Ich schlucke schwer. Erik ist hier durchgefahren? Warum?
„Glaube ich dir“, murmele ich nur und gehe zum Badezimmer. „Ich gehe eben auf Toilette“, erkläre ich und schließe die Tür hinter mir.
Mein Handy aus meiner Hosentasche ziehend, schreibe ich an Ellen2 eine SMS. „Dein Auto ist zu auffällig, als das du unauffällig hier durchfahren kannst. Wolltest du etwas Bestimmtes?“
Die Antwort lässt auf sich warten. Ich werde nervös. Schließlich kann ich nicht ewig auf dem Klo hocken bleiben. Dann klingelt mein Handy einmal und erstirbt wieder. Erik will mit mir telefonieren. Verdammt!
Ich verlasse das Badezimmer und schlüpfe in meine Schuhe. Marcel wirft sich gerade vor den Fernseher. „Vielleicht kommen Michael und Mike gleich noch. Magst du nicht doch mitschauen? Das Spiel fängt gleich an.“
Ach ja, das Fußballspiel.
„Ne, ich gehe lieber eben ein Stück um die Häuser. Vielleicht danach. Okay?“
Marcel sieht mich seltsam an und ich gehe zu ihm und gebe ihm einen Kuss. „Nur eine Runde die Füße vertreten - nach dem langen Sitzen. Und vielleicht sehe ich ja, wo dein Mustang wohnt und ich sage dir dann die Adresse.“
Seine Augen leuchten auf. „Au ja! Das wäre toll!“
Ich verlasse schnell das Haus und gehe durch die kleine Gartenpforte auf die Straße. Sofort blicke ich die Straße rauf und runter. Aber ich sehe keinen auffälligen Mustang. Ich muss die leichte Enttäuschung unterdrücken, die sich an die Oberfläche schleichen will. Spüre ich da so etwas wie eine seichte Sehnsucht? Ich schüttele energisch den Kopf und verdränge das Gefühl.
Ich gehe die Straße hinunter, an den Einfamilienhäusern mit ihren schön angelegten Gärten vorbei und komme zu der Straße, an der Erik und ich parkten und ich ihm den Abschiedskuss gab. Dort wechsele ich auf die andere Straßenseite und laufe weiter in die Stadt hinein. Ich nehme mein Handy und rufe Ellen2 an.
„Hi!“, meldet Erik sich sofort. „Hast du dich wegschleichen können?“
„Hallo Erik. Warum wegschleichen? Ich habe gesagt, dass ich ein Stück um die Häuser gehe und fertig. Marcel sperrt mich nicht ein.“
„… wie ich!“, raunt Erik, als wolle ich den Satz so vervollständigen.
„Das hast du gesagt“, antworte ich ihm und fühle ein seltsames Zittern durch mein Inneres toben. Schon mit Erik zu sprechen lässt alles in mir vibrieren. „Und, gestern alles gut gelaufen?“, versuche ich das Thema schnell zu wechseln.
„Ja, aber frag nicht weiter. Es ist besser, du weißt von all dem nichts“, höre ich Erik murmeln.
„Stimmt! Das ist wahrscheinlich wirklich besser. Zumal das etwas wäre, dass ich nicht tolerieren könnte, wenn wir mehr als nur Freunde wären.“ Ich kann dem Drang nicht wiederstehen, ihn erneut aus der Reserve zu locken. Mir wird klar, dass in meinem Inneren die Frage wütet, was er meint, was zwischen uns ist. Dass er mir die Freundschaft zu seiner Schwester lässt, ist mir mittlerweile klar. Aber was will er von mir? Einerseits lebt er sein Leben, als gäbe es nichts anderes, was ihn interessiert und anderseits sucht er den Kontakt zu mir.
Erik sagt nichts.
Nach einiger Zeit raunt er, das Thema wechselnd: „Du fragst nicht, wie es mir geht? Vergessen? Ich bin noch immer verletzt.“
„Ach Erik, Quatsch. Wenn du nachts durch dunkle Gassen und siffige Diskotheken gehen kannst, um Drogen zu verticken, dann kann es so schlimm nicht mehr sein“, knurre ich von der Enttäuschung getrieben, dass er sich nicht weiter auf das andere Thema einlassen will.
„Autsch, das war wie ein Schlag in den Magen. Wo bleibt denn deine hilfreiche und soziale Ader? Hast du die anderweitig ausgetobt?“, blafft er zurück.
