Es scheint so, als nähmen Fische in strömungsstarken Flüssen nur wenig Notiz von unbeständigen Objekten wie Pflanzen, weil diese zu schnell weggetrieben werden und deshalb keine geeignete Orientierungshilfe darstellen. Die Teichfische hingegen können sich darauf verlassen, dass die meisten Gegenstände an Ort und Stelle bleiben, und so haben sie gelernt, ihnen viel mehr Aufmerksamkeit zu schenken.4
Einige andere Fischarten, darunter Aale und Haie, reagieren auf elektrische Felder und nutzen elektrische Orientierungspunkte. So verfügt beispielsweise der schwach elektrische Fisch über ein besonderes Organ, das ihm erlaubt, Veränderungen des elektrischen Feldes im umgebenden Wasser wahrzunehmen. Dieser nachtaktive Fisch lebt auf dem Grund afrikanischer Seen und kann anhand seiner speziellen Methode lernen, eine Öffnung in einer Barriere zu finden, die mit einer Orientierungshilfe gekennzeichnet ist – ähnlich wie der indische Kletterfisch. Es besteht jedoch ein großer Unterschied zwischen den beiden Spezies: Der schwach elektrische Fisch bewältigt die Aufgabe in vollkommener Dunkelheit.5
Auch Insekten greifen gelegentlich auf elektrische Signale zurück, um Gegenstände zu lokalisieren.
Folgende Phänomene sind aus dem Alltag bekannt: Wenn man von eingeschweißter Ware die Plastikfolie abreißt, bleibt sie häufig an der Hand hängen, obwohl sie nicht klebrig ist. Es kann außerdem passieren, dass man durch den Kontakt mit einer metallenen Oberfläche einen winzigen elektrischen Schlag bekommt – besonders wenn man zuvor über einen Kunstfaserteppich gegangen ist. Diese eigenartigen Effekte rühren daher, dass sich eine statische Aufladung bildet. Und kurioserweise spielen sie eine entscheidende Rolle bei der ökologisch wichtigen Blütenbestäubung durch Bienen.
Hummeln können die statischen elektrischen Felder in der Umgebung von Blüten wahrnehmen und sogar verschiedene Blüten unterscheiden, je nachdem, welche Arten elektrischer Muster diese erzeugen. Die Hummeln nehmen die schwachen Signale mithilfe sensorischer Haare wahr, die durch die elektrischen Felder der Blüten gebogen werden. Anhand dieser elektrischen Signale können sie zwischen nektarreichen und weniger ergiebigen Blüten unterscheiden.6
Der Kiefernhäher
Vögel können über weite Strecken fliegen und müssen daher besonders schwierige Navigationsaufgaben bewältigen. Doch sie verfügen über ein erstaunliches Sehvermögen – und verschiedene andere Hilfsmittel. So wie der Mensch manchmal GPS nutzt oder gelegentlich eine Landkarte verwendet, wechseln auch Vögel ganz pragmatisch zwischen den unterschiedlichsten Methoden hin und her.
Die einzelnen Orientierungsmechanismen, auf die Vögel zurückgreifen, sind nur schwer zu durchschauen. Bis heute ist noch vieles ungeklärt – ein großes Dilemma, das alle Zweige der Verhaltensforschung betrifft. Die Ergebnisse von Experimenten mit komplexen Tierarten lassen sich nur selten klar deuten. Man denke nur an Intelligenztests beim Menschen. Wenn ein kleines Kind schlecht abschneidet, muss das nicht unbedingt heißen, dass es nicht besonders klug ist. Vielleicht war es einfach nur nervös, abgelenkt oder sogar gelangweilt – oder der Test war schlecht konzipiert.
Trotz dieser Probleme ist es vollkommen klar, dass die visuelle Wiedererkennung eine für Vögel wichtige Orientierungsmethode darstellt. Ein spezieller Vogel ist ein regelrechtes Genie auf diesem Gebiet.
Der Kiefernhäher gehört der hochintelligenten Familie der Rabenvögel an. Er lebt in den Hochgebirgen im westlichen Nordamerika. Erstmals beschrieben wurde er von William Clark, dem Begleiter von Meriwether Lewis, der Anfang des 19. Jahrhunderts die legendäre Überlandexpedition von St. Lewis zum Pazifik und zurück leitete und unterwegs Karten anfertigte.
Diese Spezies kann die langen, kalten Winter in den Bergen nur überleben, indem sie, ähnlich wie das Eichhörnchen, in den Sommermonaten Samen bunkert. Da der Kiefernhäher alles andere als dumm ist, versteckt er nicht alle an einem einzigen Ort; das wäre viel zu gefährlich, denn andere Tiere (selbst die eigenen Artgenossen) würden sie stehlen, wenn sie die Möglichkeit hätten. Und natürlich müsste der Vogel verhungern, wenn er sein geheimes Lager nicht mehr finden würde.
