Und letztlich und vor allem bei Johann und seiner Schwester Josephine, meinen beiden wundervollen Kindern, die mir die Disziplin und Entschlusskraft ermöglichen, jeden Tag aufs Neue selbst zu erproben, was es bedeuten kann, ein progressiver Optimist zu sein.
Denn wenn ich mich auf eines freue, dann ist es der Tag, an dem sie mich fragen werden: Papa, was hast du damals im Jahr 2020 gemacht, als es für uns und die Erde um alles ging?
Anders als die vielen bewundernswerten Aktivisten, Wissenschaftler, Unternehmer und Engagierten, die sich in weit wirkungsvollerer Art und Weise um positive Visionen und, noch viel mehr, handfeste Modelle für mehr Balance miteinander und unserem Planeten verdient machen, darf ich wenigstens sagen: Ich habe ein Buch geschrieben und mich getraut. Habe es gewagt, von Liebe, Menschlichkeit und Fortschritt zu sprechen und all die da draußen einzuladen, mehr darüber zu sprechen als nur über das nächste heiße Geschäftsmodell.
Also betrachte dieses Buch als Umarmung, selbst wenn sich das etwas merkwürdig anhört. Schließlich kennen wir uns zum größten Teil nicht. Bisher.
Aber wir – und jetzt muss ich hier Sebastian miteinbeziehen, denn er hat alles in Worte gefasst, was von hier an folgt –, wir lieben dich. Für dein Menschsein. Und wir wollen das sagen können, ohne kitschig oder »hippy« zu klingen oder den Eindruck zu machen, dass wir beide vor einer halben Stunde ein paar Pillen eingeworfen haben. Dieses Buch entstammt einer Liebe für die Menschheit. Es wird von einer gewissen Dringlichkeit begleitet, und wir hoffen, sie erreicht dich als freundliche Geste. Die Iren haben ein Sprichwort: »There are no strangers here, only friends you haven’t yet met.«
Weswegen wir auch ganz offen zu dir sprechen wollen. Keiner von uns ist »Experte« als solcher. Also könnte man auch sagen, es ist anmaßend von uns, sich hinzusetzen und ein Buch zu schreiben. Aber wir haben doch so einiges an Wissen und Erfahrung gesammelt bei all der Arbeit, die wir mit vielen Leuten geleistet haben, die besser qualifiziert sind als wir und die wir daher als unsere Lehrer erachten. Wenn du also an irgendeinem Punkt, während du dieses Buch liest, den Eindruck bekommst, dass wir uns ein bisschen als Lehrer betrachten, dann lass uns das mit einem Zitat von Jack Ma, dem Mitgründer von Alibaba, ins rechte Licht rücken. Alibaba, wenn du das nicht bereits weißt, ist eines der zehn wertvollsten Unternehmen auf der Welt und das größte E-Commerce-Unternehmen weltweit. Wir zitieren ihn auch an einer anderen Stelle in diesem Buch.
In einer Unterhaltung mit dem World Economic Forum in Davos sagte er: »Being a teacher does not mean that I am better than you are. Everything I know better than you, I learnt from others. So a teacher should learn all the time. A teacher should share all the time. A teacher should always expect other people to be better than [they] are.« Und in diesem Sinne sind wir froh, Lehrende und Lernende und Teilende zu sein. Und wir sind selbstverständlich deine Brüder und deine Freunde. Können zwei Menschen all diese Dinge zugleich sein? Absolut. Das ist das Schöne an dem Zeitalter, in dem wir leben.
Willkommen in der Ära der digitalen Moderne.
Christopher Peterka, Planet Erde, 2019
Einleitung – Wie lange wir hier sind, liegt bei uns
Geschätzte Lesezeit: 15 Minuten
Erster Abschnitt: 9 Minuten
Zweiter Abschnitt: 6 Minuten
HALLO
Du bist großartig.
Ernsthaft: Auch ohne dass du dabei aufgenommen wirst, wie du einen Rückwärtssalto durch einen Ring machst und der Clip in eine YouTube-Compilation aufgenommen wird, bist du bereits ein außergewöhnliches Wesen. Dein Körper ist wunderschön: ein fein abgestimmter Organismus mit der bemerkenswerten Fähigkeit, sich an sein Umfeld anzupassen; und lange bevor du es überhaupt genutzt hast, ist dein Gehirn das komplexeste Ding, das der Menschheit bekannt ist. Du bist wahrhaft erstaunlich.
Du bist ein Vollidiot, weil du Mark Zuckerberg deine Daten anvertraust. Und nicht wir nennen dich einen Vollidioten, Mark Zuckerberg höchstselbst tut es. Er nennt uns alle Vollidioten, und er hat recht damit: Wir sind alle Vollidioten, weil wir ihm unsere Daten anvertrauen.
