch gekennzeichnet war. Dieses Verhalten kam von Frisch sehr merkwürdig vor. Entgegen seiner ursprünglichen Theorie schien es so, als suchten die Rekruten nicht bloß irgendeine Nahrungsquelle, die »richtig« roch; sie spürten vielmehr aktiv eine entferntere Stelle auf und ignorierten dabei eine nähere. Von Frisch vermerkte in seinem Notizbuch lakonisch, dass es so wirkte, als seien die Bienen zu einer Art Verständigung über Entfernungen imstande.

      Als von Frisch die Möglichkeit ausschloss, dass die Bienen einer ätherischen Duftspur folgten, wurde klar, dass sie tatsächlich auf Informationen zu Entfernungen reagierten. Darüber hinaus schienen sie auch Vorlieben für bestimmte Richtungen zu zeigen. Konnte es sein, dass die Tänze der Kundschafter nicht nur Angaben zur Qualität einer Futterquelle vermittelten, sondern auch die Richtung und die Entfernung zum Bienenstock verrieten?

      Nach dem Krieg setzte von Frisch alles daran, diese faszinierenden Fragen zu beantworten. Mithilfe eines Farbmarkierungscodes, der es ihm ermöglichte, zahlreiche einzelne Kundschafter zu unterscheiden, wies er nach, dass die Geschwindigkeit des Tanzes tatsächlich eng mit der Entfernung der zuletzt besuchten Futterquelle korrelierte.

      Bereits im Sommer 1945 hatte er einige Beobachtungen gemacht, die sogar noch verblüffender waren. Die Bienen, die am Nachmittag von einer bestimmten Nahrungsquelle zurückkehrten, bewegten sich bei ihrem Schwänzeltanz mit dem Kopf nach unten über die Oberfläche der Wabe, doch ihre Richtung änderte sich im Lauf des Tages allmählich – in Übereinstimmung mit dem sich verändernden Sonnenazimut.

      Als Nächstes untersuchte von Frisch, in welchem Verhältnis die Richtung des Tanzes zu den Positionen der Futterquellen stand, die er in den vier Himmelsrichtungen – Nord, Ost, Süd und West – um den Stock herum aufgestellt hatte. Die Ergebnisse waren wahrlich verblüffend. Die Richtung des Tanzes spiegelte durchweg die Beziehung zwischen der Richtung der Futterquelle und dem Sonnenazimut wider. Frisch fasste seine Erkenntnisse folgendermaßen zusammen: »Tanzrichtung genau nach oben bedeutet: Du musst in der Richtung des Sonnenstandes fliegen, um zur Trachtquelle zu kommen. Schwänzellauf kopfunten heißt, genau von der Sonne fort führt der Weg zur Futterstelle.«2

      Das war nicht nur der klare Beweis für eine Form von Himmelsnavigation bei einer Insektenart, sondern vor allem auch dafür, dass die Kundschafter ihren Artgenossen Informationen über den Standort einer Nahrungsquelle mitteilen konnten.

      Anschließend stellte von Frisch einen Bienenstock in einer eigens konstruierten Hütte auf, damit er die für die Bienen verfügbaren visuellen Informationen systematisch manipulieren konnte, während sie ihren Schwänzeltanz vollführten. Wenn er kein Sonnenlicht in die Hütte eindringen ließ (die dann für den Beobachter mit – für die Bienen unsichtbarem – Rotlicht beleuchtet wurde), zeigten sich die Tiere vollkommen desorientiert. Schaltete er jedoch eine Taschenlampe an, richteten die Bienen ihre Tänze sofort so aus, als handelte es sich um die Sonne – genau wie Lubbocks Ameisen. Und indem von Frisch den Taschenlampenstrahl herumschwenkte, brachte er die Bienen dazu, in jede von ihm gewählte Richtung zu tanzen.

      Dann bemerkte er, dass die Bienen ihre Tänze manchmal korrekt auszurichten vermochten, auch wenn sie nur ein kleines Stück vom Himmel sehen konnten. Und so ging er ähnlich vor wie Santschi bei seinen viel früheren Experimenten mit den Wüstenameisen (von denen er damals allerdings nichts wusste): Er brachte im Dach ein Ofenrohr an, sodass die Bienen nur einen kleinen Kreisausschnitt des Himmels ohne Sonne sahen. Solange der Himmel klar war, konnten die Bienen korrekt tanzen, aber sie wurden orientierungslos, wenn Wolken über den Lichtkreis zogen. Als Nächstes versuchte von Frisch, den Bienen durch die Öffnung ein zurückgespiegeltes Bild des Himmels zu zeigen, und stellte dabei fest, dass die Ausrichtung der Tänze umgekehrt wurde.

      Als von Frisch diese rätselhaften Erkenntnisse mit Physikern erörterte, lieferten diese eine mögliche Erklärung. Sie äußerten die Vermutung, die Bienen könnten sensibel für die Polarisation des Sonnenlichts sein.3

      Seit Langem war bekannt, dass das Licht der Sonne aus elektrischen und magnetischen Wellen besteht, die im rechten Winkel zueinander schwingen. Jede mögliche Ausrichtung dieser Wellen erscheint im Sonnenlicht, solange es luftleeren Raum durchdringt; wenn es aber die Erdatmosphäre durchquert, werden einige seiner Bestandteile herausgefiltert. Dieser Prozess wird als Polarisation bezeichnet. Die charakteristischen Muster am Himmel, die dabei entstehen, nennt man fachsprachlich »E-Vektoren« (abgekürzt für »elektrische Vektoren«). Mit bloßem Auge können wir diese Muster nicht sehen, aber mithilfe von Polarisationsfiltern bekommen wir eine vage Vorstellung davon, wie sie womöglich für Tiere aussehen, die sie wahrnehmen können.

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       Das Band der stärksten Polarisation an einem wolkenlosen Himmel mit der Sonne im Rücken

      Versuchen Sie einmal, sich an einem wolkenlosen Vormittag mit dem Rücken zur Sonne zu stellen. Setzen Sie nun eine Sonnenbrille mit Polarisationsfilter auf. Wenn Sie direkt nach oben in den Himmel blicken, sollten Sie einen dunkelblauen Streifen sehen können, der vom linken zum rechten Rand des Horizonts verläuft. Sobald Sie sich nun langsam um neunzig