Er sagte: „Sag mir, was ich falsch gemacht habe, außer dass ich nicht arbeite. Du hast viele Bewerbungen für mich geschrieben und auch keine Arbeit gefunden.“
Ich konnte die Tränen nur mühsam zurückhalten: „Alles was wir zusammen gemacht haben, ist vorbei: Essen, Freunde treffen, Urlaub …“
Er antwortete: „Das können wir doch weiter machen. Du kannst immer zu mir kommen.“ Anscheinend war er hin- und hergerissen Dann sagte er noch: „Es gibt zwei Beatrice’ – eine herzliche und eine egoistische.“
21. Oktober
Wir hatten uns eine Woche nicht gesehen. Einige Nächte hatte Metin nicht zu Hause geschlafen. Einige Male lag in der Schmutzwäsche fremde Unterwäsche, die er sich anscheinend von einem Freund geliehen hatte, als er bei ihm nächtigte. Ich hatte alle körperlichen Symptome: Herzklopfen, Atemnot, Weinkrämpfe, Blasenstörungen, Ruhelosigkeit und Appetitlosigkeit. Dennoch hatte ich meiner Familie und den meisten Freunden noch nichts gesagt. Ich war in einer Art Warteposition und ungläubigem Schockzustand.
Wir frühstückten zusammen. Er war sehr wütend und beschimpfte mich fortwährend. Es ging wieder um ein Kind, das ich unter den gegebenen Voraussetzungen nicht haben wollte, obwohl er immer wieder für einige Zeit gearbeitet hatte und geholfen hätte, die Familie zu ernähren. Es ging um sein Traumauto BMW, das ich aus Kostengründen nicht kaufen wollte. Es ging um ein Haus, das ich stattdessen kaufen wollte. Er hätte sich an seinen religiösen Festen immer allein gefühlt, da ich das Gefühl für muslimische Feste nicht gehabt hätte. Er hätte meinetwegen kirchlich geheiratet. Ich hätte immer an Urlaub gedacht. So ging es weiter und weiter. Ich weinte und weinte. Er sagte: „Deshalb bin ich nie hier: Weil du immer weinst. Ich möchte das nicht mehr sehen.“
Er zeigte mir ein ausgefülltes Formular, mit dem er Sozialhilfe beantragen wollte. „Ich muss allein aufstehen.“
Ich sagte ihm, dass er bis zur Scheidung keinen Anspruch darauf hätte. Ich verteidigte mich: „Ich habe mich doch um alles gekümmert!“
„Was hast du denn gemacht? Du bist hundertprozentig schuld. Ich habe alles für dich gemacht. Alles. Du hast Geld, ich habe nichts.“
„Ich habe immer nur für uns gedacht und gearbeitet. Wir haben immer alles geteilt, was ich verdiente. Ich habe keinen Cent mehr gehabt als du. Du wirst dich wundern, wenn du allein wohnst.“
22. Oktober
Ich musste es nun im Freundeskreis bekannt machen. Ich hatte an alle Freunde, die es noch nicht wussten, per Brief die Nachricht über unsere Trennung geschickt. Nach und nach die Freunde mündlich zu informieren, war mir nicht möglich, weil es mir so wehtat. Es war besser, es alle auf einmal wissen zu lassen. Ich hatte eine Zeichnung von zwei Pinguinen aufgeklebt, die auf zwei Eisschollen in verschiedene Richtungen treiben, und einen Fünfzeiler geschrieben, in dem wir unsere Trennung bekannt gaben, uns gegenseitig für alles bedankten und uns vorgenommen hatten, niemals schlecht über den anderen zu sprechen.
26. Oktober
Als ich abends nach Hause kam und Metin sah, fing ich wieder an zu weinen. Ich musste mich aber beherrschen, da ich mit meinem Ex-Kollegen Richard, der in der Stadt war, zum Essen verabredet war. Leider hatte er im selben Restaurant, in dem ich das letzte Mal mit Metin gegessen hatte, eine Reservierung vorgenommen. Ich erzählte Richard stockend, aber beherrscht von unserer Trennung, ich hatte mich im Griff, und er hörte gut zu, war sehr betroffen und wünschte mir Glück. Als Langzeitverheirateter konnte er meine Situation zwar nicht so richtig nachvollziehen, versuchte aber trotzdem, mir beizustehen und gab mir einige Ratschläge. Als ich zu Hause ankam, war Metin immer noch da, was mich sehr verblüffte. Ich hatte nicht vermutet, ihn zu sehen. Er hatte etwas getrunken. Es war ihm ein großes Bedürfnis, mit mir zu reden. Wir hatten ein liebes Gespräch.