Ich bin mir nicht sicher, was er damit meint und brumme: „Die steht nicht jedem zu und Daniel ist schließlich auch noch da. Er kann dir auch dein Händchen halten. So und nun raus mit der Sprache. Warum warst du heute in Bramsche?“
Ich höre ein Seufzen und es dauert bis er antworte: „Ich habe nur nach dem Rechten gesehen.“
„Was? Wie, nach dem Rechten gesehen?“, frage ich irritiert.
„Nah, ob das Haus noch steht oder du schon deine Sachen packst und gehen willst oder irgend sowas“, sagt er, als zähle er auf, was er zum Frühstück gegessen hat.
„Ich habe nichts, wo ich einfach so hingehen kann. Meine Eltern lieben Marcel mittlerweile wieder heiß und innig und würden mir die Hölle heiß machen, wenn ich ihn verlasse“, antworte ich, an meine Gedanken erinnert, die mich genau diesbezüglich schon bei den Hausaufgaben heimgesucht hatten.
Leise raunt Erik: „Das wäre kein Problem. Ich hätte sofort eine Wohnung für dich.“
„Die ich mir nicht leisten könnte“, antworte ich nur.
„Die würde dich nichts kosten. Sie ist bei Daniel im Haus“, sagt er schnell.
Ich bleibe verwirrt stehen. „Wie jetzt?“
„Ist doch egal. Wenn du wegwillst, hast du auf alle Fälle gleich eine Wohnung. Mehr brauchst du nicht zu wissen.“
Ich schüttele den Kopf und muss einen Schritt an die Seite gehen, um eine Frau mit Kinderwagen vorbeizulassen.
„Okay“, antworte ich nur. „Aber ich glaube, ich würde mir dann lieber selbst was suchen.“ Ich weiß nicht, was ich von all dem halten soll.
„Sicher! Aber erst mal hättest du eine Bleibe und Ellen hättest du auch gleich da“, murmelt er.
Will er mir die Wohnung schmackhaft machen? Ich finde das alles ausgesprochen seltsam und nehme mir vor, Ellen danach zu fragen. Jetzt halte ich es erst mal für besser, das Thema zu wechseln.
„Also jetzt ehrlich! Warum warst du eben da?“
„Ehrlich? Ich war in der Nähe und wollte einen kleinen Abstecher machen, um wirklich nur zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Und ich habe deinen Typen gesehen. Ich glaube, gestern auch schon. Der steht scheinbar auf Mustangs.“
Erik hört sich so an, als freue es ihn ungemein, dass er etwas hat, das Marcel auch haben möchte.
„Ich denke, wenn du ihn fragst, ob er auch mal fahren will, sagt er sofort ja“, antworte ich, seine Vermutung bestätigend.
„Ich kann ihn ja mal fragen, ob er mit mir tauscht. Er bekommt das Auto und ich seine Freundin.“ Erik lacht laut auf, um seine Worte als Witz zu kaschieren.
Ich muss auch lachen. So ein Spinner. „Nah, ich denke, er nimmt sofort das Auto“, antworte ich ihm.
„Hm, dann sollte ich ihm den Deal wirklich mal vorschlagen“, sagt Erik ernst.
„Untersteh dich“, rufe ich gespielt entrüstet aus und muss immer noch lachen. „Du bringst das wirklich und ich habe dann den Stress, weil Marcel wissen will, wie du auf so etwas kommst. Sowieso, dass ich den Mustangfahrer kenne, würde ihn aus allen Wolken fallen lassen. Also bitte halte dich zurück“, füge ich noch belustigt hinzu. Ich will diese Stimmung aufrechterhalten.
„Zurückhaltung? Hm, ich glaube, dass ich nicht gerade eine meiner Stärken“, murmelt Erik.
Ich muss schmunzeln. „Stimmt! Was ist deine Stärke?“
Erik scheint zu überlegen. „Ich weiß nicht? Ich kann nichts Besonderes. Vielleicht ist meine einzige Stärke meine Stärke.“ Er lacht auf, klingt aber eher resigniert.
„Ich bin mir sicher, du hast ganz viele“, versuche ich sofort mit einem seltsamen Gefühl im Bauch seine Laune wieder hochzutreiben.
„Ach ja? Nah, dann sage mir mal eine. Eine Einzige. Das wäre schon was“, raunt er und ich spüre erneut die Stimmung auf Talfahrt gehen.
„Ich