Die Schwierigkeit der Denkbarkeit eines anisotropen begrenzten Raumes – Platon hatte Raum und Materie gleichgesetzt – bewog Aristoteles, dessen Eigenschaften gleichsam in die Stoffe (Elemente) selbst zu verlegen und den Begriff Raum durch den des ›Ortes‹ zu ersetzen. Der ›Ort‹ eines Dinges ist die innere Begrenzungsfläche des ihn umgebenden Körpers. Außerhalb des kugelförmig begrenzten Kosmos ist demnach weder Ort noch Zeit, somit auch keine Materie oder Leere, nur Gott als reines Formprinzip (Geist), auch als unbewegter Erster Beweger angesehen, der wie eine erstrebte Geliebte, also teleologisch sämtliche Sphären in gleichförmige Rotationen versetzt und folglich erste Ursache für alles Geschehen im Kosmos wird. Derartige Auffassungen hatten natürlich die Ablehnung jeglichen Vakuums und jeglicher Fernwirkungen der Kräfte zur Folge.
Von besonderer Bedeutung und im biologischen Bereich am längsten währendem Einfluss war das teleologische Denken, das nach stoischem und neuplatonischem Vorbild im christlichen Mittelalter von der aristotelischen Vorstellung einer dem Einzelding und -vorgang immanenten Finalität (Entelechie) zu einem sinn- und zweckvollen Aufeinander-Bezogensein aller Dinge und natürlichen Vorgänge ausgeformt wurde. Die Seele gilt in diesem Sinne als das Prinzip des Lebens in allem Belebten, in den Pflanzen (vegetative), den Tieren (vegetative und sensitive) und den Menschen (vegetative, sensitive und noëtische Seele). Seele und Körper verhielten sich wie Bewegendes und Bewegtes (Form und Materie, Zweck und Mittel usw.), sie seien wechselseitig aneinander gebunden und entstünden und vergingen gemeinsam; denn die Seele sei »primäre, aktuelle Wirklichkeit (Entelechie) eines natürlichen, organischen Körpers«. Die potentiellen Eigenschaften sollen in und mit dem Körper zur allmählichen aktuellen Entfaltung bis zur ›Entelechie‹ gelangen – innerhalb der Embryologie beobachtete Aristoteles diesen Prozess im Detail an der Entwicklung des Hühnereies. Ihm gelangen so klare Erkenntnisse über die Funktionen des Lebens bezüglich Ernährung, Wachstum, Fortpflanzung und Anpassung. Aus den analogen Bedürfnissen Ernährung, Bewegung, Atmung folgt für ihn die Existenz entsprechender, dem Lebensraum angepasster homologer Organe (wie Lungen, Kiemen). – Die Grenze zwischen Pflanzen- und Tierreich sei fließend wie die Übergänge innerhalb beider, je nach dem, welche Unterscheidungsmerkmale man zugrunde lege. Die später so genannte ›scala naturae‹ ist hier vorgebildet, feste natürliche ›Gattungen‹ lehnte Aristoteles jedoch ab. Überhaupt war es weder seine noch seines Schülers Theophrastos, der sich hauptsächlich dem von seinem Lehrer nicht eigens detailliert behandelten Pflanzenreich widmete, Absicht gewesen, eine Klassifikation des Tier- beziehungsweise Pflanzenreiches zu erarbeiten. Die Eigenschaften und Merkmale seien vielmehr durch ein graduelles Mehr oder Weniger bestimmt; und je nach Wahl des Gesichtspunktes (Ernährung, Fortpflanzung, Lebensraum) ergäben sich andere Gruppierungen, die nur eingeführt wurden, um Ähnliches zusammenhängend darstellen zu können. Eine Systematik entsteht aus einzelnen dieser Ansätze erst in der Neuzeit. – Ein größeres botanisches Werk scheint Aristoteles nicht verfasst zu haben, wenn auch in seinem Auftrag und nach von ihm erarbeiteten Methoden auf dem Alexanderzug botanisches Beobachtungsmaterial gesammelt wurde, das Theophrastos später auswertete. Die unter dem Namen des Aristoteles überlieferte Schrift ›De plantis‹ stammt nicht von ihm selbst.
Archimedes
(* um 285 v. Chr. Syrakus, † 212 ebenda bei der Einnahme der Stadt durch römische Truppen während
des Zweiten Punischen Krieges)
Neben einer Reihe bloßer Legenden, die sich schnell um seinen Namen rankten, ist aus dem Leben des Archimedes nichts weiter bekannt, als dass er in Alexandria, der wissenschaftlichen Hochburg des Hellenismus, mathematische Wissenschaften studiert und zu den dortigen Mathematikern auch nach der Rückkehr in seine Vaterstadt Syrakus engen Kontakt behalten hat. Sie konnten seine mathematischen Arbeiten am ehesten verstehen und würdigen, und ihnen schickte er sie nach einer damals üblichen Art, wissenschaftliche Abhandlungen zu veröffentlichen, auch von Syrakus aus jeweils als offenen Brief zu. Dass sie fehlerhafte Ergebnisse, die Archimedes ihnen zur Prüfung auch einmal zukommen ließ, nicht von sich aus bemerkten, spricht allerdings weniger gegen sie als für das alles überragende mathematische Genie des Absenders, das er sich auf diese Weise von den Kollegen bestätigen ließ.
Der große Ruhm, den Archimedes zu Lebzeiten genoss, beruhte dagegen auf seinen technisch-mechanischen Erfindungen, zu denen neben Kriegsmaschinen, die er zur Verteidigung seiner Vaterstadt erfunden hatte und die ihre römischen Belagerer immer wieder in Angst und Schrecken versetzt hatten, die Schraube(nlinie), die sogenannte Archimedische (Ägyptische) Wasserschnecke, der Flaschenzug und ein mit Wasser betriebenes Planetarium zählen, welches noch Cicero in Rom bewundern konnte, wohin Marcellus es als Kriegsbeute mitgebracht hatte. (Dass Archimedes bei der Seeblockade von Syrakus die römischen Schiffe mittels riesiger Brennspiegel in Brand gesetzt habe, beruht dagegen auf einer erst später entstandenen Legende.) Archimedes hatte sich dieser Erfindungen auch keineswegs geschämt, wie erst später Plutarchos ihm in Zeiten einer durch neuplatonisches Denken beeinflussten Geringschätzung praktischer (technischer) Tätigkeit unterstellte.
Die Konstruktion dieser Erfindungen beruht auf einer genialen theoretischen Erfassung der Wirkweise der sogenannten Einfachen Maschinen, der Grundarten der auf geometrische Schemata reduzierten Werkzeuge der praktischen Mechanik (Technik). Er begründete deren Statik durch axiomatisch-deduktive Ableitung aus einfachen Sätzen, wie es