Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabine von der Wellen
Издательство: Bookwire
Серия: Die Sucht
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750223608
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dämpfen soll, ohne ihm wehzutun und ich weiß auch gar nicht, wie ich wirklich reagieren werde, wenn er vor mir steht. Ich kann mich nicht mehr einschätzen. Meine Gefühlswelt ist völlig auf den Kopf gestellt. Wer weiß da schon, wie ich bei Tim ticken werde?

      Als ich aus dem Bus steige, immer noch das Handy an meinem Ohr und in Ellens Gesicht sehe, geht es mir besser. Sie grinst mich an und ich grinse zurück. „Okay Tim, ich muss jetzt Schluss machen und wünsche dir noch einen schönen Tag. Bis morgen!“

      Ich beiße mir auf die Lippe. Der letzte Satz war mir so rausgerutscht.

      Tim haucht noch einen Luftkuss ins Telefon und wir legen auf.

      „Wie bis morgen? Weißt du schon, dass er morgen wieder anruft?“, brummt Ellen, ohne mir einen Guten Morgen zu wünschen.

      „Naja …, sicher!“, sage ich ausweichend.

      „Also ist er das immer morgens und nicht Marcel. Ich dachte mir das schon“, knurrt sie verbissen.

      „Marcel ruft mich auch schon mal an … oder meine Eltern“, versuche ich mich zu verteidigen.

      „Und wann kommt er?“

      Stimmt, ich hatte Ellen gesagt, dass Tim diese Woche vorbeikommen wird.

      „Mittwoch“, raune ich und weiß nicht, ob es gut ist, dass sie das weiß.

      „Und was habt ihr vor?“

      „Schauen wir mal. Vielleicht habt ihr Lust, was mit uns zu unternehmen?“, frage ich sie.

      „Wen meinst du? Die Mädels? Daniel? Vielleicht Erik?“, brummt sie ungehalten.

      Ich schüttele den Kopf. „Wenn du meinst, ich sollte besser nicht mit ihm allein sein, dann lass dir doch was einfallen. Da seid ihr Zeiss-Clarkson doch ganz groß drin“, brumme ich zurück.

      Ellen grinst, aber ihre Augen blitzen ernst. „Warte, was passiert, wenn Erik erfährt, dass Tim erneut hier aufläuft.“

      „Sag´s ihm einfach nicht“, antworte ich nur mürrisch. Mir ist bei dem Gedanken auch nicht wohl.

      Wir sind bei der Schule und die anderen empfangen uns überdreht und erzählen von Samstagabend und ihrer Alandotour.

      Ich sehe Ellen überrascht an. Sie hatte mir nicht erzählt, dass sie Samstag auf Tour waren.

      „Du wolltest schließlich nicht mit. Die anderen aber schon“, sagt sie nur lachend.

      Ich bin etwas traurig, dass sie mir nichts davon gesagt hatte. Fast kommt es mir so vor, als wollten sie mich gar nicht mithaben. Meine alte Angst, den Anschluss an meine Klassenkameraden zu verlieren, kriecht wieder in mir hoch. Das darf auf gar keinen Fall wieder passieren.

      Als wir am Nachmittag aus der großen Eingangstür der Schule treten, machen mich Michaelas leuchtenden Augen auf die zwei an der Straße wartenden Autos aufmerksam.

      Verdammt!

      Ellen lacht. „Hey, was ist das denn heute?“ Sie geht schnurstracks auf den BMW zu und küsst Daniel, der lässig an seinem Auto lehnt und nur Augen für sie hat.

      Unsere Mädels sehen sich den anderen Typen an, der mit verschränkten Armen am Mustang lehnt und nur Sabine und Michaela wissen, dass das Ellens Bruder ist.

      Mein Herz droht bei Eriks Anblick auszusetzen. Er hat ein schwarzes T-Shirt an, das ungewöhnlich eng für seine Verhältnisse sitzt und seinen unglaublich gutgebauten Oberkörper betont. Seine verwaschene Jeans mit dem Riss auf dem Oberschenkel sieht verboten verwegen aus und ich weiß, was der Inhalt verspricht, hält er auch. Dazu glänzen seine blonden Locken in der Sonne.

      Ich drehe mich um und denke mir, es ist besser ich gehe noch mal in die Schule zurück und tue so, als müsse ich noch mal auf Toilette oder etwas holen, das ich vergessen habe. Schon wegen Michaela möchte ich nicht, dass Erik mich anspricht oder sonst irgendetwas macht, das den Anschein erweckt, wir hätten mehr miteinander zu tun. Schließlich war sie auch schon eine von Eriks Betthupfern gewesen und leidet immer noch schwer an seiner anschließenden Abfuhr.