Wenn du einer der wenigen Menschen bist, die das nicht tun, und du keinen Facebook-Account hast oder ihn nicht verwendest, dann herzlichen Glückwunsch. Freu dich aber nicht zu früh: Wenn du egal welchem der großen Digital Player egal wo auf der Welt deine Daten anvertraust, verschenkst du dich selbst.
[DU BIST WARE. WEGWERFBAR, AUSTAUSCHBAR, AUSBEUTBAR, VERKAUFBAR.]
Du verschenkst alles, was es über dich zu wissen gibt: Du bist Ware – wegwerfbar, ausbeutbar, verkaufbar. Und sie verkaufen dich tatsächlich: an ihre Werbeagenturen, aneinander, vorwiegend jedoch wieder an dich. Sie lernen dich so gut kennen, dass sie dir nicht nur die Dinge verkaufen, die du willst, sie kriegen dich auch dazu, Dinge zu wollen, die sie verkaufen. Sie können dich dazu bringen, Dinge zu glauben, von denen du nie gedacht hättest, dass sie wahr sein könnten, und sie schaffen es, dass du an Dingen zweifelst, die du immer für selbstverständlich gehalten hast. Sie besitzen dich.
Dennoch: Mach dich deshalb nicht fertig. Denn vielleicht hast du hier einfach keine wirkliche Wahl. Du lebst in einer Welt, in der es bald sieben bis acht digitale »Superstaaten« geben wird, die jede signifikante, von uns jemals getätigte Transaktion kontrollieren werden.
Social Media war nur der Anfang. China ist auf dem Weg, dein soziales Profil und dein öffentliches Verhalten direkt mit deinem Bankkonto und deinen Möglichkeiten, zu reisen, zu verknüpfen. Dein physisches Leben und deine Online-Existenz sind engstens verzahnt. Wenn du in Shenzhen bei Rot über die Straße gehst und die Gesichtserkennungssoftware dich erfasst, bekommst du nicht mal mehr einen Bußgeldbescheid geschickt: Das Geld wird automatisch von deinem Konto abgebucht, und dein Sozialkredit bekommt einen Punkteabzug. Und während du noch besorgt auf dein Wallet auf deinem Smartphone blickst, starren alle um dich herum auf den großen Bildschirm am Straßenrand, der der Welt dein Gesicht zeigt und dich dafür anprangert, gegen das Gemeinwohl verstoßen zu haben …
Und denk gar nicht daran, dass das woanders nicht passieren könnte oder nicht bereits passiert. »Offline bleiben« oder »aus Social Media aussteigen« – beides wird künftig keine Option mehr sein. Du bist vielleicht kein Vollidiot, der blind großen Unternehmen vertraut, aber die Grenze zwischen dem, was ein Unternehmen ist und was eine Nation, was ein autoritärer Staat und was ein drakonischer kommerzieller Monolith, ist bereits verschwunden: um überhaupt noch irgendwie sinnvoll zu funktionieren, musst du Teil des Netzwerks sein. Versuch mal, einen Handyvertrag ohne Datenpaket abzuschließen. Oder einen Flug zu buchen ohne E-Mail-Adresse. Oder in Schanghai eine Tasse Kaffee ohne Smartphone zu bekommen. Im Großen und Ganzen ist das alles einfach nicht mehr möglich.
Ein Vollidiot zu sein ist eine Sache. Nichts dagegen tun zu können eine ganz andere. Kein Wunder, dass wir völlig überfordert sind. Wir fühlen uns machtlos, und zwar nicht nur, weil der Mann, der Facebook erfunden hat, abfällig über uns redet. Wir werden auch nonstop mit Signalen und Eindrücken gefüttert, von denen viele schlechte Nachrichten enthalten: der Planet überhitzt, die Politik am Ende, und dann noch schnell ein Pop-up dazwischen oder Werbung, nach 40 Sekunden Spielzeit, mitten im Clip. Wer denkt sich das aus? Wenn sich jemand, der sich mit dir im Raum befindet, so verhalten würde, würdest du ihn hinauswerfen.
[WIR SIND STÄNDIG ABGELENKT, STÄNDIG GEREIZT.]
Wir sind gestresst, weil wir ständig abgelenkt werden, sind dauergereizt und können scheinbar trotzdem nicht loslassen. Und wir spüren, dass diese neuen Strukturen, in die wir eingebunden sind, uns nicht nur auf kurze Sicht erschöpfen, sondern auf lange Sicht auch Schaden zufügen. Wir haben das Gefühl, dass bewährte Konzepte davon, was für uns eine Beziehung bedeutet oder eine professionelle Karriere oder ein Mitglied einer Gemeinschaft zu sein, zu leiden beginnen oder sogar zerfallen.
Das