„Danke für alles. Ich MUSS allein aufstehen. Wir können weiterhin befreundet sein, aber das willst du nicht. Ich kenne dich. Ruf mich in einem Jahr an und frag: Was hast du gemacht, wie geht es dir? Du hast zu früh allen Bescheid gesagt. Was ist, wenn wir wieder zusammen sind?“
An diese Worte klammerte ich mich immer, wenn er sie sagte. Gleichzeitig war ich Realist genug, um zu wissen, wie lange ein Jahr dauert und was in diesem Jahr alles passieren kann.
„Aber du willst dich von mir scheiden lassen. Du willst mit deiner geschiedenen Frau wieder zusammen sein?“
„Es ist nur ein Papier. Ich möchte nicht, dass du weinst. Bitte mach es mir nicht so schwer. Deshalb gehe ich abends immer weg.“
Nach dem Gespräch ging es mir wesentlich besser. Zum Schluss umarmten wir uns. Er wollte mit mir Sex haben. Ich sagte, dass ich dann wahrscheinlich weinen müsste. Wir taten es nicht.
28. Oktober
Morgens sagte ich ihm, dass es mir seit unserem letzten Gespräch besser ginge. Er freute sich. Wir umarmten uns nochmals. Es ging mir so gut, dass ich mit ihm durch die Wohnung ging und ihm die Möbel zeigte, die er mitnehmen sollte, da er keine hätte. Er sagte, er bräuchte nur die Dolby-Surround-Anlage, alle anderen Möbel würde er sich vom Erlös des Grundstücksanteils kaufen.
29. Oktober
Metin schlief nicht zu Hause. Mein Bruder kam mit seiner Familie für ein paar Tage nach Berlin. Sie wohnten in einem Hotel. Abends gingen wir alle mit meiner Schwester und ihrer Familie, meiner Mutter, ihrem Bruder und seinen Kindern zum Essen. Ich informierte meine Familie darüber, dass Metin und ich uns einvernehmlich getrennt hatten und dass, sollten sie ihn treffen oder sollte er ab und zu wieder dabei sein, es schön wäre, wieder unbeschwert zusammenzusitzen. Ich wollte nicht schlecht über ihn sprechen. Es fiel mir unendlich schwer, das zu sagen, ich musste mich sehr darum bemühen, nicht die Fassung zu verlieren, und ich hoffte, dass das, was ich sagte, sich realisieren ließe.
Unsere Wohnung hatte ich gekündigt. Mir war klar, dass ich nach einem Auszug Metins nicht allein dort wohnen wollte. Meine Schwester Patrizia bot mir an, in ihr Haus zu ziehen, was sicher für einige Wochen gehen würde, bevor ich mir ein Zimmer in einer WG nehmen wollte. Sie wohnte zwar im Umland Berlins – aber bloß nicht allein wohnen!
1. November
Ich erhielt eine Postkarte meiner lieben Freundin Verena. Auf dem Bild war eine weiße Taube zu sehen, die aus einem offenen Käfig flog. Der Text: „Manchmal denkt man, es ist stark, festzuhalten. Doch es ist das Loslassen, das wahre Stärke zeigt.“ Sie hatte nur ein Herz gemalt und „deine Verena“ unterschrieben. Ich las den Text wieder und wieder, weinte und weinte und war unendlich dankbar, sie zur Freundin zu haben.
3. November
Ich war für zwei Tage mit einer Kollegin in Köln auf einer Messe. Es ging mir unglaublich schlecht, am liebsten hätte ich wie jeden Tag ununterbrochen geweint, aber ich musste mich beherrschen und mich auf die Gespräche konzentrieren und ließ mir nichts anmerken. Abends ging ich mit ihr essen und beim Verdauungsspaziergang am Kölner Dom vorbei. Wir gingen hinein. Es fand gerade eine Messe statt. Die Atmosphäre beruhigte mich etwas. Als ich endlich in meinem Hotelzimmer war, bekam ich plötzlich fürchterliche Bauchschmerzen und musste mich übergeben. Mir war total übel, ich bekam Schüttelfrost und schlief erst mitten in der Nacht ein. Am nächsten Morgen waren die Symptome Gott sei Dank verschwunden. Anscheinend hatte mein Körper total verrückt gespielt.
Wieder zu Hause angekommen, fühlte ich mich unendlich