      Ich höre Ellen meinen Namen rufen und laufe durch die Tür in den kühlen Flur der Schule zurück. Vielleicht gibt es auch einen Hinterausgang oder ich komme erst raus, wenn alle weg sind. Ich kann unmöglich vor allen in Eriks Auto steigen. Das überlebt die arme Michaela, und wer weiß wer sonst noch alles, nicht. Und ich auch nicht.

      „Hey, wartest du wohl?“, höre ich plötzlich Eriks wütende Stimme durch den Flur schallen und laufe an den letzten Nachzüglern vorbei, die aus einem der Klassenzimmer kommen.

      Erschrocken und resigniert verdrehe ich die Augen. Das kann doch jetzt nicht wahr sein? Wieso folgt er mir auch noch?

      Ich will nicht wegrennen. Also muss ich ein normales Tempo beibehalten, damit es nicht so aussieht, als wäre ich auf der Flucht. Es soll schließlich so aussehen, als hätte ich noch irgendwas vergessen.

      „Wartest du wohl?“, brummt es neben mir und ich werde am Arm festgehalten. Erik sieht mich verdrossen an. „Du kannst doch nicht einfach abhauen“, knurrt er aufgebracht.

      „Was willst du hier?“, zische ich und gehe weiter.

      Erik lacht auf und ich sehe ihn verdutzt an.

      „Du bist so leicht zu durchschauen und so berechenbar. Es ist herrlich!“, sagt er belustigt.

      Ich bleibe völlig verwirrt stehen.

      „Vergessen? Meine kleine Rache. Ich habe lange überlegt, was dich wirklich trifft, ohne dich zu verletzen. Und dann fiel mir ein, was du bei deinem Typen nicht magst und dachte mir, dass kann ich auch.“

      „Was?“, brumme ich noch irritierter.

      „Und du schenkst mir die ganze Bandbreite mit deinem dummen Fluchtversuch“, raunt er grinsend.

      Bevor ich etwas erwidern kann, packt er mich, wirft mich über seine Schulter, als wäre ich nur ein Zementsack, und greift mit der anderen Hand nach meiner Tasche, die ich erschrocken fallen ließ.

      Ich versuche mich aus seinem Griff zu winden und er tut so, als wenn er mich hintenüberfallen lässt. „Gibst du jetzt Ruhe?“, brummt er dabei, als ich aufschreie.

      Ich wage mich nicht mehr zu rühren und klammere mich kopfüber an seinem Gürtel fest. „Bitte, Erik. Ich gehe auch brav mit. Aber lass mich runter“, flehe ich ihn völlig verzweifelt an.

      „Vergiss es. Das wird jetzt richtig peinlich für dich. Das ist meine kleine Rache. Du wirst nicht mehr einfach vor mir abhauen und mir auch nicht wiedersprechen“, meint er zufrieden.

      Wir kommen durch die Tür, auf die jeder starrt, der Erik in Windeseile hineinschlüpfen gesehen hatte und sich wunderte, warum. Dass er jetzt wieder rauskommt und mich locker über seiner Schulter zum Auto trägt, verursacht bei vielen der um uns stehenden Gelächter. Ich möchte nicht Michaelas Gesicht sehen, die vielleicht eine Sekunde die Hoffnung hatte, dass er wegen ihr hier ist … oder andere Mädels, die dem gleichen Irrtum erlagen.

      „Erik, ich hasse dich!“, fauche ich und er stellt mich bei seinem Auto auf die Füße.

      Ellen und Daniel grinsen mich an, als ich aufgebracht meine Haare aus dem Gesicht streiche und ihnen einen wütenden Blick zuwerfe. Dann trifft mein Blick wieder Erik und ich fauche: „Verdammt, warum machst du das? Du bist doch wohl vollkommen übergeschnappt!“

      „Steig ein“, raunt Erik nur und ignoriert mein Gezeter.

      „Und wenn ich nicht will!“

      „Glaub mir, dann wird es noch peinlicher für dich“, brummt er und seine Augen brennen sich in meine. „Aber mach ruhig. Ich freue mich darauf.“

      Ich greife nach meiner Tasche, reiße sie ihm aus der Hand und gehe um den Mustang herum, um mich auf den Beifahrersitz zu werfen. „Was muss ich noch alles ertragen?“, murre ich dabei wütend.

      Erik winkt Ellen und Daniel zu und steigt auch ein. Er lächelt mich an.