Ich brach sehr früh am nächsten Morgen von Bosanski Petrovac auf. Suad und seine Familie schliefen noch – in ihrem eigenen Haus. Ich hätte mich eigentlich beschwingt fühlen müssen, aber die Fahrt war alles andere als angenehm. Viele Meilen weit fuhr ich durch eine ländliche Gegend und durch Dörfer, in denen es überhaupt keine Menschen mehr gab. Das einzig Lebendige außer mir waren wilde Hunde, die durch Trümmer und Müll stromerten. Ich befand mich hier in einem Teil der Krajina, einem Gebiet, das im Krieg ganz überwiegend von den Serben besetzt gewesen war. Erst vor Kurzem waren sie hier besiegt worden, und mir wurde zunehmend bang, als ich so ganz allein durch diese Ödnis fuhr. Ich fing an, mich zu fragen, ob die Leute in Bosanski Petrovac, die ja auch gerade erst wieder zurückgekehrt waren, tatsächlich über die aktuelle Lage Bescheid wussten, als sie mir sagten, es sei sicher, auf dieser Straße nach Kroatien und zur Adriaküste zu fahren, wo die Leute im Krankenhaus auf den Minibus warteten. Es gab keine Straßenschilder und auch sonst keine Möglichkeit herauszufinden, ob ich auf der richtigen Straße war – ich begann mir Sorgen zu machen, ob ich womöglich in eine Gegend geraten könnte, in der ich nicht willkommen sein würde.
Die Stunden vergingen, ohne dass ich irgendwo Menschen sah. Nicht nur Angst, auch ein neuer, überwältigender Hass auf den Krieg und seine Sinnlosigkeit stieg in mir auf. Ich fragte mich, was jetzt wohl aus all den Serben wurde, die gezwungen worden waren, die jetzt leer stehenden Häuser an der Straße und die Dörfer zu verlassen, in denen sie seit Generationen gelebt hatten. Es war ganz klar, dass es in diesem Krieg keine Gewinner gab, sondern nur Menschen, die jeweils auf eigene, schreckliche Weise zu Verlierern wurden.
Irgendwann fand ich schließlich den Weg aus den Bergen Bosnien-Herzegowinas heraus, und am selben Abend war ich dann in einer anderen Welt – aß fantastischen Fisch, mit Blick auf die glitzernde Adria und in Gesellschaft einiger Freunde aus dem Krankenhaus, die sich über ihren neuen Bus freuten.
Erst im Flugzeug auf dem Rückweg fiel mir wieder unser Bankkonto ein. Die 4200 Pfund, die wir für die Flugzeugtickets nach Zagreb ausgegeben hatten, hatten es praktisch auf null reduziert. Die Bitten um Hilfe würden sich stapeln. Und ich fragte mich auch, wie wir einige offene Rechnungen bezahlen und die nächste Lieferung finanzieren sollten. Als ich zu Hause eintraf, konnte eine lächelnde Julie kaum erwarten, mir das Neueste zu erzählen.
„Heute Morgen traf ein Scheck von einem Priester in Irland ein. Wir kennen ihn nicht. Er will keinen Dankesbrief. Er möchte, dass das anonym bleibt“, sagte sie, und ihre Stimme war ganz zittrig. „Es ist ein Scheck über 4200 Pfund.“
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