Es ist erstaunlich, was sich der Kiefernhäher beim Bunkern seiner Vorräte alles einfallen lässt. Er versteckt jeweils nur ein paar Samen an diversen Stellen, die über ein Gebiet von ungefähr 260 Quadratkilometern verteilt sind. Einige vergräbt er beispielsweise an windumtosten Steilhängen, andere in dichten Wäldern oder auf kahlen Berggipfeln. Ein einziger Kiefernhäher kann mehr als 30 000 Samen in nicht weniger als 6000 verschiedenen Verstecken einlagern. Die Vögel müssen in der Lage sein, sich über viele Monate hinweg an diese Orte zu erinnern. Ihr Gedächtnis ist zwar nicht lückenlos, aber sehr beeindruckend, und sicherlich mehr als ausreichend, um in ihrem unwirtlichen Habitat zu überleben.
Das Verhalten des Kiefernhähers beim Anlegen von Samenverstecken veranschaulicht ein wichtiges Grundprinzip, das für die Navigation besonders bedeutsam ist: Die Evolution begünstigt die Entwicklung von Systemen, die »gut genug« und nicht unbedingt perfekt sind. Die Natur selektiert jene Eigenschaften, die es dem Organismus ermöglichen, lange genug zu leben, um sich fortzupflanzen. Es hat keinen Sinn, eine komplexere Methode zu entwickeln, wenn eine einfachere diese Grundanforderung erfüllt – zumal für eine höhere Leistung ein größeres Gehirn erforderlich wäre. Und da der Energiebedarf bei einem größeren Gehirn enorm ist, wäre weit mehr Nahrung nötig, um es zu versorgen. Es zahlt sich folglich nicht aus, ein größeres Gehirn zu haben, als man wirklich braucht.
Man mag sich fragen, ob der Geruchssinn bei dem erstaunlichen Verhalten des Kiefernhähers eine Rolle spielt, doch das scheint nicht der Fall zu sein. Stattdessen prägt sich der Vogel kleinere Orientierungshinweise um jedes der Verstecke ein; er kann sich auch die geometrischen Beziehungen zwischen diesen merken.7 In freier Natur mögen Steine oder Büsche als Erkennungszeichen dienen, aber in Labortests geben sich die Vögel auch mit künstlichen Gegenständen zufrieden. Wenn die Forscher die Zeichen heimlich verändern, dabei aber deren Gesamtmuster beibehalten, suchen die Vögel häufig an der Stelle, die durch die verschobene Anordnung angezeigt wird.
Doch hinter der Methode, mit der Kiefernhäher ihre Verstecke finden, steckt offenbar noch mehr. Die jüngste Forschung deutet darauf hin, dass sich die Vögel eher auf größere, weiter entfernte Landmarken verlassen. Diese dürften aus der Entfernung leichter zu erkennen sein und unterliegen dank ihrer Größe auch weniger den Auswirkungen von Wind und Wetter.8
Es ist noch nicht genau geklärt, auf welche Zeichen die Vögel in freier Natur achten, aber sehr wahrscheinlich nehmen sie hervorstechende Merkmale in der Umgebung ihres Verstecks wahr – etwa Bäume oder große Felsbrocken – und machen vielleicht eine Art »Panoramaschnappschuss« der betreffenden Stelle. Das Auffinden eines Verstecks dürfte also in zwei Schritten erfolgen. Zuerst identifiziert der Vogel die Umgebung durch einen – wie auch immer gearteten – Bildabgleich, wobei größere Landschaftsmerkmale einbezogen werden, um sich dann auf kleinere Objekte zu konzentrieren, die näher am Versteck liegen und dessen genaue Position zu bestimmen helfen.
Seit Tausenden von Jahren hat sich der Mensch das außergewöhnliche Heimfindevermögen der Tauben zunutze gemacht, um Nachrichten schnell und häufig über große Entfernungen zu übersenden. Das Militär hat Tauben seit der Zeit der Römer eingesetzt, wenn nicht schon früher; und diverse Kombattanten haben allein im Zweiten Weltkrieg Hunderttausende verwendet. Einigen Tauben wurden sogar Tapferkeitsmedaillen verliehen, weil sie unter Feindfeuer zuverlässig Nachrichten überbrachten.
Im Jahr 1815 machte die Rothschild-Bank einer Legende zufolge ein Riesengeschäft, weil sie lange vor den Börsen per Taubenpost vom Ausgang der Schlacht von Waterloo erfuhr. Eine nette Geschichte, die aber wohl jeder Grundlage entbehrt. Allerdings